Die Corona-Zahlen erreichen neue Höchststände – und die Politik schafft faktisch alle Regeln ab. Mit dem neuen Corona-Gesetz sind nur wenige glücklich. Und auch Virologe Hendrik Streeck schimpft bei „Markus Lanz“ über die Regeln, er sieht jede Menge Nachbesserungsbedarf.
„Kann man alles ausmisten“Streeck schimpft bei Lanz über neue Regeln – und spricht Klartext über Masken
Es ist eine einmalige Situation in der deutschen Politik: Trotz Corona-Höchstständen wird von der Ampel-Regierung faktisch das Ende der Corona-Maßnahmen eingeleitet, ab kommendem Wochenende fallen die strengen Corona-Regeln. Und das, obwohl es scharfe Kritik von den Ländern gab. Alle Chefinnen und Chefs distanzieren sich von dem neuen Infektionsschutzgesetz.
Auch Politikerinnen und Politiker von der SPD kämpfen gegen diese Lockerungen – der Partei also, die in der Regierung das Ende der Maßnahmen mitträgt.
Auch diese Regelung sorgt für viel Kritik: die Hotspot-Regel. Das Instrument, mit dem die Bundesländer auch in Zukunft noch schärfere Beschränkungen verhängen können. Dazu gehören eine erweiterte Maskenpflicht und Zugangsregeln für besondere Einrichtungen. Dafür müssen die Landesparlamente dort eine kritische Lage feststellen. Doch wie die genauen Kriterien dafür sind, ist unklar. Genauso wenig wie die Rechtslage, so lautet die Begründung. Immer mehr Bundesländer wollen sie also nicht umsetzen.
„Markus Lanz“: Streeck kritisiert Genesenenstatus
Die Abschaffung aller Maßnahmen in Zeiten von Corona-Rekordzahlen, getrieben von der FDP, mit einer umständlichen Hotspot-Regel – „das ist doch verwaltungstechnisch der komplette Wahnsinn“, sagt Markus Lanz in Richtung Hendrik Streeck. Auch der Virologe, der seit Dezember 2021 zum Corona-Expertenrat der Bundesregierung gehört, kritisiert das Gesetz. Er vermutet, dass das Ganze als Übergangsregel zu verstehen ist.
Seine Hauptkritik gilt dem Genesenenstatus, der auf drei Monate begrenzt wurde. Das finde er falsch. „Ich weiß gar nicht, ob jemals ein Genesenenstatus im Infektionsschutzgesetz festgeschrieben war.“ Dieser Status müsse europaweit angeglichen werden, weil der Genesenenstatus in anderen Ländern sehr viel länger gilt. Das könnte etwa bei den zahlreichen Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland fliehen, zu Problemen führen.
„Markus Lanz“: Streeck kritisiert Fehlen von genauen Grenzwerten
Lanz kritisiert die Kommunikation der Bundesregierung, die gegen den Widerstand der Länder den Wegfall der Maßnahmen beschlossen hat. „Die Leute sind müde nach zweieinhalb Jahren Pandemie, die verstehen doch jetzt gar nicht mehr, was Sache ist.“
Streeck erklärt, dass der Vorgang etwas zeige, was von Anfang an diskutiert wurde: „Das Gesetz sagt ja, dass bei einer konkreten Überlastung diese Hotspot-Regelung ziehen kann. Nur haben wir gar nicht definiert, wo eigentlich die Überlastung ist. Welche Grenzwerte haben wir, dass die Infektionszahlen oder die Krankenhausbelegung zu viel wäre.“
Spezifische Grenzwerte seien bei so einer Regelung aber sehr wichtig. „Das sehe ich bisher nicht, nicht für Deutschland und auch nicht für einzelne Bundesländer.“ Lanz fragt, ob sich die Politik da nicht einer „Illusion von Kontrolle“ hingeben. „Macht das überhaupt noch Sinn?“
Streeck bei „Markus Lanz“: „Maskenpflicht kein Maskenverbot“
Streeck erklärt, dass er im Sommer zwar mit einer Entspannung der Corona-Lage rechnet. Aber die Pandemie sei nicht vorbei. „Masken sind ein wirksames Mittel, die wirken dabei, Infektionen zu vermeiden. Aber ob es über eine Maskenpflicht oder eine Eigenverantwortung greift, müssen Bürger und Politiker selber beurteilen.“
Zum Wegfall der Maskenpflicht ab dem Wochenende meint Streeck: „Die Aufhebung einer Maskenpflicht ist nicht der Übergang in ein Maskenverbot.“ Er selber würde in bestimmten Situationen bei hohem Infektionsgeschehen auch weiter eine Maske tragen. Aber: „Im Herbst und Winter werden wir wieder hohe Infektionszahlen haben. Und da brauchen wir ein gutes Infektionsschutzgesetz, das greift. Und eine bessere Datenlage.“
Streeck bei „Markus Lanz“: „Das kann man alles mal ausmisten“
Lanz zitiert Streeck, der gesagt hat: „Diese Regeln, 2G, 3G, Plexiglasscheiben, das kann man alles mal ausmisten.“ Es gehe doch um eine wirkliche Strategie, wie diese Pandemie beendet werden kann.
Der Virologe stimmt dem zu. Viele dieser Regeln könnten „entschlackt“ werden. Seine Forderung für die Zukunft: „Wir müssen langfristig schauen, welche Maßnahmen haben eigentlich Wirkung gezeigt. Das sind vor allem Impfungen und Masken. Und wir müssen vieles andere über Bord werfen, das sich eingebürgert hat, damit wir auch in den nächsten Jahren mit diesem Virus umgehen können. Es wird ja nicht weggehen.“