Am Montag ließen Betriebsrat und Gewerkschaft IG Metall die Kölner Ford-Bombe platzen: Über 3000 Jobs sollen bis 2024 wegfallen. Ein Desaster – vor allem für die Belegschaft, findet unser Autor. Ein EXPRESS.de-Kommentar.
Kommentar zum Kölner Job-BebenDen Slogan kennt jeder: „Ford. Die tun was!“ – von wegen
Ja, es ist lange her: 1930 hatten der legendäre Henry Ford und der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer den Grundstein für die Ford-Werke in Köln-Niehl gelegt. Es sollte das Fundament einer Erfolgsgeschichte werden.
Seit knapp 25 Jahren, als es noch den Slogan „Ford. Die tun was!“ gab, darf ich über den Autobauer berichten. Ich habe im Laufe der Jahre jede Menge Fordler und Fordlerinnen kennengelernt, viele Betriebsräte, die piekfeinen Schreibtische der Bosse ebenso wie die rotierende Fiesta-Halle Y oder das geheime Entwicklungszentrum in Merkenich. 2002 stand ich für eine Reportage selbst am Band, arbeitete am damals neuesten Modell (6. Generation) im Innenraum und baute die Hupe ein.
Kölns Fordlerinnen und Fordler: Sympathische Menschen, die anpacken
Ich weiß es, jeder weiß es: Kölns Fordlerinnen und Fordler – das sind sympathische Menschen, die anpacken. Die hochqualifiziert sind. Die mit dem Werk als Kölns größter privater Arbeitgeber und ihrer geliebten Stadt tief verwurzelt sind, oft über viele Generationen.
Die oft ihren eigenen Fiesta, den sie sich leisten konnten, zusammengebaut haben. Die das Logo mit stolz auf ihrer Brust tragen. Durch alle schweren Zeiten.
Aber die Belegschaft eint auch die ständige Sorge vor der Zukunft. Im Laufe der Jahre gab es immer wieder Schocknachrichten, Tränen, Angst, harte Einschnitte und riesige Demos. Dann wieder Aufatmen, Zusagen zur Standortsicherung – und weiter ging’s. Op Kölsch: Mer stonn zo Ford! Mer stonn zesamme!
Ford wird nie ein Kölner Unternehmen sein – nur ein Außenposten
Doch jetzt scheint alles anders. Jetzt wird glasklar, dass die Fiesta in Colonia spätestens im Sommer vorbei ist. Dass Ford nie ein heimisches Unternehmen ist und war, sondern nur ein Außenposten der Ford Motor Company in Detroit. Und die US-Bosse denken nicht in Kleinwagen, sondern BIG und global – und fahren volles Risko.
Sie setzen auf hierzulande eher ungeliebte große Geländewagen unter dem Claim „Adventurous Spirit“ (Abenteuergeist) – und eine breite Palette an E-Fahrzeugen nach globalem Muster. Die vielleicht irgendwo alle paar Jahre mal neu entwickelt werden müssen. Aber sicher nicht unbedingt in Köln. Und so könnten hier bis zu 2500 der heute 3800 Kolleginnen und Kollegen einfach auf der Strecke bleiben. Plus 700 Beschäftigte in den Verwaltungsbereichen.
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3200 Leute – das sind 3200 Schicksale, 3200 Familien und 3200 ganz eigene Ford-Geschichten. Die in der heutigen Zeitenwende, beim Wandel vom Verbrenner zum Elektromotor leider unter die Räder kommen. Wie so viele Menschen überall in anderen Branchen.
Ford Köln: E-Crossover ab Oktober 2023 – wer soll ihn kaufen?
Im Oktober soll der erste E-Crossover in Köln vom Band rollen. Aber wer soll ihn eigentlich kaufen? Angesichts von Krieg, Wirtschaftskrise, Inflation, hohen Zinsen, teurem Strom und einer schlechten Ladesäulen-Infrastruktur? Es ist ein gewagtes Manöver. Und kann sich ein Ford-Arbeiter dann überhaupt noch einen E-Ford leisten? Kann er sich weiterhin mit seinem Produkt identifizieren?
Ich bin auf den Einstiegspreis gespannt. Nicht wenige werden sicher abwinken – und ihren Fiesta erstmal weiterfahren.
Klar ist: Die Männer und Frauen, die ihr Leben für Ford gegeben haben, verdienen, wenn es hart auf hart kommt, eine faire und einvernehmliche Trennung. Ein Gespräch auf Augenhöhe. Eine Wertschätzung ihrer Leistung. Ohne ihren ständigen Kampf um ihre Jobs und das Werk gäbe es den bisher hocheffektiven Standort am Rhein vielleicht gar nicht mehr.
Jeder vierte Fordler beziehungsweise Fordlerin soll gehen. Das ist brutal. Ford macht sich in Köln dünne. Big Boss Jim Farley, der gerne cowboymäßig im röhrenden Mustang Gas gibt, ist Köln eine Antwort schuldig, wie es jetzt weitergeht: Talk to us, Jim Farley! Fast, loud and clear!