Die doppelte Meisterschaft beim FC Bayern zeigt, dass der Verein durchaus Bemühungen an den Tag legt, das Männer- und das Frauenteam gleichberechtigt zu behandeln. Die TV-Sender sehen das anders.
Frauenfußball-KolumneEs ist gar nicht schwierig, Sarah Zadrazils Namen zu nennen
Die Bundesliga-Saison 2022/23 endet mit der Titel-Feier des FC Bayern München: Frauen und Männer standen gemeinsam mit ihren Trophäen auf dem Rathaus-Balkon vor ca. 20.000 Fans. Beide triumphierten nach einer Saison, die spannender war als zwischendurch erwartet, die Frauen wirken dabei sportlich sehr viel gefestigter. Während der Verein um eine gleichwertige Präsentation dieser Erfolge bemüht war, kam diese Botschaft leider nicht überall an.
Weil der VfL Wolfsburg gleich vom ersten Spieltag an einen Vorsprung in der Tabelle hatte und eine extrem souveräne Hinrunde spielte, schien die Titelfrage in der Liga in dieser Saison lange Zeit keine zu sein. Alexander Straus, vor der Saison neu als Cheftrainer zum FC Bayern München gekommen, arbeitete mit seinem Team unterdessen hart daran, das eigene Konzept immer besser auf den Rasen zu bekommen. Trotz langwieriger Verletzungen von wichtigen Spielerinnen wie Giulia Gwinn und Linda Dallmann gelang das immer besser. Allerspätestens der 3:1-Heimsieg in der Champions League gegen den FC Barcelona setzte ein deutliches Ausrufezeichen.
Ajax Amsterdam als mahnendes und warnendes Beispiel
Die richtige Aufholjagd startete dann in der Rückrunde, Wolfsburg hatte etwas von der Souveränität eingebüßt und Bayern gewann das direkte Duell, holte sich so am 16. Spieltag die Tabellenführung. Am Ende merkte man beiden Vereinen an, dass es eine lange Saison nach einem internationalen Turnier war. Der VfL Wolfsburg gab die Entscheidung mit einer Niederlage gegen Frankfurt am 20. Spieltag aus der eigenen Hand, Bayern München schaffte es gegen Leverkusen am vorletzten Wochenende nicht, den Sack vorzeitig zuzumachen. Dafür bekam dann Turbine Potsdam beim 11:1-Sieg zum bayrischen Titel mit voller Wucht zu spüren, wie groß die Lust der Münchenerinnen auf diesen Titel war.
Am Ende war der Titelkampf also viel spannender als zwischendurch angenommen. Klar, dass so ein Saison-Finish dann in München groß gefeiert wird, Männer- wie Frauen-Team stemmten ihre Schalen auf dem Marienplatz in die Höhe, die Herren waren außerdem bei der Partie gegen Potsdam im Stadion und standen vor der Übergabe der Trophäe Spalier. Der Verein war also deutlich darum bemüht, eine Gleichwertigkeit zwischen diesen beiden Erfolgen nach außen darzustellen. Was eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist auch 2023 noch besonders, wenn man zum Beispiel nach Amsterdam schaut, wo den Frauen eine Feier verboten wurde und diese dann unter Ausschluss der Vereinsführung stattfand.
Leider spielten von Medienseite bei dieser gleichwertigen Präsentation aber nicht alle mit. Bei der Übertragung der Partie im BR ging es in den Interviews zur Halbzeit fast ausschließlich um das Abschneiden der Männer und den Ärger im Verein nach dem Aus von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic. Bei Magenta war es nicht ganz so akut, auch hier wurde Herbert Hainer darauf angesprochen, beim Drumherum standen aber die Akteurinnen selbst mehr im Fokus. Daran zeigt sich einmal mehr, dass bei den Übertragungen merkwürdig geplant wird.
Annika Becker ist freie Autorin bei EXPRESS.de und kümmert sich in ihren Kolumnen um das Thema Frauenfußball. Sie ist Mitglied von FRÜF - Frauen reden über Fußball.
Es ist nicht allgemein falsch, einem Herbert Hainer diese Fragen zu stellen, denn es geht um ein und denselben Verein und wenn Fußball ganzheitlich gedacht wird, gehört das nun mal zusammen. Wenn die Fragen nicht gestellt würden, gäbe es Vorwürfe an die Kolleginnen und Kollegen, sie seien nicht kritisch genug mit ihren Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern umgegangen. Es ist aber nun mal auch so, dass die Männerbundesliga und alle Debatten, die dort stattfinden immer noch viel mehr und viel größere Bühnen bekommen und geradezu überpräsent sind, das gilt für den FC Bayern überproportional. Die Zeitplanung bei Übertragungen von Spielen der Frauen ist demgegenüber meist sehr knapp bemessen, je nach Sender gibt es neben dem Spiel selbst eventuell nur die Halbzeitinterviews. In diese sowieso kurze Zeit dann die anderen Themen reinzuquetschen, die mit der Abteilung der Frauen nichts zu tun haben, wirkt extrem fehl am Platz. Oder hat schon mal jemand nach einem Bundesligaspiel der Männer Thomas Müller eine Frage dazu gestellt, was er zum Abschied von Managerin Katrin Danner denkt?
Nehmen Sie auch an unserer EXPRESS.de-Umfrage teil:
Es gab während der Saison der Münchenerinnen Spielerinnen wie Torhüterin Maria-Luisa „Mala“ Grohs, die mit 21 Jahren den Stammplatz im Tor eroberte und ihre Breakout-Season gleich mal mit dem Titel krönte. Oder die sich immer mehr zu Abwehr-Gigantin entwickelnde Isländerin Glódís Perla Viggósdóttir. Oder eine Carolin Simon, die unter Straus mit 30 Jahren nochmal eine echte Entwicklung zeigte. Oder Sarah Zadrazil, die Anführerin und Antreiberin, die nur ein einziges Ligaspiel verpasste. Oder Europameisterin Georgia Stanway und Nationalstürmerin Lea Schüller. Mit anderen Worten: Es gäbe wirklich mehr als genug Protagonistinnen dieses Erfolgs, über die es viel zu erzählen gäbe, selbst wenn man sie in dem Trubel nicht direkt vors Mikro bekommt.
Geradezu unsäglich wurde es dann in manchen Reaktionen auf die Feier beider Teams zusammen auf dem Marienplatz. In welcher Welt sind eine Frau und ein Mann plötzlich ein Paar, nur weil sie zufällig gemeinsam einen Balkon betreten? Das fragen sich bestimmt auch Jamal Musiala und Sydney Lohmann zu einigen Reaktionen in den sozialen Medien. Was soll die Rechtfertigung dafür sein, Sarah Zadrazils Namen in einer Überschrift nicht zu nennen, sondern von einer „Bayern-Frau“ neben Thomas Müller zu sprechen? Als hätte sie nicht eben genauso einen wichtigen Titel gewonnen, sondern wäre nur das Anhängsel von ihm. Das war schon im letzten Jahrtausend nicht mehr zeitgemäß.