Rapper Marteria und Toten-Hosen-Frontmann Campino sprachen bei „Markus Lanz“ nicht nur über Ost- und West-Klischees, sondern auch darüber, wie der Krieg in der Ukraine „über Nacht“ alles verändert habe.
„Markus Lanz“Rapper Marteria gesteht: „Ich war ein Putin-Verteidiger“
Zwei Lieder als „Plädoyer für das Zusammenwachsen, für das Gemeinsame und für die Freundschaft“: Ende März veröffentlichten Die Toten Hosen und Marteria eine gemeinsame Doppel-A-Seiten-Single, in „Scheiss Wessis“ (Die Toten Hosen) und „Scheiss Ossis“ (Marteria) thematisieren die Düsseldorfer Punkband und der in Rostock geborene Deutschrap-Star bis heute bestehende Ost-West-Befindlichkeiten und -Klischees.
Über ihren Blick auf Deutschland, aber auch wie der Krieg in der Ukraine ihre Sichtweisen veränderte, sprachen die beiden Musiker am Mittwochabend (13. April 2022) bei „Markus Lanz“.
„Markus Lanz“ – Marteria hat Russland-Gefahr lange relativiert
Aufgrund des russischen Überfalls habe man nicht nur die bereits geplante Werbekampagne für die beiden Singles geändert. Marteria räumte ein, dass er die von Russland ausgehende Gefahr persönlich oft relativiert habe.
„Ich war immer ein Putin-Verteidiger“, sagte der Rapper. Er habe „instinktiv immer diese Ostseite ein bisschen verteidigt“ und zudem geglaubt, dass es dem russischen Präsidenten nur um ein „Säbelrasseln“ gegangen sei. Inzwischen sei er aber natürlich nicht mehr dieser Meinung: „Wir wurden eines Besseren belehrt“, erklärte Marteria.
„Markus Lanz“ – Campino: Würde heute Wehrdienst vielleicht nicht mehr verweigern
Vor dem Hintergrund des Krieges seien die beiden Songs nicht nur als Plädoyer für die Freundschaft zu sehen, erklärte Campino: „Es soll zum Nachdenken bringen, dass die deutsche Wiedervereinigung ohne Blut, ohne Terror, ohne Waffengewalt vonstattenging.“ Dass dies gelungen sei, sei keine Selbstverständlichkeit.
Dass eine Demokratie aber andererseits auch in der Lage sein muss, sich zu wehren und sich selbst zu verteidigen, war für den Toten-Hosen-Frontmann nicht immer klar: „Es geht um ein Gleichgewicht. Man musste auf üble Weise feststellen, dass man ohne ein Kräftegleichgewicht nicht nebeneinander herleben kann“, erklärte Campino.
Er habe mit seinem Vater, einem ehemaligen Offizier der Reserve im Zweiten Weltkrieg, oft über das Thema gestritten. Jener sei überzeugt gewesen, dass man eine „freie, wehrhafte Armee, die solche Zustände nicht mehr zulässt“, unbedingt brauche.
Er habe seinen Vater damals für „einen Ewiggestrigen gehalten, der aus seinen Denkmodellen nicht rauskommt“, sagte der Toten-Hosen-Frontmann, der dann mit einem Bekenntnis überraschte: „Natürlich habe ich den Wehrdienst verweigert und würde vielleicht heute aus dieser Situation heraus anders entscheiden“.
Rapper Marteria, der im Gegensatz zu Campino seinen Wehrdienst ableistete, würde sein Land verteidigen. „Ich glaube, ich würde nicht abhauen“, sagte er auf die Frage, wie er reagieren würde, wenn Deutschland angegriffen würde. „Einfach für die Freiheit, die man hat und die ich erleben darf.“
„Markus Lanz“ – Marteria: Hitlergruß gegen Bezahlung
Der Rapper sprach zudem über den ausländerfeindlichen Ausschreitungen 1992 in Rostock, die er als Neunjähriger hautnah miterlebte. Als die Molotow-Cocktails auf Wohnungen, in den Asylanten lebten, geworfen wurden, lebte er in unmittelbarer Nachbarschaft: „Meine Mutter, meine Schwester, wir saßen heulend im Wohnzimmer, weil wir das ja alles gehört haben“, erzählte er.
Auch nach den Anschlägen sei der „Wahnsinn“ weitergegangen: Fernsehteams hätten ihn und andere Kinder gefragt, „ob wir uns mit Hitlergruß vors Haus stellen für 50 Mark“, um ein bestimmtes Bild von der Stadt zu erzeugen. Umso mehr sei er heute stolz, dass Rostock sich von diesem Image lösen konnte, es sei jetzt eine „tolle“ Stadt mit „geilen Vierteln“, in der die Menschen zusammenhalten würden. (tsch)