Die Kriege im Gazastreifen und in der Ukraine bringen das Gleichgewicht Europas ins Wanken. Bei „Markus Lanz“ forderte CDU-Politiker Roderich Kiesewetter deshalb, sowohl die Ukraine als auch Israel mit allen nötigen Mitteln zu unterstützen.
Diskussion bei „Lanz“Politiker besorgt: „Wenn es so weitergeht, wird die Ukraine zerfallen“
Israels Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen und der anhaltende Krieg in der Ukraine halten die Welt derzeit in Atem: Mit Blick auf die beiden höchst beunruhigenden Konflikte sprach Markus Lanz mit seinen Gästen am Dienstagabend (12. Dezember 2023) auch über das neue CDU-Grundsatzprogramm, in dem die Ukraine mit der Forderung Erwähnung findet, dass die Grenzen von 1991 wieder hergestellt werden müssen. „Was würde das wirklich bedeuten?“, wollte Lanz von CDU-Politiker Roderich Kiesewetter wissen.
Der Oberst a.D. antwortete selbstbewusst: „Das bedeutet schlichtweg, dass das Völkerrecht wieder gilt und dass die Ukraine die Chance hat, die besetzten Gebiete wiederzugewinnen. Und dazu unterstützen wir sie.“ Zwar behauptete Kiesewetter, dass er in diesem Aspekt eine geeinte Front – auch innerhalb der Bundesregierung – hinter sich habe, doch Journalistin Kerstin Münstermann warnte: „Ich glaube, das eint nicht alle. Kanzler Scholz sagt ja nach wie vor ganz klar nicht, 'Die Ukraine soll gewinnen'.“
Roderich Kiesewetter bei „Lanz“: „Wir müssen als Europäer mehr tun“
Sie fügte hinzu: „Scholz und Putin haben ein Jahr nicht gesprochen. (...) Ein Jahr herrscht Funkstille zwischen den beiden.“ Der Russland-Korrespondent der „Zeit“, Michael Thumann, nickte zustimmend: „Putin wartet nicht auf den Anruf von Scholz.“
Darauf reagierte Lanz nachdenklich: „Weil er ihn auch gerade gar nicht braucht. Das läuft ja alles genau in seinem Sinne. Das ist ja die bittere Wahrheit.“ Thumann ergänzte, dass Putin momentan auf lange Sicht plane und kein Interesse an Verhandlungen mit dem Westen habe: „Man muss einfach sehen, dass für ihn der Krieg besser funktioniert als der Frieden.“ Laut des Journalisten zahle sich der Krieg für Putin aus, da er so seiner Herrschaft „eine neue Legitimation“ gebe. „Deshalb will er sich jetzt dann im März auch wieder wählen lassen“, erklärte der Moskau-Korrespondent.
Ein Gedanke, der Roderich Kiesewetter erschaudern ließ: „Wenn es so weitergeht, wird die Ukraine zerfallen.“ Er forderte deshalb mehr Einsatz von der deutschen Bundesregierung und warnte, dass transatlantisch mehr getan werden müsse, da die Amerikaner momentan „70 Prozent der Militärunterstützung“ leisten.
„Wir müssen als Europäer mehr tun“, so Kiesewetter wütend. Dem musste auch Kerstin Münstermann mit Blick auf eine potenzielle Wiederwahl Donald Trumps im kommenden US-Wahljahr zustimmen: „Hart gesagt muss Putin, wenn es so weitergeht, vielleicht einfach nur warten.“
Aus deutscher Sicht sieht Münstermann nämlich „sehr schwarz“, was eine „kurzfristig stärkere Unterstützung für die Ukraine“ angehe. Gleichzeitig prognostizierte sie: „Vielleicht kommt viel mehr auf dieses Land zu, als wir uns das jetzt gerade ausmalen. Wenn Putin in der Ukraine erfolgreich ist, wenn er im Baltikum zündelt, dann ist es eine andere Aufstellung für unser Land.“
Roderich Kiesewetter: „Wenn Israel aufhört zu kämpfen, ist das Existenzrecht Israels bedroht“
Ähnlich bedrückend ging die Debatte in Bezug auf den Krieg im Nahen Osten weiter. Tankred Stöbe, der sich seit 20 Jahren für die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ einsetzt, forderte mit eindringlichen Worten einen Stopp des „flächendeckenden Bombardements“ Gazas. „Die Situation ist einfach unerträglich“, so der Mediziner.
Dass mittlerweile knapp über 17.000 Menschen in Gaza ums Leben gekommen seien – darunter viele Frauen und Kinder – sei völlig inakzeptabel. Zudem machte Stöbe deutlich, dass die medizinische Versorgung in Gaza kurz vor dem Kollaps stehe und viele Operationen mittlerweile aufgrund mangelnder Medikamentenversorgung ohne Narkosen durchgeführt werden müssen.
„Alles, was wir machen können, ist ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Stöbe verzweifelt. Er ergänzte: „Es kann nicht sein, dass Menschen, die mit der Politik nichts am Hut haben, die mit diesem Konflikt nichts am Hut haben, dort ihre Leben lassen müssen.“ Dies sah Roderich Kiesewetter jedoch anders und erklärte, dass die Hamas „diese Bilder produzieren“ wolle und man sich deshalb „nicht von diesen Bildern ausschließlich verleiten lassen“ dürfe. Er kritisierte weiter, dass „wir gar nicht mehr darüber reden, was für ein Leid Israel angetan wurde“.
Lanz unterbrach den Politiker und hakte nach, ob „30 tote Zivilisten für einen toten Terroristen“ wirklich verhältnismäßig seien. Kiesewetter konterte: „Hier geht es darum, der Hamas keine Überlebenschance zu geben, weil das sonst eine Einladung für Hisbollah und den Iran ist.“
Er ergänzte: „Wenn Israel aufhört zu kämpfen, ist das Existenzrecht Israels bedroht – und der Zweck der Hamas ist nicht die Verteidigung Gazas.“ Als Lanz immer wieder auf die Verhältnismäßigkeit zu sprechen kam, gab Kiesewetter schließlich zu, dass Israel zwar „überreagiert“ habe, stellte aber ungerührt fest: „Sie haben keine andere Wahl.“ (tsch)