Wie aus dem Nichts soll ein Mann in Aschaffenburg arglose Kinder attackiert haben. Für einen Jungen und einen Mann, der helfen will, kommt jede Hilfe zu spät. Die Polizei sucht nach Antworten.
Zwei Tote nach Messer-Angriff im ParkMann (†41) will Kinder retten und muss ebenfalls sterben
Es ist ein frostiger Mittwoch, die Sonne scheint. Doch um die Mittagszeit wird das fränkische Aschaffenburg jäh aus seinem Alltag gerissen. Mitten in einem beliebten Innenstadtpark attackiert ein womöglich psychisch labiler 28-Jähriger nach ersten Polizeierkenntnissen mehrere Kinder mit einem Messer.
Ein zweijähriger Junge marokkanischer Abstammung stirbt und auch einem 41 Jahre alten Deutschen können die Rettungskräfte nicht mehr helfen. „Wir gehen gegenwärtig davon aus, dass dieser Mann zum Schutz der anderen Kinder mutig eingeschritten ist, sich gegen den Täter gewandt hat und dann von diesem Täter selbst tödlich verletzt wurde“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
Ein zweijähriges Mädchen aus Syrien und ein 72-jähriger Deutscher werden schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht, wie das Polizeipräsidium Unterfranken und die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg mitteilten. Das Alter des Mannes war zuerst mit 61 angegeben worden. Eine 59 Jahre alte Erzieherin der Kinder brach sich bei ihrer Flucht einen Arm.
Der Verdächtige konnte kurz nach der Gewalttat festgenommen, das Messer sichergestellt werden. Die Polizei sperrte den Park stundenlang ab und sicherte Spuren.
Eingreifen des Passanten bewahrte weitere Kinder vor dem Tod
Der Tatablauf ist auch Stunden nach der Attacke nicht gesichert. Ob der Festgenommene sich schon zu der Tat geäußert hat, bleibt ungewiss. Er wird wahrscheinlich an diesem Donnerstag einem Haftrichter vorgeführt.
Nach Worten von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gibt es bisher keine Hinweise auf ein islamistisches Motiv. „Im Moment geht die Mutmaßung sehr stark in Richtung seiner offensichtlich psychischen Erkrankungen“, sagt der CSU-Politiker am Abend in Aschaffenburg. In der Unterkunft des Afghanen seien entsprechende Medikamente gefunden worden. Als Extremist war der Tatverdächtige nach Informationen aus Sicherheitskreisen nicht bekannt. Auch Polizei und Staatsanwaltschaft teilten mit, dass es bislang keine Hinweise auf eine radikale Gesinnung des Mannes gebe.
Mutmaßlicher Täter war ausreisepflichtig
Der Mann war laut Herrmann ausreisepflichtig. „Es gab dann wohl ein sogenanntes Dublin-Verfahren, das aber nicht zeitgerecht abgeschlossen werden konnte.“ Das Dublin-Verfahren ist ein Bestandteil des gemeinsamen europäischen Asylsystems. Eine der Regelungen besagt, dass in vielen Fällen der Staat für die Abwicklung des Asylverfahrens zuständig ist, in dem der Geflüchtete zuerst EU-Boden betreten hat.
Zwar hatte der Tatverdächtige nach seiner Einreise im November 2022 einen Asylantrag gestellt. Doch sein Verfahren sei abgeschlossen worden, nachdem er selbst Anfang Dezember 2024 gegenüber den Behörden schriftlich angekündigt habe, ausreisen zu wollen.
Laut Herrmann gab er dabei an, beim afghanischen Generalkonsulat die nötigen Papiere besorgen zu wollen. Daraufhin sei er vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zur Ausreise aufgefordert worden. Ausgereist sei er vor der Tat aber nicht.
Laut Herrmann war der 28-Jährige in der Vergangenheit dreimal wegen Gewalttaten aufgefallen. Deshalb sei er jeweils zur psychiatrischen Behandlung in Einrichtungen eingewiesen worden, dann aber wieder entlassen worden.
Bundesweites Entsetzen
Bundeskanzler Olaf Scholz dringt auf Aufklärung von den Behörden, warum der Verdächtige noch in Deutschland war. „Ich bin es leid, wenn sich alle paar Wochen solche Gewalttaten bei uns zutragen“, lässt der SPD-Politiker mitteilen. „Von Tätern, die eigentlich zu uns gekommen sind, um hier Schutz zu finden. Da ist falsch verstandene Toleranz völlig unangebracht.“ Noch heute Abend soll es ein Gespräch mit den Chefs des Verfassungsschutzes, des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei im Kanzleramt geben. An dem Gespräch nimmt nach Angaben aus Regierungskreisen auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) teil.
Scholz drückt Opfern und Angehörigen sein Mitgefühl aus und spricht von einer „unfassbaren Terror-Tat“. „Aus den gewonnenen Erkenntnissen müssen sofort Konsequenzen folgen – es reicht nicht zu reden.“
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder spricht von einem „entsetzlichen Tag“. „Die schrecklichen Nachrichten aus Aschaffenburg machen uns zutiefst betroffen. Wir trauern um die Opfer einer feigen und niederträchtigen Tat“, teilt der CSU-Chef mit. „Wir trauern um ein kleines, unschuldiges Kind, das tödlich verletzt wurde. Wir trauern um einen Helfer, der seine Zivilcourage mit dem eigenen Leben bezahlt hat.“
Auch andere Politiker drücken ihr Mitgefühl aus.
Fußstreifen oft im Park unterwegs
Die Polizei ist nach dem Angriff am Mittag rasch vor Ort, womöglich auch, weil Fußstreifen regelmäßig in dem Park unterwegs sind. Der Verdächtige wird nach der Attacke von weiteren Passanten verfolgt und später von der Polizei festgenommen. Herrmann hebt hervor, dass durch das mutige Einschreiten dieser Menschen „weitere Kinder vor dem Tod bewahrt“ wurden.
Es vergeht an diesem Mittwoch keine Stunde, da ist die Öffentlichkeit über die Attacke informiert. Polizisten riegeln den Park weiträumig ab, ein Hubschrauber ist im Einsatz. Schaulustigen bleibt der Blick auf den Tatort weitgehend versperrt, es wimmelt vor Polizisten. Hier und da ist Absperrband gespannt. Eine Gefahr für die Bevölkerung bestehe nicht, betonen die Beamten immer wieder. (dpa)