„So nicht in Ordnung“Nach Milliarden-Aussage von SPD-Politiker fährt Markus Lanz aus der Haut

Der Druck auf Olaf Scholz wächst. Kurz nach der Verkündung seiner SPD-Kanzlerkandidatur besuchte er die ukrainische Hauptstadt Kiew. Am Donnerstagabend bei „Markus Lanz“ nahm Parteichef Lars Klingbeil den Kanzler in Schutz. Leicht machte es ihm der Talk-Gastgeber aber nicht.

Die Ukraine-Politik gehört zu den wichtigsten Themen im Wahlkampf für die vorgezogene Bundestagswahl Ende Februar. Vor wenigen Tagen überraschte Bundeskanzler Olaf Scholz daher mit seinem unangekündigten Besuch in Kiew, wo er sich mit Präsident Selenskyj traf und weitere Rüstungslieferungen im Wert von 650 Millionen Euro ankündigte.

Vonseiten der CDU musste sich Scholz daraufhin anhören, dass er „Wahlkampf auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung“ (Roderich Kiesewetter in „Augsburger Allgemeinen“) betreibe. Dem widersprach der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil jedoch vehement, als er sich bei „Markus Lanz“ zum Thema äußerte.

Militärexperte vermisst „Perspektive“ in Scholz' Ukraine-Kurs

Zunächst fragte der ZDF-Moderator irritiert, warum sich Deutschland im Gegensatz zu Frankreich und dem Baltikum nicht dem polnischen Premier Donald Tusk anschließen werde. Laut Lanz plane Tusk nämlich, „eine Allianz zu schmieden“ in der Unterstützung für die Ukraine. Lars Klingbeil unterbrach den Moderator jedoch prompt mit den energischen Worten: „Nein, jetzt wird es polemisch!“

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Als Lanz fragte, was daran polemisch sei, antwortete der SPD-Vorsitzende streng, dass es viele Beispiele gebe, bei denen Scholz in Europa eine „herausragende“ Rolle spiele. „Ich finde, dass die Politik des Bundeskanzlers, was die Ukraine angeht, (...) sehr weitreichend ist und dass sie klar ist“, bekräftigte Lars Klingbeil. Der SPD-Chef weiter: „Wir haben einen Bundeskanzler, (...) der klar ist, was die Unterstützung der Ukraine angeht.“

Lars Klingbeil verteidigte den Bundeskanzler im ZDF-Talk energisch. (Bild: ZDF)

Lars Klingbeil verteidigte den Bundeskanzler im ZDF-Talk energisch.

Eine Aussage, die den ZDF-Moderator verblüffte: „Wirklich?“ Auch Militärexperte Christian Mölling reagierte verhalten und sagte, dass er kurz vor dem dritten Jahrestag des Konfliktes immer noch „den Eindruck“ habe, dass Deutschland „keine Perspektive“ vermittle.

Christian Mölling wurde deutlicher, als er hinzufügte: „Es gibt (...) bis heute keine Erklärung darüber, was denn das Ziel unserer Hilfe für die Ukraine eigentlich ist.“ Laut des Militärexperten sei es „kein Ziel“, „sich dauerhaft nur verteidigen“ zu können. Hinzu komme, dass die Strategie auch nicht funktioniere, denn: „Wir liefern ja auch dafür immer noch zu wenig!“

Lars Klingbeil: „Wenn der Bundeskanzler seinen Job macht, dann wird ihm das vorgeworfen“

Diesen Vorwurf wollte Lars Klingbeil nicht unkommentiert lassen und merkte an, dass Deutschland seit Beginn des Krieges 28 Milliarden Euro für Militärhilfen ausgegeben habe. Eine Aussage, die Markus Lanz wütend machte: „Thema Wahlkampf! Sie operieren jetzt auch mit dieser Zahl - 28 Milliarden Militärhilfe.“ Klingbeil wehrte sich zunächst gegen „diesen Wahlkampfvorwurf“ und sagte patzig: „Wenn der Bundeskanzler seinen Job macht, dann wird ihm das vorgeworfen!“

Der ZDF-Moderator ließ sich davon jedoch nicht beirren und stellte klar, dass bisher lediglich knapp über 10 Milliarden Euro an Militärhilfen geleistet wurden. Der Rest sei „das, was wir planen, zugesagt haben, was wir in Zukunft möglicherweise zur Verfügung stellen“. Lars Klingbeil ruderte genervt zurück: „Okay, also dann haben wir bisher viel geliefert und wir haben vieles zugesagt.“

Im ZDF-Talk diskutierten, von links: Gastgeber Markus Lanz, Lars Klingbeil, Kerstin Münstermann und Christian Mölling. (Bild: ZDF)

Im ZDF-Talk diskutierten, von links: Gastgeber Markus Lanz, Lars Klingbeil, Kerstin Münstermann und Christian Mölling.

Zugleich betonte er: „Auf die deutschen Zusagen kann man sich verlassen!“ Lanz reagierte dennoch kritisch und sagte, dass es „so nicht in Ordnung“ sei: „Mir geht es darum, dass wir sauber sind mit den Zahlen.“

Der SPD-Vorsitzende konterte trocken: „Ich prüfe gerne noch mal die Zahl. Wenn ich sie falsch genannt habe, dann tut es mir leid.“ Laut Klingbeil gebe es jedoch generell „eine unfaire Bewertung der ganzen Regierung“, da Deutschland „sehr weit vorne mit dabei“ sei, was die Hilfsleistungen für die Ukraine angehe.

Journalistin attestiert Scholz „eine Art Wahlkampf mit der Angst der Leute“

Die Kritik an Scholz' Ukraine-Politik wollte im ZDF-Talk trotzdem nicht abreißen. Journalistin Kerstin Münstermann unterstellte dem Kanzler, durch seine Rhetorik „eine Art Wahlkampf mit der Angst der Leute zu machen“ und „mit dem unguten Bauchgefühl der Leute“ zu spielen. Als Klingbeil beteuerte, dass viele Menschen „berechtigt auch Sorgen“ hätten, „wie dieser Krieg weitergeht“, hakte Lanz nach: „Und muss man das dann weiter verstärken?“

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Eine Frage, auf die Klingbeil konterte: „Bei Scholz weiß man, woran man ist.“ Grund genug für Lanz, auch über die ewige Debatte rund um die SPD-Kanzlerkandidatur zu sprechen. Lars Klingbeil gab zwar zunächst zu, dass es „zu lange gedauert“ habe, Scholz als Kandidaten zu verkünden, er betonte jedoch, dass „die Geschlossenheit“ in seiner Partei nun durchaus vorhanden sei.

Klingbeil auf Pistorius-Frage: „Das müssen Sie ihn fragen“

Die Klarheit wollte ihm Lanz nicht so einfach abkaufen. Er unterstellte dem SPD-Vorsitzenden stattdessen: „Sie haben das deswegen so lange laufen lassen, weil Sie gehofft haben, dass beim Kanzler die Einsicht wächst, dass er Platz machen muss für jemand anderen.“ Klingbeil schüttelte entschieden mit dem Kopf: „Ich habe (...) gelesen, dass ich Pistorius verhindert hätte, um an mich zu denken. Also es gibt ja ganz unterschiedliche Theorien. (...) Sie müssen sich jetzt entscheiden!“

Als Lanz daraufhin wissen wollte, warum Boris Pistorius „so spät zurückgezogen“ hat, antwortete Klingbeil nüchtern: „Das müssen Sie ihn fragen!“

Zugleich stellte er klar, dass er „nicht erlebt“ habe, „dass er zurückgezogen hat, sondern ich habe erlebt, dass er erklärt hat, er steht nicht zur Verfügung“. Eine Version, die ihm Journalistin Kerstin Münstermann ebenfalls nicht glauben wollte. Ihre Vermutung? „Da hat jemand auch gewartet, ob die Rufe nach ihm so laut werden, dass er es machen muss. (...) Am Ende hat Olaf Scholz eiserne Nerven bewiesen und war von der Idee der nochmaligen Kandidatur nicht abzubringen.“ (tsch)