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„Steht schon vor der Tür“Hochwasser und Orkanböen: Behörden warnen vor Sturmflut an Ostseeküste

Eine Sturmflut drückt das Ostseewasser kräftig ans Land und sorgt für erste Überschwemmungen. Für Nachmittag und Abend wird im Norden eine schwere Sturmflut erwartet. In Flensburg könnte es die höchste seit 100 Jahren werden. Schon vorher aber hatten Einsatzkräfte gut zu tun.

Im Norden Deutschlands ist es aktuell so richtig ungemütlich: Die Wellen der Ostsee donnern mit Wucht an die Hafenanlagen, Straßen sind von Wasser überschwemmt, schwere Äste stürzen auf Autos und Gleise.

Das Sturmtief über der Ostsee hat am Freitag (20. Oktober 2023) bereits spürbare Auswirkungen und sorgt für erste Schäden an Land. Und das, obwohl das Hochwasser noch längst nicht den erwarteten Höchststand erreicht hat. Denn das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie erwartet für die Kieler und Lübecker Bucht erst für den Freitagnachmittag und -abend den Höhepunkt der schweren Sturmflut.

Schwere Sturmflut an der Ostsee – Rekord-Wasserstand erwartet

In der Flensburger Förde können Wasserstände bis zu 2,00 Meter über das mittlere Hochwasser steigen, teilte das Amt auf seiner Internetseite mit. Damit wird dort voraussichtlich der höchste Wasserstand seit mehr als 100 Jahren eintreten.

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Am Vormittag und Mittag sind die Einsatzzahlen bei den Feuerwehren zunächst übersichtlich: „Wir haben bislang keine hochwasserbedingten Einsätze und müssen im Moment vor allem wegen des Sturms zu Einsätzen ausrücken“, sagte eine Sprecherin der Feuerwehr der dpa.

Am Nachmittag sollte die Kiellinie aus Sicherheitsgründen für den Verkehr gesperrt werden. In Kiel-Schilksee waren am Donnerstagnachmittag mehrere Strandkörbe ins Wasser gezogen worden. „Da ist das Wasser schon ungewöhnlich hoch. Etwa 150 Strandkörbe sind dort geborgen worden“, sagte eine Polizeisprecherin dazu.

Auch in Flensburg war die Lage zunächst noch überschaubar, wie eine Polizeisprecherin sagte. „Das Wasser kommt, es ist schon sehr weit gedrungen, es steht schon vor der Tür.“ Im Kreis Schleswig-Flensburg waren bereits rund 30.000 Sandsäcke an die betroffenen Ämter und Gemeinden ausgeteilt worden, weitere 40.000 standen bereit.

In der Lübecker Bucht war das Wasser am Mittag ebenfalls bereits an vielen Stellen über die Ufer getreten. Zudem blockierten ungesicherte Gegenstände sowie umstürzende Bäume teilweise die Fahrbahnen in Lübeck und im Kreis Ostholstein. Polizei und Feuerwehr schleppten Fahrzeuge aus dem Gefahrenbereich und sperrten Straßen ab.

Auf Fehmarn waren am Freitag die freiwilligen Seenotretter der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger zehn Urlaubern und einem Hund zu Hilfe gekommen, die auf ihren Hausbooten vom Sturm überrascht wurden. Sie mussten die schwimmenden Unterkünfte verlassen und wurden an Land gebracht.

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In Mecklenburg-Vorpommern soll die Flut allenfalls nahe der Lübecker Bucht das Niveau einer schweren Sturmflut erreichen. Die zuständigen Landesbehörden rechnen jedoch aufgrund des Küstenschutzes kaum mit Schäden durch das aktuelle Hochwasser. Lediglich an den Boddengewässern, also den mit der Ostsee verbundenen Buchten, könne es vereinzelt zu nennenswerten Überflutungen kommen.

Wegen des Sturms konnten die Schulleitungen in Mecklenburg-Vorpommern selbst entscheiden, ob der Nachmittagsunterricht am Freitag stattfinden soll. Der für Samstag geplante Rügenbrücken-Marathon in Stralsund ist wegen des Sturmtiefs aus Sicherheitsgründen abgesagt worden.

Das Technische Hilfswerk (THW) ist zudem auf zahlreiche Einsätze wegen einer schweren Sturmflut an der Ostseeküste vorbereitet. „Wir beobachten die Lage und stehen bereit, mit unseren vielfältigen Möglichkeiten während und nach der Sturmflut Hilfe zu leisten“, teilte THW-Präsidentin Sabine Lackner dazu mit.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) geht davon aus, dass das Sturmtief über der Ostsee am Freitagnachmittag seinen Höhepunkt erreichen und nach Mitternacht langsam abklingen wird. „Bis etwa zwei Uhr nachts sind dann an der Ostseeküste und den Inseln orkanartige Böen möglich“, sagte DWD-Meteorologin Anne Wiese der dpa in Hamburg. Dabei werden Temperaturen von acht bis zehn Grad erwartet.

Fähren bleiben in Nord- und Ostsee an Land – Einschränkungen auch auf Schiene und in der Luft

Der gleiche Wind, der an der Ostsee das Wasser ans Land drückt, drückt an der Nordsee das Wasser weg und es kommt deshalb zu extrem niedrigen Wasserständen. Auch das hatte am Freitagmorgen bereits Auswirkungen auf den Schiffverkehr. So sind zahlreiche Fähren zu den Nord- und Ostfriesischen Inseln ausgefallen. Auch am Samstag sollten einige Fähren im Hafen bleiben.

„Das ist momentan extrem hier mit dem Wind und dem Wetter. Das hat man nicht oft“, sagte Betriebsleiter Nick Obert von der Wyker Dampfschiffs-Reederei zum extremen Niedrigwasser. „Das ist sehr außergewöhnlich. Da, wo sonst eine kleine Sandbank ist, ist jetzt eine riesengroße Sandbank. Man sieht deutlich mehr Sand und Schlick als sonst.“

Auch in der Ostsee stellten Fähren zeitweise den Dienst ein. So fuhr in Travemünde die Fähre zum Priwall teilweise nicht mehr, in Kiel wurde die Fördefährlinie zwischen der Bahnhofsbrücke in der Innenstadt und Laboe eingestellt. Der Sturm über der Ostsee stoppte auch den deutsch-dänischen Fährverkehr auf den Strecken Puttgarden-Rødby und Rostock-Gedser vorübergehend.

Am Kopenhagener Flughafen fiel am Freitag aufgrund des Sturms über der Ostsee rund jeder zehnte Flug aus. Und wegen eines umgestürzten Baumes auf der Strecke zwischen Neumünster und Brokstedt wurde der Regionalverkehr zwischen Hamburg und Kiel zum Teil eingestellt.

Sturmfluten in den vergangenen Jahren an der Ostsee

Die Ostsee-Küste wird immer wieder von verheerenden Sturmfluten heimgesucht. Sturmfluten entstehen durch starken Wind, der das Wasser an die Küste drückt. Im Januar 2017 wurden Pegelstände bis zu 1,83 Meter gemessen, Teile Mecklenburg-Vorpommerns und Schleswig-Holsteins wurden zerstört.

Eine ähnliche Sturmflut mit Wasserständen von mehr als 1,7 Metern gab es im November 2006. Die Ämter bezifferten damals den Schaden auf mehrere Millionen Euro. Noch höhere Pegel von fast zwei Metern über Normal wurden bei der Sturmflut im Februar 2002 gemessen. Orte von der Nordseeinsel Borkum bis Greifswald wurden verwüstet.

Bei der schwersten Sturmflut an der südwestlichen Ostseeküste starben 1872 etwa 275 Menschen. Betroffen waren zahlreiche Orte an der dänischen und deutschen Küste. Die Insel Usedom wurde in zwei Teile gerissen. Das Wasser stand bis zu 2,80 Metern über Normal.