Zwickmühle zwischen Vereinen und Künstlern: Horst Müller, Chef der Agentur „Alaaaf“, über den Karneval, Corona und die Folgen für die kommenden Jahre.
Agentur-Chef überrascht mit Aussage„Corona hat dem Kölner Karneval womöglich gut getan"
Köln. Seine Agentur ist der Platzhirsch im Kölner Karneval und der Region: Horst Müller gestaltet Programme, bestückt Sitzungen und vertritt einige Exklusiv-Künstler. Bei über 400 Formaten in Köln und der Region hat der Strippenzieher seine Finger im Spiel. Im Interview mit EXPRESS.de spricht er über Karneval, Corona und den Geschäftsmann Horst Müller.
Sie sind dabei, wenn es um sehr viele Veranstaltungen in und um Köln geht. Schildern Sie uns doch einmal ihre Gefühlslage mit Blick auf das kommende Wochenende?
Horst Müller: Bereits am letzten Wochenende hat es ja schon Veranstaltungen gegeben. Ich bin aktuell der Empfänger von viel Nachdenklichkeit unserer Kunden, aber auch von Künstlern. Meine Aufgabe ist es dann, positive Energie zu vermitteln. Denn ich glaube, dass der Karneval eine unheimliche Kraft hat. Ich blicke in viel leuchtende Augen, denn die Lust auf den Karneval ist da.
Bedeutet: Es geht um Psychologie?
Irgendwie schon. Wir sind getrieben von der veröffentlichten Meinung. Karl Lauterbach ist ein sehr wichtiger Mahner in der aktuellen Krise, aber ich wünschte mir in diesem besonderen Fall, dass er den Kneipenkarneval am 11.11.2021 nicht so negativ beschreiben würde. Das verunsichert die Menschen schon sehr. Den Wunsch der Rheinländer auf eine Rückkehr ihres Brauchtums sollte er etwas sensibler kommentieren. Veranstalter und Gastronomen investieren aktuell sehr viel Geld in den Schutz vor Infektionen. Das sollte vielleicht etwas mehr gelobt werden. Aber er hat sicherlich recht damit, wenn er Achtsamkeit einfordert.
Das müssen sie als Geschäftsmann auch sagen, der von Veranstaltungen lebt!
Ich habe noch nie so viel Geld verbrannt durch Entgegenkommen bei Kunden und Veranstaltern. Und wir würden es auch als Firma überleben, wenn dieser November in die Hose geht. Jeder, der mich kennt, weiß: Ich habe nicht die Dollarzeichen in den Augen stehen.
Sie betreuen Künstler und Vereine mit den Programmen. Manche Veranstaltungen sind aktuell nicht ausverkauft, die Künstler haben aber einen gültigen Vertrag und müssten zurecht die volle Gage verlangen. Entstehen da nicht Diskussionen zwischen Vereinen und Künstlern?
Was wir erlebt haben, war eine unheimliche Solidarität zwischen Vereinen und Künstlern gibt. Kein Künstler hat eine Konventionalstrafe verlangt und viele gehen mit der Gage herunter. Andere Künstler sagen: Ich lasse den Verein aus dem Vertrag raus und erscheine nicht auf der Bühne. Auch das entlastet den Verein.
Eine unfassbar schlimme Situation für Vereine und Künstler, also?
Ja, und da muss man immer in jedem Einzelfall einen Konsens finden, damit der Karneval 2023 zumindest wieder funktionieren kann. Langfristige Beziehungen rechnen sich auch nicht am Geld.
Köln: Karneval steht vor Neustart nach Corona
Wird sich der Kölner Karneval von diesem Corona-Dilemma erholen?
Auf jeden Fall. Aber er stellt sich gerade total neu auf. Insbesondere kleinere Veranstaltungen profitieren und boomen ungemein. Besetzungen von 250 Zuschauern haben gerade einen großen Zulauf. Manchmal denke ich mir: Es war mal gut, dass es dieses Jahr Pause gab. Teilweise hat Corona dem Karneval auch gut getan.
Weil?
Schauen Sie: Es war doch immer jedes Jahr das Gleiche. Deshalb sehe ich dieses Sabbat-Jahr als eine Art Neustart. Es ist wieder etwas Besonderes, zum Kölner Karneval zu gehen. Der Karneval wird sich neu definieren.
Aber viele Menschen haben derzeit durch Kurzarbeit, Inflation, Mietrückstände und Kreditstundungen durch Corona kein Geld mehr für einen Sitzungsabend, der mindestens 200 Euro kostet.
Ja, das ist elementar. Wenn man tanken geht, ist man auch schon 100 Euro los. Aber ich glaube, kein Aktiver im Karneval wird seine Liebe und sein Herzblut zum Brauchtum aufkündigen. Für mich bleibt aber der Zauber des Kölner Karnevals, der wird nicht aussterben. Karneval ist nicht nur Veranstaltung, sondern auch Gefühl der Menschen in Köln und der Region. Das wird bleiben, da bin ich mir ganz sicher. Deshalb sollten wir uns trauen und ein positives Bekenntnis in die Welt senden, dass das Feiern sicher geht.
Erst eben habe ich einen Anruf erhalten von einem Kunden in Troisdorf, der am kommenden Samstag in der Stadthalle feiert. Er macht eine 2G-Veranstaltung. Aber obendrauf bezahlt er für alle Gäste, die das wünschen, einen freiwilligen Test vor der Veranstaltung, um noch einmal sicherer zu gehen. Das sind für ihn 10.000 Euro Mehrkosten. So kann es zusätzlich funktionieren. Deshalb werde ich auch nicht müde, für dieses fest zu werben. Fernab davon, ob sich das für uns als Firma jetzt rechnet, oder nicht. Aber wir sollten wieder die Lust haben, Karneval zu erleben.