Wurde die Politik falsch beraten?Wirbel um Haseloff-Aussagen bei „Markus Lanz“

Reiner Haseloff (Bildhintergrund) geriet bei„Markus Lanz“ am 30.11. mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil aneinander.

Reiner Haseloff (Bildhintergrund) geriet bei „Markus Lanz“ am 30.11. mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil aneinander.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) erzeugte bei „Markus Lanz“ ordentlich Gegenwind, nachdem er den Anschein erweckt hatte, er fühle sich von den Pandemie-Experten fehlerhaft beraten. Auch mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil bekam sich Haseloff in die Haare.

Immer wieder werden in der Pandemie Stimmen laut, die Politik habe Warnungen ignoriert. Teils ist sogar von Politik-Versagen im Umgang mit dem Coronavirus die Rede. Bei „Markus Lanz“ drehte der zugeschaltete CDU-Politiker Reiner Haseloff, seines Zeichens Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, am Dienstag jedoch den Spieß um.

Seine Äußerungen legten den Schluss nahe, die Politik sei aus Kreisen der Wissenschaft falsch beraten worden. Die Prognosen, insbesondere aus der Medizin und aus der Politikberatung, hätten „die Wirksamkeit der Maßnahmen eindeutig falsch eingeschätzt“, behauptete Haseloff.

Unter anderem der Virologe Christian Drosten hätte lange Zeit vermittelt, dass man mit zwei Impfungen einen hohen Immunisierungsgrad erreicht - daher sei die Kampagne für Booster-Impfungen erst seit Kurzem im Gange. Er habe sogar einen Zettel mit entsprechenden Zitaten vorbereitet, kündigte Haseloff eine Beweisführung für seine Behauptungen an. Zum Einsatz kam der Zettel trotz wiederholter Nachfragen von Markus Lanz aber nicht.

Alles zum Thema Markus Lanz

Während man den zugeschalteten Haseloff auf dem großen Bildschirm im Hintergrund seinen Punkt ausführen sah, wedelte Virologin Professor Helga Rübsamen-Schaeff im Vordergrund energisch mit dem Finger. Auch die Journalistin Kristina Dunz zeigte eine sichtlich ablehnende Reaktion. „Ich erinnere mich an Erklärungen und Warnungen von Virologinnen und Medizinern, die gesagt haben: Wir wissen noch nicht, ob wir boostern müssen“, bekräftigte Dunz. Ihr als Zweifach-Geimpfter sei immer klar gewesen, dass eine Booster-Impfung nötig sei.

Virologin: Im Frühherbst „hätte man schon reagieren können“

Dunz führte aus, dass die Politik sehr wohl Schuld an der jetzigen Situation hätte. Die Impfpflicht zunächst auszuschließen, sei ein Fehler gewesen. Man habe gedacht, bis kurz vor der Bundestagswahl eine Lage zu haben, in der viele Gefahren eindämmt seien. Dann habe man „brutalen Wahlkampf gemacht“. Zudem sei „mit Querdenkern, mit AfD-Menschen, mit Impfgegnern sehr milde umgegangen worden“. Damit sei die Impfquote ein Stück weit kaputt gemacht worden.

Auch Virologin Rübsamen-Schaeff hatte gegenüber Haseloff etwas klarzustellen: „Ich habe immer gesagt: Das ist ein neues Virus, das ist ein neuer Impfstoff. Wir müssen erst Erfahrungen damit sammeln.“ Die Frage sei gewesen, wie lange die Impfstoffe durchhalten. „Im Juli hat man das gewusst“, erklärte die Virologin. Daten aus Israel, wo sehr früh geimpft wurde, hätten damals schon vorgelegen. „Das sind alles Dinge, die haben wir im Frühherbst gehabt und da hätte man schon reagieren können“, monierte die Impfstoff-Expertin.

Reiner-Haseloff ruderte daraufhin etwas zurück. „Falsch beraten“ müsse man so verstehen, dass man in einem „lernenden System unterwegs war“. Er mache dementsprechend niemandem einen Vorwurf. Aber: „Da kann man doch die Politik, die am Ende dieses Forschungsprozesses steht, doch nicht allein dafür verantwortlich machen, dass wir jetzt in der vierten Welle sind.“

Haseloff genervt: „Da können Sie ruhig lachen, Herr Klingbeil!“

Doch nicht nur mit den zwei Frauen in der Runde, auch mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil war der CDU-Politiker geteilter Meinung. Haseloff erklärte, die Ampel müsse nun reagieren, er selbst sei da „kein Parteipolitiker“ - was Klingbeil mit einem Seufzer quittierte. „Da können Sie ruhig lachen, Herr Klingbeil!“, entgegnete der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident. Wenn Klingbeil so lange im Geschäft wäre wie er, wüsste er, dass „mit Parteipolitik Krisen nicht bewältigt werden“, sondern indem man zusammenstehe.

„Vielen Dank erst mal für die Tipps, die ich anscheinend als junger Politiker noch brauche“, antwortete Lars Klingbeil sarkastisch. Er sei sehr zufrieden mit dem gemeinsamen Weg, den 16 Ministerinnen und Minister mit der noch amtierenden Bundeskanzlerin und dem kommenden Bundeskanzler Olaf Scholz gefunden hätten. Er stimmte Haseloff zu, dass Parteipolitik in der Corona-Krise keine Rolle spielen sollte, aber wurde in Richtung Sachsen-Anhalt deutlich.

Klingbeil echauffiert sich über 50.000 Stadionbesucher in Köln

Haseloff brauche nicht so zu tun, als ob das kommende Infektionsschutzgesetz ihm als Ministerpräsidenten nicht die Möglichkeit gegeben hätte, in den letzten Tagen schon Schließungen vorzunehmen. „Natürlich können Sie das. Sie müssen das im Landtag beschließen!“, wurde Klingbeil deutlich.

Auch in Richtung Nordrhein-Westfalen setzte der für den SPD-Vorsitz gehandelte Politiker eine Spitze: „Wenn ich den Nachfolger von Herrn Laschet, Herrn Wüst, sehe, der so tut, als ob er nicht verhindern kann, dass in Köln 50.000 Leute im Fußballstadion sind, dann ist das einfach unredlich, weil das hätte ein Ministerpräsident verhindern können.“ Auch CSU-Chef Markus Söder „hätte umfangreich Maßnahmen auf den Weg bringen können“, blickte Klingbeil auch nach Bayern. „Aber er ruft nach Berlin und tut so, als ob da nichts gemacht wird.“ (tsch)