Kurz vor Trumps Amtsantritt warnte Joe Biden in seiner Abschiedsrede mit Blick auf Elon Musk und andere reiche Akteure in Trumps Umfeld vor einer „heraufziehenden Oligarchie“. Droht eine neue Weltordnung? Zumindest in einem Punkt sind sich die Gäste von Maybrit Illner im ZDF einig: Es wird ungemütlich.
Maybritt IllnerRicarda Lang muss harte Kritik einstecken: „Das Über-Woke hat die Leute genervt“
Am 20. Januar 2025 wird Donald Trump als 47. US-Präsident vereidigt. Schon jetzt skizziert er eine neue Weltordnung: Panama-Kanal und Grönland sollen seiner Vorstellung nach unter US-Kontrolle fallen, Kanada am besten ein US-Bundesstaat werden: „Geschickt wie ein Golf-Spieler haut er raus und schaut hinterher am Putt, wie man einlochen kann“, beschrieb Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios in Washington, bei Maybrit Illner die Pläne des Milliardärs.
Auch wenn Trump nicht alles umsetzen werde, was er jetzt ankündige - hinschauen müsste man genau, empfiehlt Theveßen, „weil es die Demokratie erodiert und eine neue Art von Weltordnung aufmacht.“ Europa stehe „unter Druck, Antworten zu finden“.
CDU-Mann Röttgen: „Müssen als Europäer ein eigenständiger Akteur und Faktor werden“
„Die einzige Antwort ist europäische Selbstständigkeit“, lag diese für Norbert Röttgen (CDU), Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, auf der Hand: „Wir müssen als Europäer ein eigenständiger Akteur und Faktor werden, sonst laufen wir immer hinterher.“ In diesem Sinn hätte Trump bereits für eine neue Weltordnung gesorgt.
Und das noch vor seinem Amtsamtritt, machte Wolfgang Ischinger, der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, deutlich. Der Experte wollte den jüngsten Aussagen nicht zu viel Bedeutung beimessen: „Was wir haben, ist Geplänkel. Das sind Themen zweiten oder dritten Ranges.“ Zum Teil wären sie nur in die Luft geschossen, wie etwa die Forderung an die Nato-Mitgliedsstaaten, fünf Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben.
Auch die USA würde diese Zahl nicht erreichen, erklärte Theveßen. Vielmehr lautete die Forderung, dass Europa für sich selbst sorge. „Das ist das Ziel von Trump: Nicht unbedingt fünf Prozent, aber 3,5 Prozent sollten es bitteschön sein“, meinte er, denn: Trump wolle sich auf die USA konzentrieren und das, was im Hinterhof Europas abliefe, den Europäern überlassen.
Ricarda Lang: „Unterstützung der Ukraine wird zum Spielball für Macht im Wahlkampf“
Dazu gehört der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Noch vor einigen Monaten wollte Trump diesen binnen eines Tages beenden. Mittlerweile wäre von 100 Tagen bis sechs Monaten die Rede. Darüber hinaus, wusste Theveßen, stünden laut künftigem US-Außenminister Marco Rubio sowohl die Krim- als auch die Ostgebiete zur Disposition. „Das bedeutet, dass territoriale Souveränität für Trump unwichtig“ wäre, analysierte der ZDF-Experte, „was immer am Ende dazu führt, dass Trump den Friedensnobelpreis für sich reklamieren kann, wird er in Verhandlungen (mit Putin, Anm.d.Red.) mitnehmen.“
Der künftige US-Präsident war nicht der Einzige, dem in der Sendung vorgeworfen wurde, vom Leid der Ukrainer zu profitieren. Auch hierzulande würde die „Unterstützung der Ukraine zum Spielball für Macht im Wahlkampf“, empörte sich Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang darüber, dass Noch-Kanzler Olaf Scholz nicht sofort drei Milliarden Euro an Ukraine-Hilfe zur Verfügung stellte. Vor einigen Monaten wäre es so ein relevantes Thema gewesen, dass man daran die Ampel zerbrechen ließ. Die Hilfen im Wahlkampf abzusprechen, finde sie „unredlich“.
Noch deutlicher äußerte sich Röttgen zu diesen „billigen Winkeladvokatentricks“ auf dem „Rücken der Ukrainer“. Der SPD-Spitzenkandidat würde diesen Vorwurf „mit Abscheu und Empörung zurückweisen“, beendete Moderatorin Illner stellvertretend für Scholz die Diskussion.
Norbert Röttgen (CDU): Musk sucht sich „nützliche Idioten“
Mit dem deutschen Wahlkampf ging es aber weiter. Schließlich hatte sich Trump-Freund Elon Musk kürzlich in ebendiesen eingemischt und über seine Social-Media-Plattform X die AfD und Alice Weidel als Rettung für Deutschland beworben.
Der Chef von Tesla, SpaceX, Starlink und anderer Firmen wolle eine Polygarchie herstellen, in der sich „sehr reiche Männer gegenseitig Macht aufteilen“, kritisierte Lang. Es würden gezielt Parteien unterstützt, die die Demokratie destabilisieren. „Was nett als Bürokratieabbau bezeichnet wird, ist nichts anderes als eine Schwächung des Staates.“ Multimilliardäre könnten sich das erlauben. „Was bedeutet es aber für normale Leute: weniger Kitas, weniger Polizei und der Kampf um die Freiheit vieler oder weniger Reicher.“
Auch Röttgen hielt die Werbung für die AfD für gefährlich. „Wenn er für die Grünen wirbt, ...“, holte der CDU-Politiker aus, kam aber ins Stocken. „Er sucht sich nützliche Idioten, um demokratische Rechtsstaaten zu destabilisieren“, fand er schnell seinen Redefluss wieder, „diese unterstützt er und sie müssen nach seiner Pfeife tanzen. Deshalb ist auch Trump sein Vehikel. Für Trump wiederum ist Musk ein Vehikel“, meinte er und fügte hinzu: „Wann es da kracht, ist bloß eine Frage der Zeit.“ Auch Diplomat Wolfgang Ischinger sieht den „Konflikt, der offen daliegt zwischen den Zielen eines Elon Musk und den Zielen des MAGA-Amerika“.
Digital-Experte Achim Berg: „Dann haben wir die Diskussionen nicht am rechten Rand“
Dass beide Politiker sowie Ischinger die Hand hoben, als Illner fragte: „Wer ist auf X?“, nahm Digital-Experte Achim Berg auf die leichte Schulter. „Musk kann schießen, es muss aber auch Effekte haben“, erklärte der Investor und ehemalige Bitkom-Präsident, der selbst - wie Theveßen - vor Jahren die Plattform verlassen hatte. Noch wäre nicht klar, ob die AfD davon profitiere. Sicher wäre hingegen, dass man sich über Musks Aussagen Gedanken machen würde. „Wir spielen mit“, erkannte Röttgen den eigenen Fehler.
Generell hätte er sich gewundert, dass Tech-Giganten wie Musk, Mark Zuckerberg und Larry Page ihr Fähnchen im Wind gedreht hätten, führte das aber auf kommerzielle Gründe zurück. Insbesondere von Musk könne man lernen, plädierte Berg: „Musk geht hin, hat eine Idee, teilt diese Idee in viele kleine Teile und zieht sie durch. Er ist schnell und lässt sich von Hindernissen nicht abbringen“, argumentierte er.
Auch Trump hätte in seiner ersten Amtszeit etwa die Unternehmenssteuer gesenkt und die Möglichkeit geschaffen, dass große Unternehmen ihr Auslandsvermögen in den USA geringer versteuerten. Solche Maßnahmen würden hierzulande helfen, denn die Wirtschaft wäre ein entscheidender Faktor im Wahlkampf. „Wenn es eine prosperierende Wirtschaft gibt und es den Leuten gut geht, haben wir die Diskussionen nicht am rechten Rand“, betonte er.
In den USA könnte man solche Maßnahmen durchsetzen. In Europa gäbe es Spielregeln, konterte Lang. „Ein bisschen Disruption würde uns guttun“, richtete Berg den Blick konkret auf die Grüne-Politikerin, „das Über-Woke hat die Leute genervt.“
„Wo denn?“, fühlte die sich sichtlich angegriffen. „Bei jedem Brief muss man vorsichtig sein. Es ist richtig, dass man sich um Klimaschutz kümmert, aber es ist nicht richtig, das nach vornzuschieben. Das ist zu viel des Guten“, forderte er die Regierenden, pragmatisch zu bleiben und disruptiver zu sein.
Norbert Röttgen (CDU): „Es ist ein historischer Moment, der an Deutschland liegt“
Einen anderen Rat hatte Ischinger für die künftige Bundesregierung: „Hüten wir uns davor, die Rolle des Lehrmeisters aus Europa zu sein“, plädierte er dafür, dass die 27 EU-Länder „mit einer Stimme den Amerikanern sagen: So geht ihr nicht mit Dänemark um“.
„Das Europa der 27 wird nicht zusammenkommen aus innenpolitischen Verhältnissen“, wies Röttgen auf die Spaltung innerhalb der EU, „darum wird die nächste deutschen Regierung den entscheidenden Schlüssel haben, ob Europa zu Selbstständigkeit kommt. Es ist ein historischer Moment, der an Deutschland liegt.“
Da musste ihm Ischinger beipflichten: „Nach 35 Jahren, in denen keine große Initiative von Deutschland in der Europapolitik ausgegangen ist, ist es an der Zeit, wieder eine große Initiative zu starten.“ (tsch)