Er gab mit 16 sein Bundesliga-Debüt, im selben Alter machte Yann Bisseck sein Abitur. Doch die Karriere des sportlichen und schulischen Frühstarters geriet ins Stocken. Jetzt steht der Kölner vor seinem DFB-Debüt.
Erste NominierungFC-Eigengewächs mit Muffensausen zum DFB: „Die erste Frage, die ich gestellt habe“

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Gute Laune im DFB-Lager: Yann Bisseck mit Nadiem Amiri am 18. März 2025.
Yann Bisseck (24) wurde zum ersten Mal in den DFB-Kader berufen. Eine Entwicklung, die vor wenigen Jahren noch nicht abzusehen war. Doch vor der Anreise nach Dortmund machte dem gebürtigen Kölner eine Sache dann noch Sorgen.
Bisseck hatte vor dem Eintreffen beim DFB-Tross ein bisschen Muffensausen. Würde er zum Einstand in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft etwa singen müssen?
Yann Bisseck: Bundesliga-Debüt und Abitur mit 16 Jahren!
„Das war die erste Frage, die ich gestellt habe, als ich angekommen bin“, sagte der Debütant von Inter Mailand und lachte. Die neuen Kollegen konnten ihn beruhigen: Singen ist keine Pflicht, wohl aber eine Kabinenrede nach dem ersten Einsatz. „Ich würde mich freuen“, sagte Bisseck am Dienstag (18. März 2025) in Dortmund, „wenn es dazu kommt.“
Am liebsten natürlich schon nach dem Viertelfinal-Hinspiel in der Nations League am Donnerstag (20.45 Uhr/ARD) gegen Italien in seinem Mailänder „Wohnzimmer“. Dass er „ausgerechnet“ im San Siro für die DFB-Auswahl debütieren könnte, „macht das Ganze nochmal einen Tick spezieller“, sagte der ehemalige Spieler des 1. FC Köln und ergänzte ungläubig: „So etwas kann man sich fast nicht ausmalen.“
Denn Bisseck erreichte seine neue Heimat auf verschlungenen Pfaden. Noch 2021 wurde der ehemalige Kapitän der deutschen U21 bei Vitoria Guimarães in Portugal in die zweite Mannschaft herabgestuft, er dachte an ein vorzeitiges Karriereende. Der Plan: „Mit einem Kumpel nach Berlin ziehen. Medizin studieren. Eine WG aufmachen.“
Es kam anders. Bisseck startete seine Laufbahn in Dänemark neu, empfahl sich für Inter und dort für Bundestrainer Julian Nagelsmann. „Wenn ich daran denke, dass ich fast mit dem Fußballspielen aufgehört hätte, bin ich jetzt extrem froh darüber, wie alles gelaufen ist“, sagte er.
Nagelsmann hält große Stücke auf den 24-Jährigen, obwohl Bisseck nach einer Verletzung „aktuell keine Top-Phase“ habe. Er schätze ihn „als sehr großes Talent. Ich finde, dass er sehr viel mitbringt. Er ist ein Spieler mit einem guten, interessanten Karriereverlauf.“
In der Tat. Groß geworden in der FC-Jugend, ließ sich Bisseck nach seinem Bundesliga-Debüt mit nicht einmal 17 Jahren nach Kiel, zu Roda Kerkrade in die Niederlande, nach Portugal und zu Aarhus GF verleihen, ehe Köln ihn an die Dänen verkaufte.
„Ich habe ihn als ganz, ganz jungen Kerl erlebt, der hier seine ersten Schritte gemacht hat. Dann war er in seiner Entwicklung noch nicht so weit, das dann auch zu festigen“, berichtete zuletzt Thomas Kessler, Leiter der FC-Lizenzspielerabteilung. „Ich habe ihn dann auch nur ganz kurz wiedergesehen nach seinen Leihstationen, die nicht so funktioniert haben, wie er und der Klubs sich das vorgestellt haben.“ Beim FC freue man sich aber, dass das Eigengewächs nun den nächsten Karriereschritt gemacht hat.
Entscheidend dafür wohl auch der Wechsel zu den Nerazzurri. In Italien lernte der Innenverteidiger die hohe Abwehrschule.
Bissecks Wurzeln liegen in Kamerun, seit der U17 spielte er für den DFB, den Adler trug er „schon immer mit großem Stolz auf der Brust“. Forsche Töne sind seine Sache nicht. Der Mann, der mit 16 (!) Abitur machte, tritt cool, locker und bescheiden auf. „Wenn man das erste Mal dabei ist, hat man geduldig zu sein“, sagte er, „ich muss erstmal lernen.“
Irgendwann doch noch im Medizinstudium? „Im Nachhinein bin ich sehr, sehr glücklich, dass ich keine Klausuren schreiben muss“, sagte Bisseck, „sondern vor 70.000 Zuschauern Fußball spielen darf.“ Auch wenn das bedeutet, dass er demnächst vielleicht eine Rede halten muss. (are/sid)