EM-Sieg nach TränenRonaldo ist Portugals großes Problem – aber eines ist noch viel schlimmer

Cristiano Ronaldo nach dem dramatischen EM-Achtelfinale von Portugal gegen Slowenien mit Trainer Roberto Martínez.

Cristiano Ronaldo am 1. Juli 2024 nach dem dramatischen EM-Achtelfinale von Portugal gegen Slowenien mit Trainer Roberto Martínez.

Cristiano Ronaldo ist eines der Gesichter der EM, doch für Portugal wird der gealterte Superstar zum Problem. Noch tragischer ist in diesem Zusammenhang eine andere Personalie, meint unser Autor. Ein Kommentar.

von Béla Csányi (bc)

Als Cristiano Ronaldo (39) nach 105 Minuten im EM-Achtelfinale zwischen Portugal und Slowenien bitterlich weinte, hatten der eine oder andere Fan der Selecao womöglich schon länger Tränen in den Augen.

Tränen der Wut über einen komplett uninspirierten Auftritt gegen den klaren Außenseiter im ersten K.o.-Spiel auf dem erträumten Weg zum Titel. Es ist angesichts seiner Verdienste nicht einfach auszusprechen, aber: Das Leiden wäre wohl vermeidbar, wenn Ronaldo nicht noch immer einen Stammplatz und Einsätze über die volle Distanz beanspruchen würde.

Cristiano Ronaldo hat bei Portugal noch immer die Hosen an

Volksheld CR7 war am Montag (1. Juli 2024) nicht nur wegen seines verschossenen Elfmeters der große Protagonist im Spiel seiner Auswahl, legte damit aber auch eine Erkenntnis schonungslos offen: Es geht nicht mehr mit dem Kapitän und Rekord-Torschützen Portugals. 

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Eine Hilfe ist der seit anderthalb Jahren in der nicht wirklich konkurrenzfähigen Liga in Saudi-Arabien spielende 39-Jährige dem mit vielen Stars gespickten Portugal-Kader nicht mehr. Zumindest nicht als Stammkraft mit dem Anspruch, bei jedem Abschluss, jedem Freistoß und auch jedem Elfmeter unangefochtener Schütze zu sein.

Das erfolglose Freistoß-Gewitter nehmen Beobachterinnen und Beobachter nach all den Jahren noch schulterzuckend hin. Viel dramatischer ist aber, was Ronaldo für ein Problem in Portugals Spiel darstellt.

Auch gegen Slowenien wirkte das Spiel mit dem Zielspieler nicht derart aus einem Guss wie ohne Ronaldo. Zauberfüße wie Bernardo Silva, Bruno Fernandes und Rafael Leao müssen so um den Fixpunkt in Portugals Angriffsspiel herumspielen und kommen nicht voll zur Entfaltung.

Noch eklatanter wird das Bild in der Arbeit gegen den Ball ausfallen, wenn es gegen Top-Gegner geht. Frankreich dürfte sich vor dem Achtelfinale am Freitag bereits die Hände reiben. Das führt zu einer noch tragischeren Personalie der Selecao: Trainer Roberto Martínez (50)!

Roberto Martínez erst Top-Trainer – dann Negativ-Beispiel

Der Spanier ist ein Top-Mann, hätte mit seiner taktischen Vielfältigkeit das Zeug, aus Portugal einen der heißesten Titel-Kandidaten zu formen. Dass Martínez beinahe zu einer Ronaldo-Marionette verkommt und der Altmeister spielen, schießen und über ausgebliebene Anspiele nörgeln darf wie er will, gehört zu den größten Enttäuschungen dieser EM.

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Wer im Lager der Iberer die Hosen anhat, wurde deutlich, als der in vier Spielen noch torlose Ronaldo im zweiten Gruppenspiel gegen die Türkei (3:0) eine Torvorlage beisteuerte, weil er vor dem Tor auf dem deutlich besser postierten Bruno Fernandes querlegte. Eine fast schon alternativlose Entscheidung.

Doch Martínez verfiel anschließend in alberne Schwärmerei, säuselte über die Allerwelts-Szene: „Wir haben etwas sehr Besonderes gesehen. Ein großer Stürmer, der im Eins-gegen-Eins mit dem Torwart die Vorlage will. Ein wunderbares Beispiel, das sollte in allen Talentschmieden in Portugal gezeigt werden.“

In Trainer-Akademien sollte am Beispiel Martínez dagegen künftig gelehrt werden, wie sich Nationaltrainer nicht von einzelnen Spielern die Butter vom Brot nehmen sollten.