„Scheinwahl“ in BelarusMachthaber bleibt im Amt – und zahlt dafür hohen Preis an Putin

Faire und freie Wahlen gibt es in Belarus nicht. Machthaber Lukaschenko will fünf weitere Jahre an der Spitze des Landes bleiben. Dabei wächst seine Abhängigkeit von Russland.

Bei der als Farce kritisierten Präsidentenwahl hat sich Machthaber Alexander Lukaschenko selbstbewusst für eine siebte Amtszeit gezeigt. „Erkennen sie diese Wahlen an, oder nicht, das ist Geschmackssache. Mir ist das völlig schnuppe“, sagte Lukaschenko vor Journalisten in Minsk auf eine Frage zur Nichterkennung der Abstimmung von der EU. Zugleich sagte er, dass er aus Verantwortungsbewusstsein so lange an der Macht bleibe, wie sein Umfeld ihn trage. Er sei aber bereit, das Zepter der Macht einer jüngeren Generation zu übergeben, sollte sich ein geeigneter Kandidat finden.

Die Wahlleitung gab die Beteiligung vier Stunden vor Schließung der Wahllokale am Nachmittag mit 75,49 Prozent an, mehr als 2020. Aufgerufen zur Abstimmung waren rund 6,9 Millionen Wahlberechtigte. Es galt als sicher, dass der als letzter Diktator Europas bezeichnete Lukaschenko (70) sich nach 30 Jahren an der Macht erneut zum Sieger erklären lassen wird. Die vier Mitbewerber in der Ex-Sowjetrepublik gelten als reine Statisten.

Alexander Lukaschenko bleibt in Belarus an der Macht

Die Wahllokale schließen um 18.00 Uhr MEZ (20.00 Uhr Ortszeit). 2020 hatte ihm die Wahlkommission 80,1 Prozent der Stimmen zugesprochen – bei 84,38 Prozent Wahlbeteiligung. Das hatte landesweit Massenproteste ausgelöst, die Lukaschenko gewaltsam niederschlagen ließ - mit Russlands Hilfe. 300.000 Menschen haben nach Schätzung der Vereinten Nationen Belarus seither verlassen.

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Gut vier Jahre nach den Massenprotesten gegen Lukaschenkos Dauerherrschaft sind Oppositionelle entweder ins Ausland geflüchtet oder im Gefängnis. Menschenrechtler kritisieren, dass mehr als 1.200 Menschen in politischer Gefangenschaft sitzen. Belarus ist auch das letzte Land in Europa, in dem noch Todesstrafen vollstreckt werden - per Genickschuss. Wer sich kritisch äußert in dem Land, riskiert Haft. Die Medien sind gleichgeschaltet, viele unabhängige Nachrichtenportale sind blockiert.

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sprach in Brüssel von einer Scheinwahl und von einem „Affront gegen die Demokratie“ in Belarus. Lukaschenko klammere sich an die Macht, habe aber keine Legitimität, schrieb sie auf X.

Opposition fordert Nichtanerkennung der Wahl

Die Opposition im Exil zeigte sich uneins, wie sie mit der Abstimmung umgehen soll. Teile riefen zum Boykott auf, andere dazu, die Möglichkeit „gegen alle“ auf dem Wahlzettel zu nutzen. Das Lager um die Anführerin Swetlana Tichanowskaja, die 2020 nach Meinung vieler die Wahl gewonnen hatte, rief die internationale Gemeinschaft auf, weder die Wahl noch Lukaschenko als Präsidenten anzuerkennen. Das Land ist nicht nur wegen politischer Repressionen, sondern auch wegen der Unterstützung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit westlichen Sanktionen belegt.

Lukaschenko hatte vor der Wahl wiederholt politische Gefangene begnadigt – mehr als 200 insgesamt. Damit verbindet er nach Meinung von Experten vor allem die Hoffnung, dass der Westen doch wieder den Dialog aufnimmt. Bei der Pressekonferenz in Minsk betonte er indes erneut seine Bereitschaft, den Kontakt wieder aufzunehmen.

Nach langer Sorge um die Gesundheit der bekanntesten inhaftieren Oppositionellen Maria Kolesnikowa erlaubte Lukaschenko zuletzt auch einen Besuch ihres Vaters und schloss eine Begnadigung nicht aus. Zu sehen waren zudem Bilder des inhaftierten früheren Bankmanagers Viktor Babariko, der 2020 als aussichtsreichster Bewerber nicht zugelassen wurde zur Wahl.

Experte: Wieder mehr Rückhalt für Lukaschenko

Der im Exil im Ausland lebende Politologe Waleri Karbalewitsch sieht ein Land in Angst: Lukaschenkos Apparat fürchte neue Proteste und habe deshalb schon vor der Abstimmung Vertreter in Institutionen Unterstützerunterschriften sammeln lassen. „Die ganze Staatsmaschinerie steht Kopf, obwohl es nicht die leisesten Hinweise auf Protest und auch keinen Kandidaten als Alternative gibt“, sagte er. Der schon zu Sowjetzeiten wegen seiner Brutalität gefürchtete Geheimdienst KGB hält Belarus fest im Griff.

Und auch die Wähler seien verängstigt, weil ihnen schon Strafverfolgung drohe, wenn sie etwa auf dem Mobiltelefon kritische Informationen lesen, sagte Karbalewitsch der Deutschen Presse-Agentur. Lukaschenko wolle sich mit der nun im Winter angesetzten Abstimmung frisch legitimieren. Eigentlich wäre der reguläre Termin im Sommer gewesen.

Lukaschenko nutze derzeit eine gewisse Konsolidierung der Gesellschaft, weil die Kritiker weg seien. Zudem setze er sich vor allem mit Blick auf den Krieg in der benachbarten Ukraine als Wahrer des Friedens und der Stabilität in Szene. „Er hat auch Rückhalt von vielen, die 2020 gegen ihn waren, die aber schon damals auch prorussisch eingestellt waren und jetzt wieder auf Linie sind“, erklärte Karbalewitsch. Kremlchef Wladimir Putin hatte Lukaschenko damals trotz Hoffnungen vieler Demonstranten in Belarus nicht fallengelassen.

Für Machterhalt zahlt Lukaeschenko hohen Preis und ist abhängig von Putin

Der Experte Karbalewitsch erwartet, dass der zuletzt auch von Gesundheitsproblemen geplagte Lukaschenko bis an sein Lebensende an der Macht bleiben will. Die Chancen stünden nicht schlecht, „weil derjenige, der mit Russland befreundet ist, Gas und Öl zu niedrigen Preisen und den atomaren Schutzschirm erhält“. Inzwischen gehe es Belarus auch wirtschaftlich besser, weil die Betriebe des Landes für Russlands Kriegswirtschaft produzieren.

Der Preis für Lukaschenkos Machterhalt sei eine immer größere wirtschaftliche, finanzielle und politische Abhängigkeit von Putin. „Souveränität aber hat Belarus immer weniger“, sagte Karbalewitsch. Gleichwohl sieht er wegen des starken Widerstands in Minsk keine akute Gefahr, dass Russland sich den Nachbarn einverleibt. (dpa)