Bei einer „maybrit illner“-Spezialsendung sollte am Donnerstagabend geklärt werden, woran die westlichen Staaten in Afghanistan gescheitert seien. Von allen Seiten hagelte es Kritik für die Regierungsparteien.
Maybrit Illner zu AfghanistanAnnalena Baerbock gesteht Fehler ein: „Ein Desaster“
Berlin. Eigentlich sollte Maybrit Illner erst nächste Woche, am 26. August, aus der Sommerpause zurückkehren. Aufgrund der dramatischen Entwicklungen in Afghanistan ging der ZDF-Talk jedoch bereits am Donnerstagabend (20. August) mit einer Sonderfolge wieder auf Sendung.
Unter dem Thema „Triumph der Taliban - woran ist der Westen gescheitert?“ diskutierten neben Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und dem stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden Johann Wadephul auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, André Wüstner, „Washington Post“-Sicherheitskorrespondentin Souad Mekhennet, ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf und Patoni Izaaqzai-Teichmann, die Vorsitzende der Afghan German Association.
Maybrit Illner: Bundeswehr-Vorsitzender bringt Außenminister Maas ins Spiel
Die Frage des Abends bei Maybrit Illner - woran der Western denn gescheitert sei - konnte die Sendung allerdings nicht wirklich beantworten. Ein Verantwortlicher solle gefunden werden, erklärte Illner zu Beginn der Sendung. André Wüstner, der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, brachte dabei Heiko Maas ins Spiel. „Federführend für den Bereich der Einsätze ist natürlich der Außenminister“, so Wüstner.
Zu wenig werde darüber gesprochen, wer den Rückzug aus dem Land am Hindukusch zu verantworten habe und welche Konsequenzen nun daraus resultieren müssten, erklärte der Oberstleutnant. Zustimmung erhielt Wüstner von den anderen Gästen jedoch vor allem für die Feststellung, dass nun zunächst die Rettung der Ortskräfte und ihrer Familien in Afghanistan an erster Stelle stehe: „Aktuell geht es um das Leben von Menschen.“
Annalena Baerbock gesteht bei Maybritt Illner Fehler ein
Auch Annalena Baerbock stellte klar, dass die Sicherheit der im Krisengebiet verbliebenen Menschen im Moment oberste Priorität habe. Statt zurückzutreten, müsse Außenminister Maas deshalb nun „alles dafür tun, stündlich dafür zu sorgen, die Menschen rauszubringen, die noch rauszubringen sind“, erklärte die Kanzlerkandidatin. Zu diesem Zweck müsse man Flugzeug-Kapazitäten erhöhen und besser mit den Amerikanern zusammenarbeiten, so Baerbock.
„Deutschland steht jetzt in Gänze in Verantwortung“, mahnte die Grünen-Vorsitzende. Dass man sich aus Gründen des Wahlkampfes vor einigen Wochen dagegen entschieden habe, Ortskräfte aus Afghanistan zu holen, sei „ein Desaster“, sagte die Politikerin in Richtung des stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden Johann Wadephul.
Auch Maybrit Illner richtete die Frage an den CDU-Politiker, weshalb sich seitens der Union bis zuletzt mehr mit Abschiebungen statt der Situation im Land befasst worden sei. Wadephul kam ins Straucheln. Bereits seit Mai sei das vielmals als zu kompliziert kritisierte VISA-Verfahren umgestellt worden, so der Verteidigungspolitiker. André Wüstner widersprach entschieden, der Prozess der VISA-Vergabe sei in den letzten Monaten katastrophal gewesen.
Souad Mekhennet bei Maybrit Illner: „Man hat sich erpressbar gemacht“
Souad Mekhennet, Sicherheitskorrespondentin der „Washington Post“, stimmte dem zu. Dadurch habe man „den Taliban ein sehr großes Pfund überlassen - nämlich Menschenleben“, erklärte die aus Frankfurt zugeschaltete Journalistin. „Man hat sich erpressbar gemacht“, lautete ihr niederschmetterndes Fazit. Eine große Gefahr sei vor allem auch, dass „dschihadistische Gruppierungen wie al-Qaida“ durch den Sieg der Taliban wieder erstarken würden, warnte Mekhennet.
Ähnlich alarmiert zeigte sich Katrin Eigendorf, die noch im Juni für eine ZDF-Reportage drei Wochen in Afghanistan verbracht hatte. Eigendorf berichtete von verzweifelten Kollegen, die in Kabul festsäßen und momentan keine Möglichkeit hätten, nach Deutschland zurückzukehren. „Ich sehe nur Minister, die hier eingestehen, dass das Verfahren schlecht läuft, dass Fehler gemacht werden, aber ich sehe nicht, dass diese Fehler korrigiert werden“, so die Reporterin.
Der Vorwurf schien, wie auch die restliche Kritik des Abends, erneut in Richtung Johann Wadephul zu gehen, der stellvertretend für die Union eher erfolglos versuchte, Schadensbegrenzung zu betreiben. „Viele müssen sich viele Fragen stellen“, lautete schließlich der wenig befriedigende Erklärungsversuch des CDU-Politikers. (tsch)