Wie kann das sein?Polizei in Pfefferspray-Falle: Oft wirkungslos

Am Einsatzgürtel eine längliche Dose mit einem roten Knopf, das Pfefferspray.

Düsseldorf – Polizeiobermeister Peter S. (33, Name geändert) hat eine Menge Zeug am Einsatzgürtel, das Leben retten oder schützen soll, auch das eigene: Pistole, Schlagstock, Handschellen. Und eine Dose, die aussieht wie der abgebrochene Griff eines Fahrradlenkers – Pfefferspray.

Immer mehr Polizisten lassen es aber im Spind: Oft wirkungslos, selbstverletzend oder gar abgelaufen.

EXPRESS fand Polizei-Pfefferspraydosen, deren „Mindesthaltbarkeit“ abgelaufen war. Kommissar Heinz K. (32): „Man kann eine neue Kartusche kriegen, aber nur wenn eine da ist.“ Dem widerspricht jedoch ein Düsseldorfer Polizeisprecher: „In allen Inspektionen liegen Ersatzkartuschen.“

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Der Kommissar: „Wenn es drauf ankommt, schieße ich lieber.“ Wie ein Polizist an der Daelenstraße vor zwei Wochen, als er bei einem „Streit“ einem Messer-Mann gegenüberstand. Statt zum Spray zu greifen, schoss der Beamte. Bauchdurchschuss. „Notwehr“, sagt die Staatsanwaltschaft. Der Getroffene überlebte.

Nicht immer ist das so. So starb im Oldenburgischen ein Nackter (31), der mit einem Messer auf einen Beamten losging. Ein Kollege setzte Pfefferspray ein, ohne Erfolg. Dann schoss er. Der Nackte wurde tödlich getroffen.

Nicht selten lichtet Pfefferspray eigene Reihen. Hunderte verletzte Polizisten nach Fußball- oder Demo-Einsätzen! Aber auch bei „gewöhnlichen“ Einsätzen. Wie in Viersen, als ein Verstörter mit Messern herumlief, mit Pfefferspray gestoppt wurde. Zwar wurde der Mann überwältigt, aber sechs Polizisten hatten sich dabei selbst eingesprüht.

Jan Schabaker vom Landesamt für Zentrale Polizeitechnische Dienste (LZPD): „Eine flächendeckende Kritik am Pfefferspray ist nicht bekannt. Es kam in Einzelfällen zu Verletzungen, die wir aber zahlenmäßig nicht erfasst haben.“

Stephan Hegger von der Gewerkschaft der Polizei: (GdP) „Wir halten Pfefferspray für ein geeignetes Distanzmittel. Einzelfälle, in denen es zu Verletzungen bei Beamten kam, stellen es nicht infrage.“

Harald Schneider (ebenfalls GdP): „Reizlos wirkt es bei psychisch Kranken, Angetrunkenen oder Angreifern, die mit Medikamenten oder Drogen zugedröhnt sind. Ich fordere ein Gel-Spray, das teurer aber sicherer ist. Es führt nicht so schnell zu Selbstverletzungen.“ Solche „Gel-Sprays“ haben die OSD-Leute vom Düsseldorfer Ordnungsamt.

Wenn Soldaten Pfefferspray versprühen, verstoßen sie gegen das Biowaffenabkommen. Deutsche Polizisten dürfen jedoch „in Notwehr“ sprayen, was die Dose hergibt.

Den schärfsten Spruch dazu liefert die Schwyzer Kantonspolizei: „Fehlt Deinem Leben die Würze? Wir haben die Lösung. Bewerbe Dich bei der Polizei!“ Daneben abgebildet ist Pfefferspray...

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Harmlos oder riskant: Was ist in der Dose?

Mit schwarzem Pfeffer, wie er in der Küche verwendet wird, hat das Pfefferspray aus der Dose nichts zu tun. Der Wirkstoff Oleoresin Capsicum ist ein synthetisches Produkt des Chili-Wirkstoffs Capsaicin und sorgt, vermischt mit Wasser und Ethanol, für vorübergehende Blindheit, Hustenanfälle und rote Quaddeln.

Kritiker sagen: In Verbindung mit Drogen oder Psychopharmaka ist der Wirkstoff Capsaicin hochriskant. Nach US-Untersuchungen soll es nach Pfefferspay-Einsätzen viele Todesfälle gegeben haben. Die deutschen Befürworter des Reizstoffes meinen, es handelt sich um Phantasiegeschichten.

Ein Chemiker erläutert: Ist das Haltbarkeitsdatum der Pfefferspraydose abgelaufen oder wurde sie nie benutzt, spalten sich in der Dose Wasser und Capsaicin, das sich nach unten absetzt. Mit der Folge: Der Polizist sprüht wirkungsloses Wasser...