Angesichts der dramatischen Entwicklung der Corona-Zahlen hat die Politik neue Maßnahmen beschlossen. Diese betreffen auch den Profi-Fußball. Ein Kommentar.
KommentarFan-Obergrenze in der Bundesliga: Die Politik macht es sich einfach
Die Corona-Pandemie wütet verheerender denn je – jetzt hat die Politik abermals auf die dramatischen Entwicklungen der vergangenen Wochen reagiert und beim Corona-Gipfel der Länderchefs am Donnerstag (2. Dezember 2021) neue, einschneidende Maßnahmen beschlossen. Auch auf den Profi-Fußball haben die Beschlüsse unmittelbare Auswirkungen: Fortan gilt bundesweit eine einheitliche Fan-Obergrenze. Die Politik sollte sich aber lieber an Fakten als an Bildern orientieren, findet unser Autor.
Dramatische Corona-Lage: Fan-Obergrenze beschlossen
Es gibt nichts zu beschönigen und zu leugnen: Die Corona-Lage im Land ist dramatisch. Die Situation auf den Intensivstationen verschärft sich zunehmend, die Fallzahlen erreichen vielerorts Tag für Tag neue Rekorde. Dass die Politik nun auf den verheerenden Trend reagiert, ist richtig und wichtig. Denn jedes Menschenleben, das die Pandemie kostet, ist eines zu viel.
Die Frage der Verhältnismäßigkeit ist dennoch eine legitime. Zwar hat sich die Politik gegen Geisterspiele entschieden, dafür aber eine bundesweite Fan-Obergrenze beschlossen. Vorerst dürfen die deutschen Profi-Klubs nur noch maximal 50 Prozent ihrer Arenen auslasten, dabei keinesfalls aber mehr als 15.000 Besucher ins Stadion lassen – unabhängig von der Stadionkapazität.
Für die Vereine, welche zu Saisonbeginn noch so erleichtert über die Zuschauer-Rückkehr waren, ist es wirtschaftlich ein herber Schlag. Die neuerlichen Auflagen kosten sie Millionen. Der einzige Trost: Zumindest etwas Stimmung und Atmosphäre wird es auch in den kommenden Wochen geben. Ausnahme sind Sachsen, Bayern und nun auch Baden-Württemberg: Dort wurden bereits oder werden nun Geisterspiele verfügt. Mecklenburg-Vorpommern wiederum führte eine Fan-Obergrenze von lediglich 1000 Besuchern ein.
Fan-Obergrenze: Setzt die Politik den richtigen Hebel an?
Aber setzt die Politik den Hebel wirklich an der richtigen Stelle an? Fakt ist: Der Nachweis, dass Fußball-Spiele in aktuellen Zeiten als Pandemie-Treiber fungieren, fehlt bislang. Die Partien Anfang 2020 in Bergamo sowie später bei der EM in London, in deren Folge sich nachweislich Hunderte Menschen mit dem tückischen Virus infiziert hatten, taugen nicht als Argument: Damals war von wirksamen Hygienekonzepten und 2G-Regelungen noch nichts zu sehen. Diese gibt es hierzulande aber mittlerweile.
Fakt ist auch: Die zwei großen Hürden bei der Bekämpfung des Virus sind die mangelnde Impfbereitschaft in Teilen der Bevölkerung sowie die schwierige Verfolgung von Infektionsketten. Bei einem Fußballspiel – das obendrein unter freiem Himmel stattfindet – kann aber genau diesen beiden Aspekten Rechnung getragen werden. Einerseits dürfen bei einer strikten 2G- oder 2G+-Regelung Ungeimpfte von vornherein nicht ins Stadion. Andererseits besteht durch personalisierte Tickets jederzeit die Möglichkeit einer Kontaktverfolgung. Geschlossene Stehplatzbereiche wären gegebenenfalls der Kompromiss, welchen die Klubs eingehen müssen.
Denn Tatsache ist auch: Szenen wie beim ausverkauften Rheinland-Derby, als sich jüngst Tausende Menschen im Stadion des 1. FC Köln jubelnd und ohne Masken in den Armen lagen, sind für viele Menschen berechtigter Anlass zur Kritik. Was muss der Gastronom oder der Friseursalonbesitzer, der nun seinen Laden wieder schließen muss, angesichts solcher Bilder empfinden? Wut, Hilflosigkeit, Frust. Natürlich.
Und ohne Wenn und Aber gilt: An dieser Stelle sind die Klubs in der Pflicht, die geltenden Hausregeln durchzusetzen – und Missachtungen konsequent zu ahnden. Wer beispielsweise beim Stadionbesuch die Maskenpflicht missachtet, gehört der Arena verwiesen. Egal, ob die entsprechende Anordnung vor anderthalb Tagen oder wie im Falle des 1. FC Köln anderthalb Stunden vor dem Anpfiff kommt. Regeln sind Regeln – und der Fußball muss mitspielen.
Fan-Obergrenze in der Bundesliga: Die Politik macht es sich einfach
Dennoch erhärtet sich der Verdacht, dass es sich die Politik im Falle des Profi-Fußballs einfach macht – indem sie öffentlichkeitswirksam eine Branche maßregelt, die in den vergangenen zwei Jahren an einigen Stellen vielleicht nicht immer vorbildlich (Fälle Joshua Kimmich oder Markus Anfang), aber zweifelsfrei als Ganze immer nach den geltenden Regeln agiert hat. Gleiches gilt übrigens für viele Gastronomen und Friseure, die ihre Kunden ebenfalls streng kontrolliert und protokolliert haben.
Was so mancher wohl gerne vergisst: Das Virus liebt die Anonymität. Tausende Supermärkte im ganzen Land, durch die tagtäglich Millionen Menschen strömen. Busse, Bahnen und Züge, in denen sich vor allem aktuell in der kalten Jahreszeit jeden Tag unzählige Menschen dicht an dicht drängen – und in denen eine lückenlose Kontrolle der neuen 3G-Regelung reine Utopie ist. Private Feiern in muckelig warmen Räumen, bei denen man unter sich ist und das Thema Corona – irgendwo auch verständlich – lieber unter den Teppich kehrt.
„Solche Bilder wie in Köln darf es nicht wieder geben“, hatte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (46) unlängst gesagt. Die Politik täte allerdings gut daran, sich bei der Bekämpfung der Pandemie lieber an Fakten zu orientieren – und nicht an Bildern.