Nach den Unwettern in Deutschland stellt sich die Frage: Wurde die Bevölkerung rechtzeitig gewarnt? Eine britische Hochwasser-Expertin kritisiert die Maßnahmen. ARD-Wetterexperte Sven Plöger sieht das anders.
Unwetter-WarnungBritische Expertin mit schweren Vorwürfen – ARD-Experte kontert
Köln. Warum mussten so viele Menschen bei den Unwettern in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sterben? Hat dabei das Katastrophen-Warnsystem in Deutschland versagt?
Jetzt hat sich die britische Hochwasser-Expertin Hannah Cloke, Professorin für Hydrologie an der Universität Reading, zu Wort gemeldet. Sie gibt der Bundesregierung und dem deutschen Katastrophenschutz-System eine Mitverantwortung für die verheerenden Folgen der Flut.
Wurden die Daten des europäischen Hochwasser-Warnsystems nicht beachtet?
Hannah Cloke hat auch das europäische Hochwasser-Warnsystem „Efas“ mitentwickelt. Gegenüber der britischen Zeitung „The Times“ betonte sie, dass „Efas“ bereits am 10. Juli (vier Tage vor Beginn der Überschwemmungen) eine Warnung an die deutsche und die belgische Regierung übermittelt habe.
Demnach seien den Behörden detaillierte Diagramme übermittelt worden. In diesem Zusammenhang titelte die „Times“: „Deutschland wusste, dass die Flut kommt, aber die Warnungen haben nicht funktioniert.“
„Die Leute hätten Warnungen erhalten sollen. Die Leute sollten die Warnungen verstanden haben. Es nützt nichts, riesige Computermodelle zu haben, die vorhersagen, was passieren wird, wenn die Leute nicht wissen, was sie bei einer Flut tun sollen“, erklärte Cloke der „Times“.
Die Hochwasser-Expertin weiter: „Die Tatsache, dass Menschen nicht evakuiert haben oder die Warnungen nicht erhalten haben, legen nahe, dass etwas schiefgegangen ist.“ Sie spricht sogar von einem „monumentalen System-Versagen“.
ARD-Wetterexperte Sven Plöger mit Erklärungsversuch
Wie früh kann seriös vor einem Unwetter gewarnt werden? Genau dieses Thema wurde auch am Sonntagabend (19. Juli 2021) in der Sondersendung ARD-„Brennpunkt“ angesprochen.
ARD-Wetterexperte Sven Plöger: „Wir konnten schon viele Tage vorher eine Einschätzung abgeben. Wir wussten da kommt was. Wir haben gewarnt. Wir haben sehr deutlich gewarnt. Wir haben auch in den Litern pro Quadratmeter oft Abschätzungen von 150 bis 200 abgegeben – und das zwei, drei, vier Tage vorher.“
Problem – „Wenn man sich bei Modellläufen das mal genauer anschaut, wie beispielsweise bei der Stadt Aachen: Drei Tage vor dem Ereignis am 15. Juli gab es Modellläufe zwischen 20 und 150 Liter Niederschlag auf den Quadratmeter. Da gehört dann viel meteorologisches Abwägen dazu. Am Ende ist es auch gefährlich, wenn man zu viel warnt und dann in der Bevölkerung ein Abstumpfen eintritt“, versuchte Plöger das Dilemma zu erklären. Klar sei auch: „Zu wenig warnen ist natürlich ganz schlecht.“
NRW-Ministerium: Unwetterwarnung an Städte und Kreise weitergeleitet
Derweil hat das nordrhein-westfälische Innenministerium nach eigener Darstellung in der vergangenen Woche Unwetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) an die Städte und Kreise weitergeleitet. Grundsätzlich gelte im Katastrophenschutz aber ein Örtlichkeitsprinzip, so dass über Schutzmaßnahmen vor Ort zu entscheiden sei, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. (mt/dpa)