Kölsche Miljönäre„Schäfers Nas“ und „Dummse Tünn“ drohten Reporter mit „Dr. Dralle“
Köln – Recherchieren im Miljö? Das war weder für Ermittler noch Journalisten ein Zuckerschlecken. Dies musste auch Manni Meier, damals EXPRESS-Chefreporter, erfahren.
Ihm statteten Schäfers Nas und Dummse Tünn unangemeldete Redaktionsbesuche ab - und drohten mit „Dr. Dralle“...
Manni erzähl mal, wie bist du damals mit dem Miljö in Berührung gekommen. Du hast damals alles für eine große Zeitungs-Serie aufgeschrieben.
Ja, ich kam damals von München nach Köln und war fasziniert von dem Zusammenleben hier. Das gab es so in keiner anderen Stadt. Der Klüngel, die originalen Typen, diese Spitznamen. Großes Kino. Ich habe als Chefreporter beim Express angefangen und der Big Boss war selber ein Fan der illustren Szene.
,,Mensch Meier“, sagte der, ,,da musst du mal abtauchen. Rede mit den ganzen Typen. Aber Vorsicht, die sind herzlich, aber hart.“ Also traf ich sie. Die Tapeten-Tonis, die Gemüse-Robertos, den Prumbaum oder den Schweizer Michel.
Wir wollten zuerst zwölf Folgen machen. Und das wurde dann so erfolgreich, dass wir am Ende bei 50 Folgen gelandet sind.
Alle wollten die Geschichten aus dem Miljö lesen. Und ich bohrte immer tiefer. Aber dann wurde es plötzlich gefährlich.
„Schäfers Nas“ und „Dummse Tünn“ – Deutschlands bekannteste Miljö-Größen
Es ging um die größte Schlägerei, die es wohl jemals in Köln gab. Und es betraf die wohl bekanntesten Miljö-Größen von ganz Deutschland. Schäfers Nas und Dummse Tünn. Die Recherche gestaltete sich allerdings problematisch.
Der Herr Dumm wollte nicht so richtig reden und der Herr Schäfer war verhindert, weil er acht Jahre im Aachener Gefängnis abbrummen musste.
Ich habe dann ein paar Zeitzeugen aufgetrieben. Die haben mir alles erzählt. Der Herr Dumm, ein Ringer, wollte dem Herrn Schäfer an die Beine springen, das ließ das Ungetüm von Mann aber nicht zu und gab dem Kontrahenten zwei mächtige Kinnhaken. Worauf der halb bewusstlos unter einem Auto landete.
Und Herr Schäfer stemmte seine Fäuste in die Hüften und krakeelte: ,,Komm raus da, oder willst du dich vor deinen ganzen Freunden blamieren.“
Natürlich ging das Ganze nicht gut aus für den Tünn, aber das war dem EXPRESS damals immerhin eine Schlagzeile auf Seite eins wert.
Jetzt wollte ich das nacherzählen, aber dabei den Dummse Tünn nicht so ganz schlecht aussehen lassen, schließlich war der auf freiem Fuß.
Ich habe am Vortag also im EXPRESS eine ganz nette Ankündigung geschrieben. ,,Die Ringschlacht des Jahres: Dummse Tünn gegen Schäfers Nas“.
Nachmittags in der Redaktion krieg ich einen Anruf: ,,Hier ist Dumm.“ Da hab ich erst gedacht, dass mich einer verarschen will. ,,Der Dummse Tünn is hier“, so eine ganz tiefe Stimme. „Oh guten Tag Herr Dumm. Was kann ich für Sie tun?“
,,Ja, da ist eine Ankündigung bei euch in der Zeitung. Ringschlacht des Jahres oder sowas. Wir müssen uns treffen. Dringend.“
,,Wo sind Sie denn?“ ,, Ja, hier vor der Tür, ich warte auf dich.“
,,Ja“, sag ich, ,,kommen Sie doch hoch.“ Dann kam er, der Dummse Tünn. Und ich habe in der Aufregung gesagt: ,,Guten Tag Herr Dumm.“
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Das kam mir zwar komisch vor, und dann hat er gleich gesagt, ,,Nee, ich bin der Tünn.“
,,Ich sag okay, Tünn.“ Dann meint er auf Kölsch: ,,Was willste denn schrieve“- „Ja, hab ich gesagt, Herr Dumm, damals wie das so war. Dann sagt er zu mir, die Worte, die mich heute noch zum Lächeln bringen: ,,Jung schriev nichts Schlechtes, sonst jit et Doktor Dralle, dann wachsen auch Dir wieder die Haare.“
Wir haben uns ganz nett verabschiedet. Und ich habe seine Geschichte angepasst und verfeinert.
Kaum umgeschrieben, klingelte wieder das Telefon.
Die Sekretärin sagte mir, da ist einer, der meint, „er sei die Nas. Owei, dachte ich mir, die Nas ruft aus dem Knast an. Vor Schreck sag ich zu dem: ,,Guten Tag Herr Nas“.Der meinte ganz ruhig: „Jung, wenn de Scheiße schrievst - also so op kölsch - dann krichst Du richtig Ärger mit mir.“
,,Ja gut“ sag ich, ,,ich kann Ihnen das ja mal schicken.“
,,Nein, wir reden jetzt.“
,,Wie“, hab ich gesagt, ,,wir reden jetzt?“
,,Ja ich bin hier ungen.“,,Ja aber Herr Nas, ich hab gedacht, Sie sitzen sechs Jahre in Aachen.“
,,Ich han mir Urlaub genommen.“
Als er mir dann beim Kaffee seine riesige Pranke hingehalten hat und meinte ,,Ich bin der Hein, habe ich erstmal durchgeatmet.“ Und wieder ein bisschen verfeinert.
Chicago am Rhein
Wie hast Du das damals alles selbst erlebt, das sogenannte CHICAGO am RHEIN? War das wirklich so gefährlich in der Stadt?
Naja, es gab schon üble Prügeleien. Und manchmal blieb auch einer auf der Strecke. Den Prumbaum, auch ein Bär von einem Mann, haben sie nachts erstochen. Der Schweizer Michel hat vor dem ,,Frechen Spatz“ seinen Schwiegersohn erschossen, der ein oder andere hat sich umgebracht.
Kanntest Du den Langen Tünn?
Der Toni stand ja an vielen Türen, und ich hab ihn auch ab und an im Zocker-Miljö getroffen. Es war extremst amüsant mit ihm. Sagen wir mal, es war eine andere Zeit und vielleicht ist das auch gut so.
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