Köln hat ein neues Dreigestirn. Auf der Proklamation wurden Prinz Sascha I., Bauer Werner und Jungfrau Frieda gefeiert. Die Programmgestaltung sorgte einmal mehr für hitzige Diskussionen.
Tops und Flops der „Pripro“Köln feiert die Royal Family – WDR-Inszenierung sorgt für hitzige Debatten
Die Proklamation gehört jedes Jahr zu den Höhepunkten der Kölner Stadtgesellschaft. In ist, wer drin ist. Eigentlich steht im Mittelpunkt, dass Prinz Sascha I., Bauer Werner und Jungfrau Frieda vor 1300 Gästen das Stadtregiment übernehmen.
Aber das Programm rund um den Festakt sorgt stets für hitzige Diskussionen. Der Abend im Gürzenich lässt sich nicht mit einer herkömmlichen Karnevalssitzung vergleichen, ist eher eine Revue und TV-Gala, denn eine Sitzung fürs Saalpublikum.
Prinz Sascha I., Bauer Werner und Jungfrau Frieda feierlich proklamiert
Entsprechend gespalten waren nach der „Pripro“ am Freitagabend (5. Januar 2024) auch wieder die Meinungen. Als sich die Jecken nach Mitternacht bei der After-Show-Party austauschten, gingen die Urteile von „herrlich Kölsch und erfrischend anders“ bis hin zu „schlechteste Proklamation seit 20 Jahren“ auseinander.
EXPRESS.de war mitten im Getümmel und hat die Tops und Flops des Abends.
Kölner Karneval: Die „Pripro“-Tops
Die Royal Family. Wie sehr das Dreigestirn seine neue Aufgabe genießt, wurde schnell deutlich. Erstmals stammt das Trifolium aus einer Familie, alle tragen den Nachnamen Klupsch. Der Prinz ist das Kind der Jungfrau, der Bauer der Bruder der Jungfrau. Schon jetzt besonders: der Schlachtruf des Trios im Kreis vor dem Auftritt – „Wer ist Dreigestirn? Klupsch, Klupsch, Klupsch!“
Der Jubel beim Einzug in den Saal wollte nicht enden. Dass der Prinz mit seiner Schwester Svenja – neue Marie der Nippeser Bürgerwehr – noch über die Bühne tanzte, machte das Familienglück perfekt. Auch die Rede zielte auf diese besondere Konstellation ab.
„Was meine Vorstellung übertrifft, ist, dass ich diesen besonderen Moment gemeinsam mit der Familie an meiner Seite erleben darf. Denn Familie ist etwas Wunderbares, sie gibt uns Kraft und Halt, bedeutet Zuversicht und Standhaftigkeit. Familie bedeutet Heimat und Geborgenheit“, sagte Sascha I. „Dieses Gefühl kennen wir Kölsche nur allzu gut“.
Die Liebe zur Stadt ist den drei von der KG Treuer Husar Blau-Gelb deutlich anzumerken. „Der Dom ist mehr als nur das Wahrzeichen der Stadt. Er ist der Mittelpunkt und et Hätz. Der Dom steht für die Liebe, die wir Kölsche für unsere Stadt empfinden. Seine zwei Türme geben uns Halt und stehen als Symbol für Kraft und Zuversicht. Gerade in Zeiten wie diesen, gibt der Dom uns das Gefühl von Heimat und Standhaftigkeit – genau wie eine Familie.“
Auch die Musikeinlage des Dreigestirns kam an. Singend und trommelnd mischten sie „Jröne Papajeie“, „Wenn der Prinz mit dem Bauer und der Jungfrau kütt...“, „Wenn de Engelcher ens Fastelovend fiere“, „Wolkeplatz“ und „Jedäuf met 4711“.
Das Sessionsmotto „Wat e Theater – Wat e Jeckespill“ stand konsequent im Mittelpunkt. Der Gürzenich war wunderbar geschmückt, die Bühne glich mit ihrem roten Vorhang einem echten Theater. Ob bei der Begrüßung von Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn über die Aufteilung des Abends in drei Akte bis hin zu den einzelnen Programmpunkten: die vielen Theaterparallelen und die Präsenz von Kölns Bühnen tat gut.
Dass Oberbürgermeisterin Henriette Reker zunächst als hölzerne Hänneschen-Puppe zu den Gästen sprach, war eine wunderbare Auflockerung. „Wat auf der Welt passeet, dat is längst kein Jeckespill mih“, klagte sie. „So unterschiedlich wir sind, uns vereint die Liebe zum Fasteleer. An diesem Nenner sollten wir uns gerade in der jetzigen Zeit erinnern. Es gibt weder in Knollendorf noch in Kölle Platz för Hass. Un ene Besök im Dom losse mer uns nit nemme.“
Jörg P. Weber lieferte gleich mit dem ersten Programmpunkt den Höhepunkt des Abends. In der Rolle des streitbaren und bereits 1970 verstorbenen Karnevalisten Horst Muys schoss er vor allem scharf gegen die Oberbürgermeisterin: „Köln sagt Dankeschön – viel zu lange Frau Reker.“ Mit dem Weinglas in der Hand lästerte er über die Opernsanierung, die Fahrradstraßen in der Stadt und die Bläck Fööss: „Sie sehen nach 50 Jahren immer noch jung aus“. Die einzigen Zugabe-Rufe des Abends gehörten ihm.
„Mir wird vor allem JP Weber als Horst Muys gleich am Anfang des Abends in Erinnerung bleiben. Das war herrlich. Und der Tanz des Prinzen mit seiner Schwester unmittelbar nach dem Proklamationsakt: Das war was fürs kölsche Herz“, urteilte Politiker Wolfgang Bosbach über das fünfstündige Programm.
Das kölsche Jeföhl wurde mehrfach bedient. Der Gemeinschaftstanz der dem Festkomitee angeschlossenen Tanzgruppen zur kölschen Adaption aus dem Musical „The Greatest Showman“ war ein weiterer Höhepunkt. Witze über die große Politik in Berlin blieben aus. Die Verkehrs- und Bauprobleme in Köln standen im Mittelpunkt.
Dass die Kölschtheken im Foyer bis zum Ende der Proklamation geschlossen blieben, sorgte bei einigen für Unverständnis. Auch im Programm wurde Bezug darauf genommen. Tünnes un Schäl sangen beispielsweise „Et jitt kein Kölsch an d’r Theke“ zur Melodie von „Es gibt kein Bier auf Hawaii“.
Die Maßnahme sorgte jedoch dafür, dass der Festsaal bis zum Schluss proppenvoll blieb und es keine Parallel-Party vor der Tür gab. Als Entschädigung für den Kölsch-Entzug gab es beim Auftritt der Bläck Fööss am Schluss eine Runde Freibier für alle.
Kölner Karneval: Die „Pripro“-Flops
Die Proklamation wird auch vor allem für das Fernsehen durchgeführt. Der WDR zeigt am Sonntag ab 20.15 Uhr einen zweistündigen Zusammenschnitt. Und die TV-Bosse nahmen reichlich Einfluss auf das Programm. Das Erfolgsmusical „Himmel und Kölle“ ist in der Volksbühne ein Knaller. Der Ausschnitt im „Pripro“-Programm sorgte jedoch für Längen.
Auch zündete der Auftritt von Bernd Stelter bei vielen Jecken nicht. Seinen neuen Song „O Gott, o Gott, o Gott“ zitierten einige im Anschluss als Resümee des Abends. Im Gegensatz zu den bissigen Attacken, die JP Weber losließ, kamen der Vortrag von Comedian Fatih Cevikkollu als „Kuckelcorleone“ und die Einwürfe von Tünnes un Schäl doch etwas zu zahm daher.
Im Casting-Stück „Die Findungskommission“ vom Scala-Theater waren einige spitze Anmerkungen, beispielsweise zum Dauerthema weibliches Dreigestirn, dass „Christoph Schnuckelkorn“ verhindern will, versteckt. Nur verstanden viele im Saal die Gags nicht, weil die Akustik auf die Fernsehübertragung ausgelegt war. Moderator Kuckelkorn wechselte zwar mehrmals das Mikro, gut zu verstehen war er dennoch nicht.
Eine Einladung zur Proklamation ist für viele in der Kölner Gesellschaft die größtmögliche Ehre. Dennoch fehlten einige hochrangige Gesichter der Stadt. Auch war die sonstige Promi-Quote überschaubar. Influencerin Farina Opoku bezeichnete es als „Ritterschlag“, dass sie kommen durfte. Trainer-Legende Christoph Daum sprach von einem der „gesellschaftlichen Höhepunkten der Stadt“.
Aber neben ein paar Politikern und den „üblichen Verdächtigen“ gab es wenig hochkarätige Gesichter. Einer der Gründe: Inzwischen rufen manche Promis tatsächlich Gagen auf, um zu solchen Veranstaltungen zu kommen. Diese Unsitte macht das Festkomitee jedoch nicht mit. Dafür tummelten sich immer mehr „normale“ Gäste auf dem roten Teppich, um sich für Selfies in Szene zu setzen.