Am Montag, 6. Februar 2023, stellte der DFB den Saisonreport 2021/2022 der Frauenbundesliga vor, der beschreibt die Entwicklung der Liga bis zur EM 2022 in Hinblick auf Finanzen und mediale Reichweite.
Frauenfußball-KolumneDie Liga wächst, aber die Schere wird immer größer
Die Liga wächst – und schreibt trotzdem rote Zahlen. Vor allem aber wird deutlich, dass die finanzielle Schere zwischen Lizenzvereinen und unabhängigen Klubs immer weiter wächst.
Bei der medialen Reichweite zeigt die Entwicklung nach oben, da der Wettbewerb nun komplett übertragen wird und das einen Domino-Effekt auf die weitere Berichterstattung gibt, egal ob im TV oder in Print- und Online-Texten. Nicht berücksichtigt sind dabei die Zahlen der Live-Übertragungen durch den Rechteinhaber MagentaSport selbst.
Frauen-Bundesliga bei MagentaSport: Wachstumstreiber
Auch auf Anfrage dieser Redaktion teilte die Telekom keine konkreten Nutzungsdaten zu den Angeboten rund um die Bundesliga der Frauen mit. Alexandra Hürter-Waasem, zuständig für die Kommunikation im Bereich Sponsoring, äußerte sich dazu so: „Wir sehen die Frauen-Bundesliga als einen der wesentlichen Wachstumstreiber bei der Sport Live-Nutzung in den kommenden Jahren. In dieser Saison ist die Frauen-Bundesliga der am stärksten wachsende Wettbewerb auf unserer Plattform.“
Es ist davon auszugehen, dass einige der Kennzahlen aus dem Bericht in einem Jahr von der aktuellen Saison übertroffen werden, bei den Publikumszahlen in den Stadien steht das bekanntlich bereits fest: Die Saison 2022/2023 ist bereits nach neun Spieltagen die bestbesuchte Spielzeit. Laut Saisonreport 2021/2022 gab es im finanziellen Bereich neue Höchstwerte, im positiven wie im negativen Sinn. Denn einerseits gibt es einen neuen Rekord bei den Einnahmen mit im Durchschnitt rund 1,4 Millionen Euro pro Verein. Aber eben auch einen neuen Rekord bei den Ausgaben, mit durchschnittlich rund 2,94 Millionen Euro je Verein.
Dass es sich hierbei eben um Durchschnittswerte handelt, ist zentral, denn es kann davon ausgegangen werden, dass beide Zahlen von Vereinen wie Wolfsburg und Bayern München nach oben getrieben werden. Einen tatsächlichen Einblick darüber, welcher Verein wie viel einnimmt und ausgibt, gibt es nicht.
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Einen Unterschied macht der Report aber zumindest beim zusammengerechneten Verlust zwischen den Lizenzvereinen und den unabhängigen Klubs. Während die Lizenzvereine durchschnittlich 1,5 Millionen Euro Verlust machen, sind es bei den unabhängigen Klubs wie der SGS Essen nur rund 150.000 Euro – ein enormer Unterschied.
Zum Vergleich: In der Saison davor waren es bei den Lizenzvereinen ein durchschnittliches Minus von 1,2 Millionen Euro und bei den reinen Frauenvereinen ein Plus von im Schnitt rund 23.000 Euro. Die beiden Werte bewegen sich also nicht nur weiter nach unten, sondern auch weiter auseinander.
Dabei finden einige Dinge in diesen Zahlen keine Berücksichtigung. So geht der Bericht davon aus, dass die Werbeeinnahmen einiger Klubs mit Anschluss an einen Lizenzverein höher sind, weil manche Sponsorenverträge zwar für Männer- und Frauenabteilung gelten, aber in der Bilanz des Reports nicht auftauchen, weil sie nicht aus der Frauenabteilung entspringen.
Zudem finanzieren die Lizenzvereine ihre Frauenabteilungen auch anderweitig quer, während die unabhängigen Klubs eben nur mit dem wirtschaften können, dass sie selbst haben oder an Krediten aufnehmen können. Mit dem Wissen ist es absurd, dass auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Saisonreports Tobias Trittel sagte, jeder Verein mit Investitionsbereitschaft sei willkommen, denn die Bereitschaft gäbe es sicherlich auch an den kleineren Standorten, aber eben nicht Möglichkeiten.
Trittel (Koordinator Sport Frauenfußball VfL Wolfsburg) soll in Zukunft den zuletzt zurückgetretenen Siggi Dietrich als Vorsitzenden des DFB-Ausschusses Frauen-Bundesligen ersetzen. Die Verdrängung der Vereine, die die eigentliche Pioniers-Arbeit geleistet haben, durch die Lizenzklubs ist schon seit Jahren ein wiederkehrendes Thema, dem von vielen Seiten mit einer Friss-oder-stirb-Mentalität begegnet wird. Der DFB ist natürlich nicht für das Verschwinden jedes einzelnen Vereines allein verantwortlich, wenn z. B. Misswirtschaft betrieben wird.
Annika Becker ist freie Autorin bei EXPRESS.de und kümmert sich in ihren Kolumnen um das Thema Frauenfußball. Sie ist Mitglied von FRÜF - Frauen reden über Fußball.
Der Verband hat aus seiner Rolle im deutschen Fußball heraus aber eine historische Verantwortung, gerade in Bezug auf den Fußball der Frauen, der zwischen den Jahren 1955 und 1970 innerhalb des DFB nicht stattfinden durfte und danach viele Jahre klein gehalten wurde. In der Zwischenzeit konnte der Fußball der Männer ungehindert – gefördert – wachsen.
Anstatt kreative Wege und Lösungen zu suchen, um die aus diesen Gegebenheiten entstandenen Vereine der Frauen zu erhalten und diese schon vor Jahrzehnten in professionelle Strukturen überzuleiten, ist der Zug inzwischen quasi abgefahren.
Mit Turbine Potsdam wird mit sehr großer Wahrscheinlichkeit einer der letzten großen Traditionsklubs am Ende dieser Saison absteigen und angesichts der nachrückenden Vereine ist es fraglich, ob sich der Verein davon wird erholen können. Es stellt sich die Frage, ob eine Bundesliga der Frauen, die in der nicht allzu fernen Zukunft genauso aussieht wie die Bundesliga der Männer, dann nicht ihre Identität verloren hat.