Frauenfußball-KolumneWM-Skandal um Spanien: Schlaglicht auf zahlreiche Missstände

This picture taken on August 20, 2023 shows President of the Royal Spanish Football Federation Luis Rubiales carrying Spain's Athenea del Castillo Beivide on his shoulder as they celebrate winning the Australia and New Zealand 2023 Women's World Cup final football match between Spain and England at Stadium Australia in Sydney. (Photo by DAVID GRAY / AFP)

Verbandspräsident Luis Rubiales trägt nach dem Finalsieg am 20. August 2023 die Weltmeisterin Athenea del Castillo Beivide durch die Gegend.

Der Skandal um den spanischen Verbandspräsidenten zeigt deutlich: Der Frauenfußball ist nicht die heile Welt, als die er verkauft wird.

von Alina Ruprecht  (aru)

Die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Australien und Neuseeland ist mit einem großen Finale in Sydney zu Ende gegangen, bei dem sich Spanien gegen England durchsetzte.

Das massive Fehlverhalten des Präsidenten des spanischen Fußballverbandes gegenüber den Nationalspielerinnen überschattete dabei die Feierlichkeiten und wirft unter anderem die Frage auf, was von der WM in Down Under bleiben wird.

Verbandspräsident nutzt Position schamlos aus

Es sind Szenen, die sich weder bei der Siegerehrung eines großen Sport-Events, noch in jeglichen anderen Kontexten ereignen sollten: Die spanische Stürmerin Jennifer Hermoso betritt das Podest auf dem Spielfeld des Stadium Australia, um ihre WM-Goldmedaille in Empfang zu nehmen. Zu den anwesenden Gratulanten gehört auch Luis Rubiales, der Präsident des spanischen Fußballverbands (RFEF).

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Er greift Hermoso am Kopf, zieht sie zu sich und drückt ihr einen Kuss auf den Mund. Auch gegenüber anderen Nationalspielerinnen wird Rubiales körperlich übergriffig, die Szenen sind live im TV zu sehen, ein weltweites Millionenpublikum wird Zeuge, wie ein Mann seine Machtposition schamlos ausnutzt, um die Fußballerinnen zu belästigen. Später taucht ein Video aus der spanischen Kabine auf, in dem zu hören ist, wie Rubiales Hermoso erklärt, sie demnächst auf Ibiza zu heiraten.

Auch mehrere Tage nach dem skandalösen Verhalten ist der Verbandspräsident noch immer im Amt und denkt nicht an einen Rücktritt. Mittlerweile sind mehrere Anzeigen gegen ihn wegen sexueller Belästigung und Nötigung eingegangen, unter anderem von der spanischen Vize-Ministerpräsidentin Yolanda Diaz. Jennifer Hermoso hatte unmittelbar nach dem Übergriff gegenüber den Medien erklärt, dass ihr der Kuss nicht gefallen habe.

Die Taten von Rubiales dominieren nun die Schlagzeilen, obwohl diese dem WM-Sieg der spanischen Nationalmannschaft gehören sollten. Wo Anerkennung und Respekt für die sportlichen Leistungen der Spielerinnen herrschen sollten, findet stattdessen eine hitzige Diskussion über Machtmissbrauch im (Frauen-)Sport statt. Allem Anschein nach war das Entflammen dieser Debatte notwendig, um längst dagewesene Missstände ins Schlaglicht zu rücken und endlich gegen sie vorzugehen. Doch dass es dazu einen historischen WM-Sieg bei einem Fußball-Turnier der Frauen braucht, ist mehr als betrüblich.


Alina Ruprecht ist freie Autorin bei EXPRESS.de und kümmert sich in ihren Kolumnen um das Thema Frauenfußball. Sie ist Mitglied von FRÜF - Frauen reden über Fußball.


Es ist der erste WM-Titel für die spanische Frauen-Nationalmannschaft, deren historische Errungenschaft von den Übergriffen durch den eigenen Verbandspräsidenten völlig überschattet werden. Der RFEF wird demnächst in einer Sondersitzung über Rubiales' Zukunft entscheiden, der sich öffentlich nur halbherzig für sein völliges Fehlverhalten entschuldigte. Hermoso wird in der Angelegenheit von der Spieler- und Spielerinnen-Vereinigung FIFPRO vertreten und beraten.

Australien investiert in den Frauensport

Neben vielen schönen Momenten, die den Fußball-Fans für immer in Erinnerung bleiben werden, hat die WM auch dafür gesorgt, dass Missstände und Machtgefüge im Fußball der Frauen in Zukunft stärker hinterfragt werden. An vielen Stellen wurden Verbesserungen bewirkt. Ein Beispiel: Die australische Regierung stellt nach dem erfolgreichen Abschneiden Australiens bei der Heim-WM rund 200 Millionen Euro zur Verfügung, die in alle Ebenen des Frauensports investiert werden sollen. Es wäre wünschenswert, wenn andere Länder diesem Beispiel folgen würden.

Auf der anderen Seite sind da die spanischen Weltmeisterinnen, die bereits vor dem Turnier mit dem RFEF im Streit lagen und sich nun noch mehr Widrigkeiten vonseiten des Verbandes ausgesetzt sehen. Der Fußball der Frauen ist bei weitem nicht die heile Welt, als welche er so oft vermarktet wird.

Die WM 2023 hat gezeigt, dass sich vieles zum Besseren entwickelt hat bzw. dies noch geschehen wird. Zeitgleich hat das Turnier auch ein Schlaglicht auf zahlreiche Missstände im Fußball geworfen, die in den Übergriffen nach dem Finale gipfelten. Es bleibt also auch weiterhin viel zu tun.

Fans, Verantwortliche und jene, denen der Fußball der Frauen am Herzen liegt, sind dazu angehalten, sich für Veränderungen hin zum Besseren einzusetzen, nicht wegzuschauen, wenn unhaltbare Zustände vorherrschen und vor allem am Ball zu bleiben.