Von 1998 bis 2005 war Joschka Fischer unter Gerhard Schröder Außenminister. Heute ist eine rot-grüne Koalition rechnerisch unwahrscheinlich, Altkanzler Schröder in Verruf geraten. Sein ehemals skandalgeplagter Außenminister gibt derweil den „Elder Statesman“ - auch bei „Caren Miosga“.
Bei „Caren Miosga“Joschka Fischer fürchtet das Ende des Westens: „Ich beneide Friedrich Merz nicht“
An kaum einem anderen Grünen-Politiker ist der Wandel der Partei so deutlich zu erkennen wie an dem ehemaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer.
Einst dem linken Flügel der Partei zugehörig - mitsamt skandalträchtiger Aktivisten-Vergangenheit -, ist aus Fischer mittlerweile ein „Elder Statesman“ geworden, der die Verteidigungsfähigkeit Europas anmahnt. Am Sonntagabend ist Fischer zu Gast bei „Caren Miosga“ im Ersten.
Joschka Fischer: Trumps Verhalten ist „Vertrauensbruch, wie man ihn sich schlimmer nicht vorstellen kann“
Natürlich geht es in der Sendung um deutsche Außenpolitik. Diese müsse sich deutlich verändern: Donald Trump ist erneut US-Präsident und hat dem Rest der Welt einen Handelskrieg erklärt.
Schon bei der ersten Wahl Trumps im Jahr 2016 hatte Fischer ein baldiges Ende des Westens gesehen. Ähnlich klingt er heute: „Die Wahl Trumps zum US-Präsidenten lässt die These realistisch erscheinen, dass es das war mit dem Westen.“ Auch das Verhältnis zwischen den USA und Kanada sei durch Trump so schlecht wie selten in der Geschichte.
Gleichzeitig habe Trump auch das Vertrauen Europas in die Vereinigten Staaten erschüttert. „Die Art und Weise, wie er mit Partnern umgeht, vor allem auch wie er mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj umgegangen ist, ist ein Vertrauensbruch, wie man ihn sich schlimmer nicht vorstellen kann“, betont Fischer.
Europa müsse „zur Kenntnis nehmen, dass wir allein sind und dass wir nur noch auf unsere eigene Stärke vertrauen können“. Man sollte nichts tun, um den Bruch mit den USA zu vertiefen, so Fischer: „Aber wir müssen uns ernsthaft darauf vorbereiten, dass wir im Ernstfall allein sind.“ Europa und Deutschland müssen sich laut Fischer darauf vorbereiten, abschreckungsfähig zu werden. Dazu zwinge auch der russische Präsident Wladimir Putin.

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Donald Trumps Wiederwahl könnte das Ende des Westens besiegelt haben, glaubt der ehemalige Grünen-Spitzenpolitiker Joschka Fischer. (Bild: ARD/Thomas Ernst)
Fischer befürchtet einen Handelskrieg mit den USA. „Die Welt wird dadurch nicht sicherer, sie wird sich nicht weiter entwickeln, die Demokratie wird ohne die USA schwächer. Auch der globale Handel hat ja zur Entwicklung des Wohlstandes einiges beigetragen“, führt er aus. Die Destabilisierung des Welthandels werde uns alle treffen.
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Politikwissenschaftlerin Jana Puglierin befand sich auf der selben Linie wie der ehemalige Außenminister. (Bild: ARD/Thomas Ernst)
Gleichzeitig führe Trump auch die USA in einen Abgrund. Einem zukünftigen Bundeskanzler rät Fischer: „Eine gewisse Geschmeidigkeit würde ich niemandem vorwerfen im Umgang mit Donald Trump.“ Und er fügt hinzu: „Ich beneide Friedrich Merz nicht für diese Reise, ich wünsche ihm dennoch alles, alles Gute, jeden Erfolg im Interesse unseres Landes und Europas.“
Der ehemalige linke Aktivist spricht sich für die Wehrpflicht aus
„Nur gemeinsam werden wir es schaffen“, sagt Fischer mit Blick auf eine mögliche Verteidigung gegen Russland. Der alte Bundestag hat dafür gesorgt, dass in Deutschland dafür genügend Geld zur Verfügung steht. Das Problem: Der Bundeswehr fehlt es an Personal. Fischer war seinerzeit wegen seiner Kurzsichtigkeit nicht bei der Bundeswehr. Er hätte aber den Wehrdienst ohnehin verweigert, sagt er.
Heute ist er mit Blick auf das Großmachtstreben des russischen Präsidenten jedoch für die Wehrpflicht: „Es geht heute um die Verteidigung unserer Demokratie. Es geht um die massive Bedrohung der Freiheit und Souveränität Europas, Deutschlands und unserer Nachbarländer. Dafür ist es aus meiner Sicht von großer Bedeutung, dass jeder einzelne sich fragt: Will ich meinen Beitrag leisten zur Verteidigung all dessen, oder ist es mir das nicht wert? Mir wäre es das heute natürlich wert.“
Auch eine Beteiligung deutscher Truppen an einer Friedensmission in der Ukraine würde der Grünen-Politiker befürworten - unter bestimmten Umständen. „Wenn unsere europäischen Partner dazu bereit sind, sollten wir nicht abseits stehen.“ So weit sei es allerdings noch lange nicht. Putin habe sich nicht einen Millimeter von seinen Forderungen entfernt. „Insofern ist eine Friedensmission sehr unklar.“ (tsch)