„Doc Caro“Notärztin schlägt Alarm: „Kollegen können nur mit Schmerzmitteln arbeiten“
Essen – In der Pandemie ist sie die starke Stimme der Mediziner: Carola Holzner (38), Notärztin und Bloggerin aus dem Ruhrgebiet, besser bekannt als „Doc Caro“. Sie hat schon den Corona-Politikern den Kopf gewaschen, prägte vor wenigen Wochen den Begriff „mütend“ und traf damit genau das, was viele Menschen empfinden.
- Notärztin Carola Holzner „Doc Caro“ im Interview
- Sie rechnet mit Jan Josef Liefers und Co. ab
- Kollegen können ohne Schmerzmittel nicht mehr arbeiten
Jetzt rechnete sie mit den Schauspielern um Jan Josef Liefers ab, die unter #allesdichtmachen ihre wirren Gedanken zur Corona-Krise verbreiteten.
„Doc Caro“ im EXPRESS-Interview über die Arbeit auf Covid-19-Stationen
Im EXPRESS-Interview verrät „Doc Caro“, warum diese Stars sie wütend machen, wie hart die Arbeit auf Covid-19-Stationen ist und was sie inzwischen zuversichtlich macht.
EXPRESS: Sie haben vor einigen Wochen den Begriff „mütend“ geprägt, der die Gefühlslage vieler Menschen in der Pandemie traf. Hat Sie die Aktion #allesdichtmachen der Schauspieler um Jan Josef Liefers wütend gemacht?
Dr. Carola Holzner: Ja, sie hat mich zumindest zuerst irritiert. Ich musste mir einige Videos zwei Mal anschauen, bevor ich sie – viele davon auch nur teilweise – verstanden habe. Auch mit dem Hinweis, dass es sich um Satire handelt, war mir an vielen Stellen nicht ganz klar, was der Sinn der Aussagen sein soll. Prinzipiell finde ich das Anstoßen von Debatten gut. Aber nicht sarkastisch und zynisch. Und schon gar nicht, wenn man wie ich jeden Tag mit Covid-19-Kranken zu tun hat. Das hat mich wütend gemacht.
Sie haben Liefers und Co. aufgefordert, mal eine Schicht im Rettungsdienst oder auf einer Intensivstation mitzuarbeiten. Hat sich schon ein Schauspieler gemeldet?
Ja, tatsächlich. Zwar nicht Schauspieler, die bei der Aktion mitgemacht haben, sondern Stars, die #allesdichtmachen kritisch sehen. Sie wollen ein Zeichen setzen.
„Doc Caro“: Kollegen können ohne Schmerzmittel nicht mehr arbeiten
Sie kämpfen tagtäglich um das Leben von Covid-19-Patienten. Was war ihre härteste Schicht?
Es gibt viele harte und anstrengende Schichten. Einige Kollegen können ohne Schmerzmittel nicht mehr zur Arbeit kommen, weil ihr Rücken oder die Beine vom vielen Stehen schmerzen.
Manchmal sind Sie und Ihre Kollegen 24 Stunden am Stück im Dienst. Wie schafft man das, wie schalten Sie nach Dienstende ab?
Wir müssen einfach durchhalten. Auch wenn man manchmal nach Dienstschluss einfach nicht abschalten kann. Ich persönlich jogge dann oder gehe reiten.
Sie sind zweifache Mutter. Wie bringen Sie Job und Privatleben unter einen Hut?
Ich habe einen wunderbaren Ehemann, der mich total unterstützt. Wir teilen uns die Arbeit auf.
Wir sind mitten in der dritten Corona-Welle, überall sind die Intensivstationen am Limit. Viele Operationen müssen verschoben werden, damit Covid-19-Patienten behandelt werden können. Wie groß ist die Gefahr etwa für Herz- oder Krebspatienten?
Es darf nicht sein, dass diese Patienten hinten über fallen. Doch in der derzeitigen Situation laufen wir Gefahr, dass es nicht mehr möglich ist, das zu verhindern. Wir haben da Kollateralschäden. Viele Patienten, die kein Corona haben, trauen sich derzeit vielleicht nicht ins Krankenhaus. Das kann im schlimmsten Fall Leben kosten.
Stichwort Triage: Was geht in Ihnen vor, wenn Sie daran denken, dass Sie entscheiden müssen, welcher Patient behandelt wird, welcher nicht?
Diese Entscheidung ist im Rettungsdienst oft nötig, etwa wenn es nach Unfällen viele Verletzte gibt. Das gehört leider zum Arztberuf dazu. Ich wünsche mir aber, dass die Pandemie nicht ursächlich dafür wird, in den Krankenhäusern triagieren zu müssen.
Was war der größte Fehler, den Bundes- oder Landesregierung in der Pandemie gemacht haben?
Es ist nicht mehr der Zeitpunkt, über Fehler in der Vergangenheit nachzudenken, sondern wir sollten jetzt all unsere Energie und all unseren Gehirnschmalz dafür verwenden, möglichst bald das Thema Corona ad acta legen zu können.
Notärztin „Doc Caro“: Mache keine Pläne für den Sommer
Langsam scheint Dampf in die Impfkampagne zu kommen. Sind Sie zuversichtlich?
Ich bin sehr zuversichtlich. Ich hoffe auf die hohe Bereitschaft in der Bevölkerung, sich impfen zu lassen.
Im Oktober erscheint ihr Buch „Eine für Alle: Als Notärztin zwischen Hoffnung und Wirklichkeit“. Glauben Sie, dass wir die Pandemie bis dahin im Griff haben?
Über mein Buch möchte ich erst im Oktober reden, wenn es erscheint. Ob wir die Pandemie bis dahin im Griff haben, weiß ich nicht. Ich hoffe es aber sehr.
Im Juli werden Sie 39. Haben Sie schon Pläne für Ihren Geburtstag?
Für diesen Sommer mache ich keine Pläne. Auch nicht für meinen Geburtstag. Ich hoffe sehr auf den Sommer 2022. Dann werde ich 40. Da hoffe ich, eine Geburtstagsparty schmeißen zu können.