Was für Reisende aus westlichen Ländern eher befremdlich bis peinlich wirken dürfte, ist für die Menschen im Königreich Bhutan ganz normal: Penis-Bilder in aller Öffentlichkeit.
Touris schwer irritiertWieso sieht man in diesem Land überall Penis-Bilder?
Sie prangen auf Hauswänden, schmücken die Ecken eines Dachs oder dienen als richtungsweisende Schilder: Phallus-Symbole sind im Königreich Bhutan allgegenwärtig.
Wer das kleine Land im Himalaya, gelegen zwischen Indien und China, besucht, staunt nicht schlecht über die zahlreichen Penis-Abbildungen. Reisende aus westlichen oder muslimisch geprägten Ländern kennen Darstellungen von Geschlechtsteilen höchstens als Graffiti-Schmierereien an U-Bahn-Stationen. In Bhutan dagegen gelten die Bilder als hohe Kunst.
Penis-Bilder in Bhutan haben eine lange Tradition
Doch woher stammt der seltsame Brauch, Penisse in der Öffentlichkeit darzustellen? Der Kult geht zurück auf den aus Tibet stammenden Yogi Drugpa Künleg, der im 15. Jahrhundert wirkte und als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des bhutanischen Buddhismus gilt. Drugpa Künleg ist bei den Bhutanesen bis heute auch unter seinem Spitznamen „Heiliger Narr“ oder „Heiliger Verrückter“ bekannt.
Spiritualität und menschliche Lust sollten kein Widerspruch sein, lehrte er die Menschen. Den Überlieferungen zufolge provozierte der Yogi, indem er sich mit der Obrigkeit anlegte und sich gegen falsche Frömmigkeit wandte. Frauen soll er mit Sex gesegnet haben.
Aus aller Welt pilgern bis heute Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch zum Kloster Chimi Lhakhang, das Drugpa Künleg zu Ehren um 1500 errichtet wurde. Wer bereits Kinder hat, erbittet sich dort Schutz für seine Nachkommen.
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Die Phallus-Darstellungen auf Hauswänden gehen auf die Sage zurück, nach der Drugpa Künleg einen Dämon mit der Macht seines Penis besiegt haben soll.
Wird im Königreich Bhutan ein neues Haus gebaut, wird nicht nur ein großer Penis an die Frontfassade gemalt. In den Ecken werden Holz-Penisse aufgestellt, die auch bei der Einweihungs- und Segnungszeremonie zum Einsatz kommen. Erst dann ist die Familie sicher und geschützt vor bösen Geistern, glauben die Bewohnerinnen und Bewohner.
An Sex denken beim Anblick der vielen Penis-Bilder nur peinlich berührte Touristen, die die traditionelle Bedeutung nicht kennen. Bhutanesen dagegen betrachten sie einfach als Symbole eines alten Brauchs, die Glück bringen und das Böse fernhalten. (kkl)