Gemüse aus dem SupermarktKann ich mich dadurch mit Corona anstecken?

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Eine Kundin wählt Mitte April in einem Lebensmittelgeschäft in Bayern Gemüse aus und trägt eine Maske als Mund- und Nasenschutz. Aber wie groß ist die Infektionsgefahr über unverpackte Lebensmittel?

von Sieglinde Neumann

Köln – Corona wirft bei vielen zahlreiche Fragen auf: Wie sehr kann ich mich über Oberflächen anstecken? Oder über Lebensmittel – wie Gemüse – aus dem Supermarkt? Und wie gefährlich sind Mücken? EXPRESS klärt auf.

Essig gegen Viren

Essig ist ein Alleskönner im Haushalt, man kann damit würzen, Fliesen reinigen, Kaffeemaschinen entkalken.

Die Rohkost kann nach dem Besprühen unbedenklich verzehrt werden. Wer die saure Geschmacksnote nicht mag, spült die aufgesprühte Essenz von Apfel oder Salatblatt ab.

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Klingt übertrieben. Andererseits, viele haben mit zunehmend volleren Geschäften ein mulmiges Gefühl bei aus ökologischen Gründen vernünftigerweise unverpackten Erdbeeren, Gurken und Tomaten. Doch wie hoch ist die Ansteckungsgefahr durch Lebensmittel? Einkaufswagen? Hotelbetten? Beim Baden im Schwimmbad oder Meer?

Essig gegen Corona: Ergibt das Sinn?

Macht das Besprühen mit Essig- und Zitronensäure Sinn, um eine etwaige Ansteckung mit dem neuartigen Corona-Virus über Oberflächen auszuschließen?

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EXPRESS sprach mit Prof. Martin Exner, Leiter des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit an der Universitätsklinik Bonn, über den aktuellen Stand des Wissens.

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Martin Exner (r)., Direktor des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit der Uni Bonn, spricht während einer Pressekonferenz der Landesregierung Anfang April.

Es muss in der Tat nicht immer die chemische Keule sein, um Oberflächen von Viren zu befreien. „Auch natürliche Produkte können antibakterielle- und antivirale Effekte haben“, sagt Exner.

Prof. Martin Exner: „Muss nicht immer die Chemiekeule sein”

„Essig- und Zitronensäure zählen dazu, sie können Viren inaktivieren. Aber es kommt darauf an, dass die Wirksamkeit zur medizinisch wirksamen Desinfektion im Rahmen eines seit 1959 in Deutschland sehr erfolgreichen standardisierten Prüfprozesses durch zwei anerkannte Labore unabhängig voneinander geprüft und bestätigt wird.“

Über 1000 Mittel sind durch den Verbund für Angewandte Hygiene (VAH) auf diese Weise anerkannt (komplette Liste auf www.vah-online.de). Für die neue Essig-Zitronen-Säure-Essenz läuft ein Anmeldeprozess, erklärt Johannes Kaluza, Gesellschafter des Familienunternehmens Speyer + Grund, Essigspezialist seit 1863.

Henkel-Forschungsleiter: Essig mit besonders stark desinfizierender Wirkung

Aber es ist als Lebensmittel deklariert, daher sei dies streng juristisch nicht nötig. Mehrere Gutachten akkreditierter Labore liegen vor. Das Rezept entwickelte der langjährige Henkel-Forschungsleiter Prof. Dirk Bockmühl von der Hochschule Rhein-Waal. Die besonders starke desinfizierende Wirkung sei durch die Kombination von Essig- und Zitronensäure gelungen, so Kaluza.

Ihm schwebt vor allem auch der Einsatz in Gaststätten und Restaurants vor, die es auch auf Besteck oder Tische sprühen könnten. „Ich esse Beeren, Äpfel, alles eingesprüht, das praktiziere ich seit vielen Monaten, die leicht saure Essignote passt zu vielem“, schwärmt er.

Der pH-Wert des Mittels liegt bei 2,0, im Magen herrschen 1,0, daher täte der Mix der eigenen Gesundheit beim Verzehr nichts an, zumal er wie Salz als Würze nur hochverdünnt aufgenommen werde.

Experte: „Es reicht, Obst und Gemüse mit Wasser abzuspülen”

Infektions- und Hygieneexperte Exner bleibt zurückhaltend. Immerhin gelten umhüllte Viren wie Influenza und Corona, anders als etwa Noroviren, als sehr empfindlich gegenüber Desinfektionsverfahren, sind auch mit leichterem Geschütz zu inaktivieren und von Oberflächen und Händen gut abzuwaschen.

„Es reicht, Salat, Obst, Gemüse vor dem Verzehr mit kaltem Wasser abzuspülen“, betont Exner. „Mir ist kein einziger Fall der Ansteckung über Lebensmittel bekannt. Theoretisch sehe ich da eher das immer vorhandene Risiko von Salmonellen, die in Fäkalien vorkommen.“ Daher sei das A und O im Umgang damit eine umsichtige Toilettenhygiene, einschließlich Händewaschen.

Muss ich den Einkaufswagen desinfizieren?

Ist es übertrieben, Einkaufswagen nach jedem Kunden zu desinfizieren? „Für mich selber kann ich sagen, ich habe keine Angst, einen nicht desinfizierten Einkaufswagen anzufassen, weil ich mir solange nicht ins Gesicht fasse, bis ich meine Hände entweder auf der Toilette gewaschen, oder mit einem Händedesinfektionsmittel desinfiziert habe.

Eins von beidem sollte auch jeder als erstes tun, wenn er nach Hause kommt, und sich antrainieren, sich weniger, allenfalls mit dem Handrücken, ins Gesicht und nicht in Mund, Augen oder in die Nase zu fassen.“

Wie viel Angst muss ich vor Ansteckung in Hotels und Ferienwohnungen haben?

Angst vor Ansteckung durch Matratzen, Kopfkissen, Bettbezüge in Hotel oder Ferienwohnung sei dann unangebracht, wenn auch dort die Grundstandards an Hygiene eingehalten würden. „Man sollte auf einem bei mindestens 60 Grad gewaschenen Bettlaken liegen mit ebenso sauberen Bettdecken.“

Die Übertragung des Sars-CoV-2-Virus durch Insekten sei bislang reine Spekulation. Anders als Malaria oder Borreliose, die auf bakterielle Erreger zurückgehen, würden überhaupt nur wenige Virusinfekte über Stechmücken und Blutsauger übertragen. „In Schweiß, Blut oder Urin sind bisher keine vermehrungsfähigen Coronaviren nachgewiesen worden“, betont Exner.

Können Mücken Corona übertragen?

Sie werden über „frisches“ Nasen-Rachen-Sekret, Speichel, Tröpfcheninfektion von Menschen zu Mensch, beim Husten, Niesen, lautem Sprechen und Singen ausgeschieden. Die Konzentration ist umso höher, je mehr Menschen dicht an dicht stehen.

„Vieles, was an Desinfektionstipps im Umlauf ist, ist nicht faktisch, sondern psychologisch bedingt, wenn man es ganz nüchtern betrachtet und weiß, wie rasch solche Viren inaktiviert werden“, sagt Martin Exner. „Kritisch wird es aber immer bei vielen Menschen auf engstem Raum.“

Wie gefährlich kann das Wasser in Schwimmbädern werden?

Das gilt auch im Wasser. Wenn Schwimmbäder öffnen, ist daher die Zahl der Badegäste begrenzt und, in machen Bädern, in Zeitblöcken organisiert, mit jeweils einer Stunde Pause dazwischen. „Beim Schwimmen kommt es zwangsläufig zur Freisetzung von Speichel, Nasen- und Rachensekret“, erklärt Exner.

Um Bakterien und Viren abzutöten, ist dem Wasser Chlor zugefügt (0,5 bis 0,6 mg pro Liter im Schwimmbad, bis 1 mg pro Liter in Whirlpools). Es muss aber auch so gut durchströmt sein, dass der Frischwasserumsatz stimmt und eine ausreichende Chlorung gesichert bleibt. „Daher ist in Badeseen besonders extrem auf Abstandsregeln zu achten“, erklärt Exner.

Kann Corona über Meerwasser übertragen werden?

Im Meer werden alle von Menschen abgesonderten Stoffe extrem verdünnt. Dennoch, dicht an dicht sollte man sich auch hier aufgrund der Gefahr von Tröpfchenübertragungen oberhalb der Wasseroberfläche nicht ins kühle Nass begeben.

In der Heinsberg-Studie zeigten über 20 Prozent der untersuchten, nachweislich Corona-positiven Personen überhaupt keine oder sehr milde Symptome. Deshalb sei speziell bei diesem Virus das Abstandhalten (1,5 bis 2 Meter) so wichtig. Kein Handschlag, keine Umarmung zur Begrüßung, rät Exner. Mund-Nase-Masken könnten im Alltag in Innenräumen die unnötige Verbreitung von Tröpfchen hemmen.

Wichtig sind die bekannten Corona-Regeln

Ansonsten wären die Kulturtechniken wichtig, die wir alle lernen und angesichts der Lockerungen nun erst recht einsetzen müssen: Regelmäßig Hände waschen. In die Armbeuge niesen. In Geschäften und Gaststätten sollte man die Desinfektionsmittelspender nutzen.

Bei regelmäßiger Hand-Desinfektion mit stark fettlöslichen Mitteln, z.B. Alkohol ohne Rückfetter, sollte man die Hände mit rückfettender Creme pflegen. Martin Exner: „Ein gewisser Fettanteil ist wichtig, um die Hände vor Rissen und Verletzungen zu schützen.“ Was wiederum ein zusätzliches Einfallstor für Bakterien und Viren wäre.