EXPRESS-Report über Rocker„So wurde ich ein Höllen-Engel“
Köln – Es geht um Macht und Geld. Viel Geld. Um Geschäfte mit Drogen, Prostitution und Schutzgeld. Rocker-Clubs dienen längst nicht mehr dem früheren Zweck, mit Brüdern schwere Harleys zu fahren und eine tolle Zeit zu haben.
Heute steigen die Mitglieder der Hells Angels aus Luxusautos, ziehen ihre Kutten über und marschieren in engen Muskel-Shirts über die Kölner Ringe, um ihre Macht zu demonstrieren. Ein Vorstoß der Justiz könnte aber jetzt das Ende für sie bedeuten.
Doch bislang hat auf den Ringen nach wie vor ein Mann das Sagen: Neco Arabaci (42). Der Mann, der jahrelang die Türsteher-Szene beherrschte und in Izmir in der Türkei lebt, ist Präsident der Hells Angels Türkei. Inzwischen hat er ein mächtiges Netzwerk aufgebaut, benutzt dazu ausschließlich türkischstämmige Leute. Sie sind extrem gewalttätig, legen sich sogar mit ihren deutschen „Rocker-Brüdern“ an.
Einer von ihnen packt aus. Im EXPRESS erzählt er, wie er ein Hells Angel wurde, wie er lebt und wie sich das Rocker-Leben verändert hat.
Mein Name ist unwichtig. Ich bin 32 Jahre alt. Ich habe einen kleinen Sohn, von dem aber niemand etwas weiß. Denn das könnten Feinde mal rausbekommen und mich damit erpressen.
Ich habe eine Freundin, aber wir wohnen nicht zusammen. Einen Höllenengel hat man nie für sich allein. So handhaben das alle Kumpels. Es gibt einfach zu viele schöne Frauen auf dieser Welt, die uns Angels hinterherlaufen.
Ich bin 1,87 Meter groß, wiege 96 Kilo. Für ein „Angel“ ist der Körper das Kapital. Viel Training, wenig Alkohol und keine Drogen. Auch wenn uns immer nachgesagt wird, dass das anders wäre. Das ist Unsinn. Drogen oder Präparate zum Muskelaufbau nehmen nur Idioten, die irgendwo in der Türsteher-Szene oder einem Security-Betrieb arbeiten. Die wollen nicht noch nach Feierabend in die Muckibude und an sich arbeiten, sondern innerhalb von sechs Wochen dicke Arme haben.
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Ich bin in Buchheim aufgewachsen, habe einen Hauptschulabschluss gemacht, dann eine Maurer-Lehre. Mein Hobby war das Boxen. Mit 18 war ich immer in einem Kalker Stall, den es heute noch gibt. Da gab es Typen, die hatten Kontakt zu den Angels - sagten sie.
Tatsächlich gingen sie einmal im Monat zur Redbox-Party im Angels Place (Vereinsheim, Anm. d. Red.) in Frechen, das inzwischen nicht mehr existiert. Da konnte man die Angels und deren Supporter (Unterstützer, Anm. d. Red.) treffen.
Der damalige Chef Günter hatte seinen Laden gut im Griff. Bei uns stimmte die Chemie. Ich wurde einstimmig aufgenommen. Ich bekam die Kutte und bin jetzt sieben Jahre dabei.
Der harte Kern von uns – da würde einer für den anderen sterben. Das ist etwas, was man in keinem anderen Verein, in keiner Institution oder einer Beziehung findet. Man geht zusammen durch die Scheiße, egal, was es ist.
Aber manches hat sich auch in den Jahren geändert. Früher gab es bestimmte Gesetze, die kannte jeder, an die hat man sich gehalten. Wie zum Beispiel AFFA. Heißt „Angels Forever, Forever Angels“. Übersetzt: Einmal ein Engel, für immer ein Engel. Ein Aussteigen gab es nicht. Ein Überlaufen zu verfeindeten Clubs bedeutete: Die Jagd auf dich ist eröffnet.
Inzwischen ist das anders. Immer mehr Migranten sind nachgerückt. Türkischstämmige Jungs, die schneller den Verein wechseln als ein Fußballprofi. Plötzlich sind sie nicht mehr Angels, sondern Bandidos. Und ein paar Monate später tragen sie wieder unsere Kutte. Früher undenkbar.
Ein Gesetz gilt nach wie vor: Die Frau deines Bruders ist tabu. Wer dagegen verstößt, hat keine Kutte mehr und wandert besser aus. Denn es gibt für solche Fälle Rituale, wie man mit solchen Bastarden umgeht. Ich sag’ nur so viel: Den Tag vergisst man nie.
Wer in die Kasse langt, beklaut seine Brüder. Einer hat das mal gemacht. Er hat fast dafür mit dem Leben bezahlt. Heute weiß er, dass er zu Recht Prügel bekommen hat. Er ist wieder bei den Angels gelandet, nachdem er bei den Bandidos Schutz bekommen hatte. Zuletzt habe ich ihn in Berlin getroffen. Alles ist vergeben. Denn: Man büßt nur einmal.
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Zurzeit sind wir wieder mit Kutte unterwegs. Das ist kein Zufall. Natürlich wird das vorher festgelegt, wann wir welche Strecke fahren und in welcher Reihenfolge. Das Theater mit der Polizei ist eingeplant. Dafür weiß die ganze Stadt, wer das Sagen hat. Die Tacos (Bandidos, Anm. d. Red.) wissen, was passiert, wenn sie in Köln eindringen.
Irgendwann sitzen um die Tacos im Ruhrpott nur noch Angels. So ist der Plan. Doch die Tacos haben das kapiert und wollen jetzt den Gegenangriff starten.
Klar geht es bei diesen Kämpfen um Geld. Wer die Macht hat, hat das Geld. Wir Angels erhalten je nach Stellung und Rang aus der Vereinskasse monatliches Geld und gehen nicht arbeiten. Einige sind selbstständig, aber jederzeit abrufbar, wenn sie gebraucht werden.
Das Geld stammt meist aus dem Erwerb im Rotlicht-Milieu, aus Sauna-Clubs und von diversen Schutzaufträgen von Diskotheken, deren Türen wir machen. Daraus folgert auch, dass wir den Drogenhandel kontrollieren, aber nicht selbst mit dem Zeug rumlaufen. Das machen Dealer, die für uns arbeiten. Vor allem Supporter, die keine Kutte tragen dürfen. Sie sind meist an dem T-Shirt mit der „81“ zu erkennen. Sie arbeiten vorwiegend im Security-Bereich, kontrollieren die Türen der Clubs.
Ein großes Geschäft ist die Prostitution. Allein durch die Vermietung der Wohnwagen am Straßenstrich Eifeltor und Brühler Landstraße fließen jährlich 1,2 Millionen Euro an uns. Dafür werden Luxusautos und Motorräder angeschafft.
Denn damit zeigen wir unseren Gegnern, wie mächtig wir Angels sind.