Mindestens 180 Menschen haben in den verheerenden Fluten Mitte Juli in zwei Bundesländern ihr Leben verloren. Mit steigenden Temperaturen werden solche Extremwetterereignisse häufiger auftreten, bestätigen Forscher in einer aktuellen Analyse – und fordern Konsequenzen.
Nach Flut-KatastropheForscher mit verheerender Prognose für Deutschland, Politiker müssen handeln
Offenbach. Der Klimawandel erhöht laut einer Studie die Wahrscheinlichkeit extremer Regenfälle und damit von Hochwasserkatastrophen, wie sie im Juli in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mindestens 180 Menschen das Leben gekostet haben. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Team von Wissenschaftlern unter anderem des Deutschen Wetterdiensts (DWD) in einer am Dienstag veröffentlichten Untersuchung.
Unter den derzeitigen Klimabedingungen sei zu erwarten, dass eine bestimmte Region in Westeuropa etwa einmal in 400 Jahren von einem solch verheerenden Ereignis heimgesucht werde. Innerhalb des gesamten Gebiets, das die Wissenschaftler betrachteten, seien in dem Zeitraum mehrere solche Ereignisse zu erwarten.
Verbände fordern Regierung zu verschärften Maßnahmen auf
Mit weiter steigenden Temperaturen werde derart extremer Starkregen häufiger. Eine wärmere Atmosphäre könne auch mehr Wasser speichern. Werde es nochmals 0,8 Grad wärmer, erhöhe sich die Häufigkeit auf alle 300 Jahre, auch die Intensität des Starkregens steige weiter.
Umweltverbände forderten in Reaktion auf die Veröffentlichung der Studie die Bundesregierung unter anderem zu verschärften Klimaschutzmaßnahmen auf. „Dies ist ein letzter Weckruf an die Politik, Treibhausgasemissionen endlich durch wirksame Maßnahmen zu mindern, anstatt Klimaschutz durch bloße Zieldefinitionen zu betreiben“, sagte etwa Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. „Wenn die Treibhausgase bis zum Jahr 2030 wirklich um 65 Prozent gemindert werden sollen, ist der Kohleausstieg bis 2030 alternativlos.“
Am Mittwoch Sondersitzung zu Wiederaufbauhilfen
Mit Blick auf die für Mittwoch geplante Sondersitzung des Deutschen Bundestages, bei der Wiederaufbauhilfen für die von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Regionen beraten werden sollen, mahnen die Umweltschützer auch eine ökologischen Umgestaltung des Hochwasserschutzes an. „Alles am selben Ort wiederaufzubauen hieße, Menschen und Gebäude erneut dem Risiko der Zerstörung auszusetzen“, sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.
Ein gutes Wiederaufbauprogramm schaffe natürliche Überflutungsflächen, renaturiere Gewässer oder stelle durch angepasste Bewirtschaftung die Speicherfähigkeit Landschaft wieder her. „Nur so lassen sich die verheerenden Folgen zukünftiger Starkregenereignisse abmildern.“
Katastrophen werden immer wahrscheinlicher
Das internationale Forscherteam hatte für seine Analyse Frankreich, Westdeutschland, den östlichen Teil von Belgien, die Niederlande, Luxemburg und den Norden der Schweiz als Region betrachtet und gefragt, wie wahrscheinlich ähnlich extremer Starkregen hier ist und und inwiefern dies durch weltweit steigende Temperaturen beeinflusst wird. Die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Katastrophen hat sich demnach in dieser Region bereits um einen Faktor zwischen 1,2 und 9 erhöht, die maximale Regenmenge ist zwischen 3 und 19 Prozent größer als früher.
Ein Beispiel der Wissenschaftler: Wenn die Wahrscheinlichkeit um den Faktor 5 erhöht sei, bedeute dies, dass ein Ereignis im Mittel anstelle alle 2000 alle 400 Jahre auftrete.
Dass der Faktor nicht genauer angegeben werden könne, liege unter anderem daran, dass verschiedene Klimamodelle zugrundegelegt worden seien, deren Vorhersagen sich unterschieden, erklärte Frank Kreienkamp vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Die Zahlen zeigten eine sehr klare Tendenz in Richtung häufigeren Extremwetters durch den Klimawandel.
„Behörden müssen sich wachsender Risiken bewusst sein“
Die Auswirkungen könnten die früherer Unwetter weit übersteigen, sagte Kreienkamp. „Die lokalen und nationalen westeuropäischen Behörden müssen sich dieser wachsenden Risiken durch Starkregen bewusst sein, um besser auf mögliche künftige Extremwetterereignisse vorbereitet zu sein“, erklärte der Leiter des Regionalen Klimabüros Potsdam des DWD. Enno Nilson von der Bundesanstalt für Gewässerkunde erklärte, die Erkenntnisse würden in Analysen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes einbezogen.
In der Region um die Flüsse Ahr und Erft waren den Angaben zufolge pro Tag durchschnittlich 93 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen - ein Höchststand seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Bei den Überschwemmungen auch um den Fluss Maas in Belgien starben den Angaben zufolge insgesamt mindestens 220 Menschen.
Die 39 Wissenschaftler verglichen die Auswirkungen des heutigen Klimas mit dem Ende des 19. Jahrhunderts, als die globale Durchschnittstemperatur 1,2 Grad weniger betrug. Die Arbeit, für die Wetteraufzeichnungen und Computersimulationen analysiert wurden, entstand im Rahmen der World Weather Attribution Initiative, die mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf extreme Wetterereignisse untersucht. (dpa)