Vor einem Jahr versanken Orte in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen in der Flut. Die Reaktion des NRW-Innenministers sorgte damals für Kritik. Zum Jahrestag der Katastrophe saß Herbert Reul bei „Markus Lanz“.
„Markus Lanz“NRW-Innenminister weist Vorwürfe nach Flut-Katastrophe zurück: „Bin kein Wetterfrosch“
Die Reaktion des NRW-Innenministers auf die Flutkatastrophe des 14. und 15. Juli 2021 wurde teils harsch kritisiert. „Das Wesen von Katastrophen ist, dass sie nicht vorhersehbar sind“, hatte Herbert Reul damals gesagt. Ein Jahr danach wurde der CDU-Politiker in der letzten „Markus Lanz“- Sendung vor der Sommerpause mit seiner Aussage konfrontiert – und mit Menschen, die aus der Hochwasserkatastrophe ein Trauma davongetragen haben.
Unter anderem schilderte Maria Dunkel aus Erftstadt ihre Schlafprobleme und wie sie heute noch bei stärkerem Regen unruhig am Fenster steht.
Herbert Reul über Flut-Katastrophe: Ist „nicht alles glattgelaufen“
Die Ausmaße der Katastrophe seien Reul nicht sofort klar gewesen, erinnerte er sich nun bei „Lanz“. „Total begriffen habe ich, als ich es gesehen habe.“ Da könne man noch so viel Informationen erhalten. „Richtig begreifen tut man es, wenn man an diesem Krater steht“, erklärte der NRW-Innenminister.
Erst wenn man sehe, wie ganze Straßen verschwinden, „ist das nicht im Fernsehen, sondern zu Hause“. Gastgeber Markus Lanz betonte, keine Schuldzuweisung vornehmen zu wollen, stattdessen wolle er herausfinden, wo der „Fehler im System“ gelegen habe.
„Ganz sicher weiß ich das immer noch nicht“, gestand Reul. Klar sei nur, dass „nicht alles glattgelaufen sei“. Damit meinte er vor allem Frühwarnsysteme und Kommunikation. „Wenn da so viele Tote sind, kann doch nicht alles richtig gewesen sein.“
„Markus Lanz“: Waren die Experten-Informationen zu „kompliziert“?
Nach Ansicht Reuls sei die Informationsvermittlung von Wetterexperten an politische Entscheidungsträger ein wichtiger Punkt. Die Informationen müssten erstens „schnell kommen und zweitens müssen sie so sein, dass man sie versteht“.
Mengenangaben von Litern Wasser pro Zeiteinheit etwa seien von örtlichen Bedingungen abhängig. Reul wünscht sich eine Erklärung der Daten, angepasst auf die Situation vor Ort. „Dann kann man entscheiden: Was bedeutet das und was muss ich jetzt machen?“, bekräftigte der CDU-Politiker.
Daraufhin verwies Lanz auf die Warnung Europäischer Flutwarnsysteme. „Warum hat das nicht funktioniert?“ Auch Jörg Kachelmann habe damals gewarnt. „Ich bin kein Wetterfrosch“, entgegnete Reul. Die Fachleute hätten ebenfalls unterschiedliche Meinungen gehabt. „Ich könnte ihnen genauso viele Zitate vorlegen, wo gesagt worden ist, es wird wieder besser.“ Selbst die „halbfertigen Daten“ habe keiner verstanden, „weil die so kompliziert formuliert sind“. Dabei gehe es nicht um ihn als Innenminister. Der örtliche Oberbürgermeister und die Feuerwehrleute müssten mit den Daten umgehen.
Der CDU-Mann leistete sich in diesem Zusammenhang noch eine kleine Medienkritik, schließlich hätten den Medien die gleichen Informationen vorgelegen: „Wie haben die denn gewarnt?“, fragte er – nur um direkt darauf anzumerken, dass die Schuldfrage ja keinen Sinn ergebe.
„Markus Lanz“: Dunkelrote Wetterwarnung – „wegen Regen“
Später stellte Förster und Bestsellerautor Peter Wohlleben noch einmal klar, dass man schneller hätte reagieren können: „Also, dass es ordentliches Hochwasser geben würde, das hat sich über den Tag entwickelt.“ Er selbst hatte früh am Tag noch via Social Media gewarnt. Auf einer Pferdeweide, wo sonst nicht einmal bei Regen Wasser sei, stand er mitten in einem kleinen Fluss.
Die Ausmaße, dass es sogar Tote geben könnte, seien aber auch ihm nicht klar gewesen. „Diese zerstörerische Wucht, die konnte sich glaube ich niemand vorstellen.“ Allerdings habe es schon früh eine dunkelrote Wetterwarnung – die höchste der möglichen Abstufungen des deutschen Wetterdienstes – gegeben. „Wegen Regen!“, betonte Wohlleben.
Reul zeigte sich dahingehend uneinsichtig: „So eindeutig war das alles nicht“, wiederholte er. Er glaube, man brauche bessere Vorhersagen und bessere Informationsvermittlung. Wohlleben widersprach: „Ich glaube nicht, dass wir bessere Vorhersagen brauchen.“ Die Entwicklungen hätten sich über den ganzen Tag angedeutet, die Flut sei „nichts Schlagartiges“ gewesen. Angesichts der Vorhersagen habe man „locker 24 Stunden Zeit“ gehabt, „wenn es richtig umgesetzt worden wäre“.
Der Innenminister Nordrhein-Westfalens konstatierte: „Leider ist es kompliziert.“ Als die Betroffene Maria Dunkel und ihr ebenfalls eingeladener Sohn Thomas ihre Geschichte schilderten, reagierte er relativierend. Jedes Beispiel sei „anders“. (tsch)