Schwere VorwürfeZoff um Karnevalsverein eskaliert – Gericht stoppt die Mitgliederversammlung

Die Prunksitzung 2023 in Königsdorf.

Ein Bild von der Prunksitzung 2023 in Königsdorf. Jetzt ist hinter den Kulissen ein Streit ausgebrochen.

Vor den Toren Kölns ist Feuer unterm Dach! In einem Karnevalsverein ist ein Streit hinter den Kulissen ausgebrochen.

von Ayhan Demirci  (ade)

Wenige Tage vor Beginn der Session tobt vor den Toren Kölns ein handfester Karnevalszoff auf Biegen und Brechen. Im Mittelpunkt steht ein jeckes Unikum: Georg Vonderlehr (83), ein Funktionär alter Schule. 38 Jahre lang war der rüstige Senior Literat der „Karnevalsgesellschaft Königsdorfer Weißpfennige 1982 e. V.“.

Verrückt: Der eiserne Traditionalist hat kein Handy, keinen E-Mail-Account und überhaupt: Er benutzt kein Internet. Sein Arbeitscredo: „Ich mach' alles live.“ Doch jetzt ist er weg vom Fenster! Vonderlehr sieht sich weggeputscht, denn im Verein sei „der Jugendwahn ausgebrochen“.

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Dabei hatte der Literat, der bis zu seiner Pensionierung im WDR-Rechenzentrum arbeitete, noch in einer Mitgliederversammlung 2022 das Vertrauen ausgesprochen bekommen. Ohne Gegenstimme wurde der Programmgestalter, der auch Gründungsmitglied des Vereins ist, im wichtigen Amt bestätigt – bis 2025.

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Verantwortlich für seinen Abgang sei der vor zwei Jahren ins Amt gewählte 1. Vorsitzende des Vereins, Sascha Ruf (51). Der soll sich hinter seinem Rücken bei der Kölner Künstleragentur, mit der der Literat zusammenarbeitete, als Ansprechpartner in Stellung gebracht haben. Vonderlehr erzählt, dass er das bei seinem letzten persönlichen Arbeitsbesuch bei der Agentur „Go GmbH“ in Köln erfahren habe. Ruf habe sich im Buchungsportal als Ansprechpartner des Vereins registriert, hieß es dort.

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Da sei ihm einiges klar geworden, sagt der gebürtige Duisburger; „Nach meiner Wahl im Juli 2022 habe ich plötzlich zwei, drei Monate nichts mehr von der Agentur gehört. Die hatten mich sonst immer auf dem Laufenden gehalten.“

Kritiker werfen Ruf nun vor, einen verdienten und mehrfach geehrten Vereinskameraden trotz dessen tadelloser Arbeit ausgebootet und das Amt des Literaten unrechtmäßig an sich gerissen zu haben. Ehrensenator Marc André Dreymüller (50), Zahnarzt in Königsdorf, spricht gar von einer „Machtübernahme“.

Georg Vonderlehr hält einen Vortrag, im Hintergrund links der Vorsitzende Sascha Ruf.

Georg Vonderlehr hält einen Vortrag, im Hintergrund links der Vorsitzende Sascha Ruf.

Gegenüber EXPRESS.de sagt er: „Dass Georg Vonderlehr lediglich über Festnetz-Telefon und Briefpost erreicht werden kann, war in 38 Jahren nie ein Hindernis. Er ist stets persönlich zu den Organisationen gefahren und hat erforderliche Schriftstücke per Post zugestellt bekommen. Die von ihm organisierten Sitzungen haben problemlos stattfinden können.“

Dreymüller behauptet, Ruf versammle immer mehr Getreue um sich und sorge für Unmut: „Zahlreiche langjährige Mitglieder sind entweder schon aus dem Verein ausgetreten oder haben ihren Austritt zum Jahresende erklärt.“

Bei den Königsdorfer Weißpfennigen ist also Feuer unterm Dach: Dreymüller geht sogar gerichtlich gegen weitere Pläne der Vereinsführung vor und hat vor wenigen Tagen eine einstweilige Verfügung erwirkt. So blockierte er die Tagesordnung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am vergangenen Mittwoch (30. Oktober 2024). Das Verhältnis zwischen den Kontrahenten: völlig zerrüttet!

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Literat Georg Vonderlehr hatte, als er sich abserviert sah, seinen Rücktritt erklärt – schweren Herzens. Gegenüber EXPRESS.de sagt er, die letzte von ihm organisierte Sitzung sei hervorragend angekommen. Mithilfe von Guido Cantz, mit dem er freundschaftlich verbunden sei, habe er in deren 200. Jubiläumsjahr sogar die „Kölsche Funken Rut-Wieß“ nach Königsdorf holen können, außerdem unter anderen Willi & Ernst, Kuhl un de Gäng, Ne Spätzünder, Miljö und zum Schluss „Druckluft“.

Das ist richtig, sagt Sascha Ruf, von Beruf Sonderpädagoge. Korrigiert dann aber („Das kann man jetzt für wichtig befinden oder nicht“) eine Angabe des Literaten: „Georg Vonderlehr behauptet immer, er sei 38 Jahre Literat gewesen, nein, er war 31 Jahre Literat. Das ist anhand von Archivunterlagen belegbar.“

Dann erzählt er seine Version der Geschichte und weist die Vorwürfe von sich. So nett Vonderlehrs Herangehensweise auch sei, er habe mit „vorsintflutlichen“ Methoden gearbeitet, etwa mit Verrechnungsschecks für die Bands. Die Buchungsfristen vor allem bei den Bands würden immer länger, in einer digitalisierten Welt ginge es nicht mehr ohne Buchungsportale. „Das ist ein Wandel, da kommt nicht jeder mit.“

Er habe den Literaten außerdem in Bezug auf das Buchungsportal persönlich über den Vorgang unterrichtet: „Ich habe gesagt, Georg, pass auf – ich bin jetzt der eingetragene Ansprechpartner, ich habe mir auch zeigen lassen, wie man damit umgeht. Gleichzeitig habe ich aber gesagt: Du kannst weiter bestimmen, wie es gemacht werden soll.“

Überhaupt ist Ruf als Mann des Wandels angetreten. Ein langjähriger Vorgänger habe die Karnevalsgesellschaft „sehr elitär“ gehalten – „das hat zu einer Überalterung und Isolierung des Vereins geführt“. Unter seiner Ägide habe es jetzt seit Jahrzehnten wieder eine Kindersitzung gegeben, man plane ein Sommerfest und sei in Königsdorf mittlerweile wieder viel sichtbarer.

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Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung am 30. Oktober hoffte Ruf, dass eine neue Satzung unter anderem mit einer neuen, familienfreundlichen Beitragsordnung verabschiedet würde. Dazu kam es dann durch die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Kerpen (108 C 90/24) nicht.

Bei Androhung von 250.000 Euro Geldstrafe war es den Karnevalisten untersagt, über die neuen Anordnungen abstimmen zu lassen – das Gericht machte dabei Formfehler geltend, so sei die nötige Einladungsfrist nicht eingehalten worden.

Rufs Gegenspieler Dreymüller sieht in Sascha Rufs Vorstoß mehr: „Es geht auch um die Einführung einer neuen Ehrenordnung. Mit dieser möchte er die Voraussetzungen schaffen, um hochrangige und verdiente langjährige Mitglieder des Vereins „entwürdigen“ und ihnen die Ehrung aberkennen zu können. Bislang galten solche Ehrungen immer auf Lebenszeit.“