„Bitte schaut diesen Film, ich will keinen vierten machen“: Nachdem er eine Intensivstation besucht und sich als Impfproband zur Verfügung gestellt hatte, widmete sich Eckart von Hirschhausen in einer Reportage nun Long Covid – samt berührender Einzelschicksale und unfassbarer Leidensgeschichten.
„Neue Spielregeln“Erschütternde Einblicke in Leidensgeschichten von Corona-Patienten
Im Dezember 2021, dem zweiten Corona-Winter, befindet sich Deutschland mitten in der vierten Welle. Krankenhäuser arbeiten an der Belastungsgrenze, und die Impfquote lässt weiter zu wünschen übrig. Abseits von Rekordinzidenzen und in die Höhe geschnellter Fallzahlen baut sich im Hintergrund eine Gefahr auf, die von vielen Seiten unterschätzt wird: Long-Covid.
Schon eine halbe Million Betroffene in Deutschland leiden an den Langzeitfolgen einer Corona-Infektion. Anlass genug für Eckart von Hirschausen, ganz genau hinzuschauen. Nach Reportagen auf der Intensivstation und als Impfproband sprach der 54-Jährige in seinem neuen ARD-Beitrag „Hirschhausen - Corona ohne Ende?“ nun mit Betroffenen von Long-Covid.
„Manchmal habe ich Tage, da gehe ich die Treppe hoch - ich wohne in der zweiten Etage -, ich stehe oben und puste wie ein Walross, als wäre ich 104. Es ist ein unberechenbarer, fucking Feind“, beschrieb ihm eine Patientin der Berliner Rehaklinik ihre Leidensgeschichte. Vor allem die chronische Erschöpfung ist es, von der Hirschhausen viele der Betroffenen berichteten.
WDR-Doku: Long-Covid-Patientin berichtet über ihr Schicksal
Auch Andrea Lingg gehörte dazu. Vor ihrer Corona-Infektion verdiente sie sich ihr Geld als Physiotherapeutin, war begeisterte Sportlerin. Jetzt arbeitet sie sich langsam in einen „normalen“ Alltag zurück. Einmal habe sie einen Crash, also eine Phase besonders schwerwiegender Symptome gehabt, erinnert sie sich im Gespräch mit von Hirschhausen.
Essen, alleine auf die Toilette gehen – all das sei nicht möglich gewesen, insgesamt drei Wochen lang. Noch immer fühle sich Lingg, als habe ihr Körper „neue Spielregeln“, bei denen sie „kein Mitspracherecht“ habe.
WDR: Harte Kritik an Pandemie-Politik: „Feige und grob fahrlässig“
Ähnlich ergeht es auch Mia. Die 35-Jährige bringen bereits profane Alltagstätigkeiten wie Duschen und Telefonieren an die Belastungsgrenze. „Was vielen Menschen nicht klar ist, ist, dass einen Long-Covid komplett aus dem Leben reißen kann“, macht sie in der von WDR fürs Erste produzierten Doku deutlich. „Ich kann nur wenige Meter laufen, ohne dass mir sehr schwindlig wird.“ Die Long-Covid-Patientin fordert „gezielte Forschung und viel mehr Geld“, die Politik müsse viel mehr tun.
Auch in der Medizin, so offenbarte es die Dokumentation, mahlen die Mühlen teils nur langsam. Viele Ärzte scheuen sich in Ermangelung an Studienerkenntnissen zu Long-Covid vor neuartigen Behandlungsmethoden, auch die Krankenkassen unterstützen Patientinnen und Patienten häufig unzureichend.
Der Physiker John nahm es deswegen selbst in die Hand, investierte viel Geld in eine innovative Sauerstofftherapie in einer Druckkammer. Mit Erfolg, heute geht es ihm deutlich besser: „3.000 Euro gegen ein Jahr krank sein mit Long-Covid - das ist der beste Tausch des Lebens.“ Laut John baue sich gerade eine zweite schwere Pandemie auf, Long-Covid: „Niemand ist bereit, die zu erfassen, man will sich diesem Problem nicht stellen. Das ist feige und grob fahrlässig.“
WDR: „Ich hatte das Gefühl, mir wird mein Leben gestohlen“
Seine deutschlandweite Reise führte Eckart von Hirschhausen auch nach Mühlheim. Dort setzt die Ärztin Dr. Beate Jäger auf ihre ganz eigene Behandlungsmethode gegen Long-Covid: Blutwäsche. Bei mehr als 200 Patientinnen und Patienten hat die Mediziner bereits Blut von Gerinnseln und Restpartikeln des Virus befreit. Die Folge: erhöhte Lebensqualität und weniger schlimme Symptomatik.
Dr. Asad Khan reiste sogar aus London an, um sich gegen seine schweren Long-Covid-Symptome behandeln zu lassen. Der Lungenarzt erzählte, er sei „ans Bett gefesselt“ gewesen: „Ich konnte nicht länger als ein paar Minuten sitzen, an Stehen war gar nicht zu denken.“ Dazu sei die Harnblase in Mitleidenschaft gezogen wurde, sodass er Einlagen tragen musste: „Ich hatte das Gefühl, mir wird mein Leben gestohlen.“ Sieben Blutwäschen bei Dr. Jäger später geht es dem Briten erheblich besser - und er sei eine Erkenntnis reicher, betont Khan: „Als Arzt muss man neugierig bleiben und den Patienten glauben.“ (tsch)