Erschreckend ambitionslosDer FC Bayern verzwergt sich selbst: Gut gespielt ist das neue „Mia san mia“

Die Fans des FC Bayern zeigen im DFB-Pokal auf der Tribüne eine Choreographie.

Die Fans des FC Bayern waren vor dem Pokal-Aus gegen Bayer Leverkusen am 4. Dezember 2024 gut drauf, feierten den Klub mit einer eindrucksvollen Choreo.

Der FC Bayern ist gegen Bayer Leverkusen aus dem DFB-Pokal geflogen. Der erste Titel ist damit schon im Dezember futsch. Die Bayern-Bosse sind dennoch zufrieden. Diese Ambitionslosigkeit entspricht eigentlich nicht der Klub-Philosophie.

von Denis Canalp  (can)

Der FC Bayern steht für Siege. Spieler berichteten jahrzehntelang von dem besonderen Druck, in München immer gewinnen zu müssen. Das war einmal. In München herrscht plötzlich ein neues Klima. Gut spielen reicht neuerdings. Diese Einstellung überrascht. Ein Kommentar.

„Mia san mia“ – das bekannte Motto des FC Bayern steht laut Website des Klubs für „Selbstbewusstsein, Stolz, Einzigartigkeit und den Zusammenhalt des deutschen Rekordmeisters. Es ist eine bayrische Lebenseinstellung, die Fans und Spieler gleichermaßen verbindet.“ Das Motto basiert vor allem auf sportlichem Erfolg.

Der FC Bayern verzwergt sich selbst

Der FC Bayern sieht die nationale Konkurrenz nicht auf Augenhöhe, der FC Bayern ist zum Siegen verdammt. Das ist gefühlt seit einer Ewigkeit so. Das Trikot der Bayern wiegt schwerer als das von Borussia Dortmund, RB Leipzig oder Bayer Leverkusen, das berichten Bayern-Profis schon seit Jahrzehnten.

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Nach elf Bundesliga-Titelgewinnen in Serie löste Bayer Leverkusen den Serien-Sieger in der vergangenen Saison als deutscher Meister ab. Damit nicht genug: Die Werkself gewann auch noch den DFB-Pokal. Die Bayern standen am Ende ohne Titel und mit leeren Händen da: der Super-GAU für den Rekordmeister. Wer jetzt dachte, dass die Bayern im Sommer mit einer Transfer-Offensive sondergleichen reagieren, der wurde schon etwas enttäuscht.

Stattdessen wurde die Trainersuche erst zur Farce, dann platzten zahlreiche Transfers. Auch, weil die Bayern jetzt mehr Wert auf Verkäufe legen. Auch das ist neu beim FC Bayern. Früher hatten die Verantwortlichen mal Wert darauf gelegt, ein Käufer- und kein Verkäuferklub zu sein.

Trainer Vincent Kompany hat es geschafft, die Stimmung beim FC Bayern deutlich aufzuhellen. Alle haben wieder Spaß: die Spieler, Sportvorstand Max Eberl. Und – wahrscheinlich am wichtigsten für einen Bayern-Trainer – der Ober-Boss Uli Hoeneß geht wieder gerne ins Stadion, weil er so begeistert vom neuen FC Bayern ist. Der Verdacht liegt nah: In München werden derzeit Fakten ausgeblendet, der Blick auf weiche Faktoren gerichtet.

Bayer Leverkusen, die Mannschaft, die den FC Bayern im Vorjahr schmerzhaft entthronte und durch eine ungeschlagene Saison in der Bundesliga zusätzlich demütigte, hat jetzt die Bayern um den ersten Titel der laufenden Spielzeit gebracht. Im Pokal siegten die Rheinländer 1:0 in der Allianz-Arena. Eigentlich ein Grund für Aufregung in München, doch die Zeiten haben sich geändert. Stress an der Säbener Straße? Weit gefehlt! Die Verantwortlichen Eberl und Kompany waren zufrieden, ja sogar stolz auf ihr Team, das ja schließlich nach der Roten Karte von Torwart Manuel Neuer über 70 Minuten in Unterzahl gegen Leverkusen aufopferungsvoll gekämpft habe. Und angeblich mehr Chancen als der Gegner hatte.

„Gut gespielt“ ist offenbar das neue „Mia san mia“ an der Säbener Straße. Dort, wo früher Trainer Ottmar Hitzfeld öffentlich gerügt wurde, dass Fußball keine Mathematik sei, wird heute still zur Kenntnis genommen, dass die Bayern in der laufenden Saison in den großen Spielen, gegen die großen Gegner, einfach nicht gewinnen. Oder eben aus dem Pokal rausfliegen.

Oder wie Kompany es nach jedem Rückschlag – ao auch am Dienstagabend – gebetsmühlenartig predigt: „Wenn wir so spielen, werden wir am Ende Titel holen.“ Im Pokal schon mal nicht, aber offenbar stört das die Bayern nicht. Der Klub verzwergt sich selbst. So ambitionslos wie derzeit war der FC Bayern in seiner langen Geschichte wohl noch nie.

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Auf kritische Nachfragen reagierte Eberl nach der Leverkusen-Pleite gewohnt dünnhäutig. Nach dem 1:4 in Barcelona hatte er einem Journalisten schon nahegelegt, doch den Trainerschein zu machen. Jetzt blaffte er einen zu kritischen Fragensteller mit den Worten an: „Ich weiß, dass Sie alles infrage stellen, aber das ist mir relativ scheißegal!“ Souverän ist anders und mit der Realität hat Eberls peinliches Gehabe schon länger nur noch relativ wenig zu tun.

Eine Wahrheit ist nämlich auch: Die Bayern haben unter Kompany in der Bundesliga nach zwölf Spieltagen schon zwei Punkte weniger auf dem Konto als noch in der katastrophalen Vor-Saison, die bekanntlich titellos endete. Der Unterschied: 2023/24 hatte Leverkusen zu diesem Zeitpunkt mit 34 Zählern zwei Punkte mehr als die Bayern. In der laufenden Spielzeit führen die Bayern mit 30 Punkten vor Eintracht Frankfurt (26 Punkte) die Tabelle an. Aus 43:9 Toren wurden in der Bilanz 37:8. Intern spricht man aber weiter mit vernebelten Sinnen von einer klaren Verbesserung.

In der Champions League konnten die Bayern durch das 1:0 gegen Paris Saint-Germain immerhin die Chancen auf das Erreichen der K.o.-Phase wahren. Den einzigen Sieg gegen einen Gegner, der vermeintlich auf Augenhöhe agiert, begünstigte eine dämliche Gelb-Rote Karte von Ousmane Dembélé. Ansonsten fällt die Bilanz der Bayern in diesen Spielen sehr mau aus.

Zum neuen Selbstverständnis der Bayern müsste eigentlich gehören, dass sie das Erreichen des Achtelfinals im DFB-Pokal als Erfolg feiern, schließlich war ja in der Vorsaison schon in der 2. Runde Schluss. Mal schauen, wann die Bosse diese Statistik finden und positiv anführen.