Tim Lahr gehört zu den bekanntesten Pfarrern in Köln. Er verbindet in seiner Gemeinde die queere Community mit der konservativen Kirche. Das gefällt nicht immer allen.
„Schlage dich behindert“Kölner Pfarrer hat immer wieder mit Hass und Drohungen zu kämpfen
Tim Lahr (33) ist Pfarrer in der evangelischen St. Johannes-Kirche in Köln-Deutz. Der 33-Jährige ist schwul. Gegen diesen vermeintlichen Gegensatz kämpft der Pfarrer an. Er hat viele Projekte und Veranstaltungen ins Leben gerufen, um die als konservativ geltende Kirche auch für die queere Community als Zufluchtsort zu etablieren.
Für sein Engagement bekommt Tim Lahr viel Unterstützung und Anerkennung, allerdings muss sich der Pfarrer auch immer wieder mit Hass und Gewaltandrohungen auseinandersetzen, wie er im Gespräch mit EXPRESS.de erklärt hat.
Schwuler Kölner Pfarrer wird zum Internetphänomen
Dass Lahr später einmal in der Kirche arbeiten möchte, sei dem gebürtigen Bonner bereits im Jugendalter klar geworden: „Ich bin nicht in einer religiösen Familie aufgewachsen. Allerdings habe ich mit 14 Jahren das erste Mal ernsthaft darüber nachgedacht, Pfarrer zu werden.“
Nach einem Jahr in Nicaragua, wo er seinen zivilen Friedensdienst nach dem Abitur ableistete, sei die Entscheidung dann endgültig gefallen. Er studierte Theologie, unter anderem auch in Rom. Doch immer wieder fühlte er sich von der Kirche auch nicht vollends akzeptiert – aufgrund seiner Homosexualität.
„Das Queersein kam im Studium beispielsweise überhaupt nicht vor, ich habe praktisch zwei Leben geführt in dieser Zeit und war unsicher, ob ich mit meiner sexuellen Orientierung überhaupt offen umgehen darf.“ Geoutet hatte sich Lahr nach dem Abitur. Nach dem absolvierten Studium machte er sein Vikariat – den praktischen Vorbereitungsdienst für den Beruf des evangelischen Pfarrers – in zwei Kirchengemeinden in Köln.
Bekannt wurde er dann, als er während des ersten Corona-Lockdowns über Instagram seinen Alltag als Pfarrer in kurzen Videos dokumentierte. Ein Video, in dem er in der leeren Kirche tanzte, ging viral. Er sammelte immer mehr Fans, die Symbiose zwischen dem Queersein und der Kirche war geschaffen.
„Es hat mir Spaß gemacht und vielen Leuten in dieser Zeit auch. Also konnte ich auf diese Art eine gewisse Reichweite aufbauen und habe meine Botschaft so weiter nach außen getragen“, sagt Tim Lahr gegenüber EXPRESS.de.
Er wolle zeigen, dass die Kirche modern und progressiv sein kann – und trotzdem Christus-treu. Passend dazu heißt sein Instagram-Kanal „Amen, aber sexy“, auf dem ihm mittlerweile über 21.000 Menschen folgen.
Kölner Pfarrer hat immer wieder Hass und Gewaltandrohungen zu kämpfen
In der Folgezeit engagierte sich Lahr immer weiter für die queere Community. Er rief die Partyreihe „Queer as hell“ ins Leben, die mittlerweile in der Kartäuserkirche in der Südtadt stattfindet. Es entstand ein queerer Kirchenchor, regelmäßige queere Kirchentreffs, Auftritte von Drag Queens bei Weihnachtsgottesdiensten, bei der CSD-Parade am 21. Juli 2024 wird Lahrs Gemeinde auf einem eigenen Truck teilnehmen.
Er ist umtriebig, geht neue Wege – das gefällt jedoch nicht allen: „Ich habe von Anfang an natürlich auch Gegenwind bekommen. Ich erhalte viele Hasskommentare unter meinen Beiträgen auf Instagram. Manchmal sind das dann auch Drohungen, die ich zur Anzeige bringen muss. Beispielsweise schrieb mir jemand: ‚Wenn du nach Berlin kommst, schlage ich dich behindert.‘“
Solche Anfeindungen lassen ihn nicht kalt, wie er sagt. Allerdings dürfe er sich davon nicht unterkriegen lassen: „Das Ziel dieser Menschen ist es, uns als queere Community mundtot zu machen und uns unsichtbar erscheinen zu lassen. Aber das sind wir nicht, wir gehören dazu, auch in der Kirche. Ich lasse mich nicht einschüchtern.“
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Rückhalt bekomme er unter anderem vom Kirchenkreis Köln, die ihn bei seinen Projekten unterstützt. Auch viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer gehören zu seinem Team. „Ohne diese tollen Menschen wäre es auch gar nicht möglich, all das auf die Beine zu stellen, was wir bereits geschafft haben“, sagt Pfarrer Lahr.
Er wolle dazu beitragen, dass die Kirche sich mehr traut, moderner und offener wird: „Die Kirche zeigt sich in Worten immer sehr progressiv, allerdings müssen dann auch mal Taten folgen. Wir müssen die queere Community mit konkreten Angeboten mitnehmen und dazu einladen, Teil der Gemeinde zu sein. Viele sind auf der Suche nach einem Rückzugsort, finden diesen in der Kirche aber nicht.“
Außerdem müsse die Kirche in Zukunft präsenter im Internet werden, weshalb er seinen Instagram-Kanal auch weiter fleißig bespielen will: „Dort finden wir heutzutage den Zugang zu jungen Menschen, können sie ansprechen und in schwierigen Situationen behilflich sein. Was sich meine Kollegen in der Vergangenheit leider nicht immer getraut haben, möchte ich mit meiner Arbeit weiter nach vorne treiben.“