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„AfD die Wähler entziehen“Marcel Reif wird im „Kölner Treff“ deutlich – sein Vater überlebte im KZ

Marcel Reif erzählte im „Kölner Treff“ von seiner Familiengeschichte.

Marcel Reif erzählte im „Kölner Treff“ von seiner Familiengeschichte.

Im Bundestag ist erstmals ein Entschließungsantrag der Union mit den Stimmen der AfD beschlossen worden. Wie blickt jemand darauf, der fast seine ganze Familie durch den Holocaust der Nazis verloren hat? Das wollten die Moderatorinnen der WDR-Talkshow „Kölner Treff“ von Marcel Reif wissen.

Er ist eine lebende Legende. Marcel Reif (75) lebt den Fußball. Schon als Jugendlicher spielte er in Kaiserslautern. Doch ein Star wird er erst, als er schon lange beim Fernsehen ist. Eigentlich fängt alles mit Politik an, beim ZDF. 1984 wechselt er ins Sportressort im Zweiten. Er wird so bekannt, dass ihn zwölf Jahre später RTL engagiert. Seine Reportagen von der Champions League sind ein Renner. Später geht es zu Sky, Sat1 und Sport1.

Doch nicht nur als Sportreporter hat sich Marcel Reif einen Namen gemacht. Er ist auch ein politischer Mensch. Der Vater von Marcel Reif, der eigentlich Nathan heißt, ist Überlebender des Holocaust. Vor einem Jahr erzählt Reif seine Familiengeschichte bei einer Veranstaltung zur Befreiung des KZ Auschwitz im Bundestag. Dabei wollte er dort eigentlich nicht sprechen, erzählte Reif am Freitagabend in der WDR-Talkshow „Kölner Treff“. „Ich wollte nicht als Sohn eines Holocaust-Überlebenden sprechen. Mein Vater wollte über seine Zeit nicht reden. Und ich dachte, wie ich denn dann dazu kommen sollte.“

Nationalsozialismus: Marcel Reif denkt an ermordete Familienmitglieder

Doch dann überlegte er es sich anders, „weil ich irgendwann begriffen habe, dass es darum geht, Dinge weiterzutragen. Es gibt diese völlig richtigen und notwendigen Gedenkstunden: Alle ziehen dunkle Klamotten an, dann kommt ein Streichquartett, ernste Musik, alle gucken betreten, zwei reden, und danach gehen alle wieder ihrer Wege. Und irgendwann ist das dann nur noch ein Datum. Aber es ist dann doch was anderes, und grade in diesem Lande und grade für die nächsten Generationen.“

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Sein Vater, erzählte Reif bei der Veranstaltung, habe ihm immer wieder einen Satz gesagt, der ihn geprägt habe: „Sei ein Mensch“. „Er war ein witziger, lustiger Genießer, der gerne gegessen, getrunken und Spaß am Leben gehabt hat“, berichtete Reif am Freitagabend über seinen Vater. Doch über seine Erlebnisse während der NS-Zeit habe der Vater nie gesprochen. „Davor hat er uns zu bewahren versucht, damit wir eine andere Kindheit hatten als er, und damit wir nicht in jedem Straßenbahnfahrer, Lehrer oder Bäcker den vermeintlichen Mörder unserer Großeltern und anderer Verwandter sehen sollten.“ Heute hält er das Verhalten seines Vaters für heldenhaft. Gesagt hat er es ihm nie.

Marcel Reif habe gewusst, dass der größte Teil seiner Familie von den Nazis während des Holocausts ermordet worden war. „Ich hatte keine Großeltern. Ich hatte einen Onkel, eine Cousine und eine Tante. Den Rest gab es nicht.“ Wie sein Vater im Konzentrationslager überlebt hat, dass er nur durch Zufall und durch die Hilfe eines Krupp-Managers dem Vernichtungslager entronnen war, das alles erfährt Reif erst nach dem Tod des Vaters.

Seine Mutter erzählt ihm davon. „Mein Vater hat das nicht thematisiert, und wir Kinder haben es dort gelassen, wo er es haben wollte.“ Als Jugendlicher ist Marcel Reif nicht unglücklich darüber. Er hat andere Sorgen, sein erstes Auto zum Beispiel, einen Fiat. Heute spricht er über die Geschichte seiner Familie. Das ist ihm wichtig.

Eines macht Marcel Reif Hoffnung: „Wir sind mehr als die AfD“

In dieser Woche wurde wieder der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee gedacht, am 27. Januar vor 80 Jahren. Und ausgerechnet am Mittwoch, zwei Tage danach, wurde im Bundestag ein Entschließungsantrag der Union mit den Stimmen der AfD beschlossen. Ein Tabubruch? Nein, sagt Reif. „Ich habe diesen Tabubruch nicht als Tabubruch erlebt, weil die AfD zugestimmt hat. Für mich ist der Tabubruch, dass eine so große Fraktion einer gesichert rechtsextremistischen, rassistischen Partei im Bundestag sitzt.“ Für ihn sei es angesichts von teils 30 Prozent Wählerunterstützung für die AfD zu kurz gedacht, pauschal über „Neonazis“ zu sprechen: „Das heißt, man wird diese Wähler wieder zurückholen müssen.“

Reif stört, „was diese Woche passiert ist, wie die Parteien der Mitte miteinander umgegangen sind und wie viele Schmähungen und Verletzungen es gab. Aber die werden nach der Wahl koalieren müssen. Wie das gehen soll, weiß ich nicht.“ Reifs Forderung: Die AfD thematisch stellen. „Brandmauer ist ein schönes Wort, aber keine Politik. Man muss der AfD die Wähler entziehen, aber das kann man nur, indem man Dinge anbietet.“

Das sei den Parteien der Mitte in den letzten Jahren nicht gelungen. Reif: „Die AfD ist nicht per UFO gelandet, sondern sie hat sich breit gemacht, weil ihr Leute gefolgt sind, die Sorgen haben. Aus Sorgen werden Ängste, und auf diesem Grund lässt sich absahnen. Das hat die AfD gemacht.“ Doch die AfD wählen nur gut zwanzig Prozent. Das macht ihm Hoffnung: „Wir sind mehr als die AfD“, bilanzierte Reif. (tsch)