Zwielichtige Polizisten im „Tatort“Hat Deutschland ein Korruptions-Problem?

Kommissarin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) muss im „Tatort: Unter Feuer“ tief in die Vergangenheit ihrer Polizistenfamilie eintauchen. (Bild: MDR/MadeFor/Steffen Junghans)

Kommissarin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) muss im „Tatort: Unter Feuer“ tief in die Vergangenheit ihrer Polizistenfamilie eintauchen.

Im Dresdner „Tatort: Unter Feuer“ wird auf zwei Polizisten während einer Verkehrskontrolle geschossen. Die Kommissarinnen Winkler (Cornelia Gröschel) und Gorniak (Karin Hanczewski) ermitteln bald unter Kollegen. Gibt es Korruption bei der deutschen Polizei - und war das schon Gorniaks letzter Fall?

Im „Tatort: Das Nest“ hatte Leonie Winkler, gespielt von Cornelia Gröschel, im April 2019 ihren ersten Auftritt. Nun steht die blonde Ermittlerin im „Tatort: Unter Feuer“ wieder im Mittelpunkt. Ihre Familiengeschichte, mit der man vor fünfeinhalb Jahren einstieg, wird weitererzählt. Es geht um den Tod von Leonies geliebtem Polizisten-Bruder, der bei einem Einsatz ums Leben kam. Und um die Dynamik einer „Bullenfamilie“, denn auch der sperrige Vater (Uwe Preuss) ist pensionierter Beamter.

War der sächsische Krimi, der ebenso stimmungsvoll wie grausam mit niedergeschossenen Polizisten auf einer nebeligen Landstraße begann, ein guter deutscher Cop-Thriller? Wer war der undurchsichtige Revierleiter und haben wir in Deutschland ein tatsächliches Problem mit Korruption bei der Polizei?

Worum ging es?

Ein Autofahrer wurde bei einer ländlichen Verkehrskontrolle angehalten - und schießt. Ein Beamter war tot, der andere schwer verletzt. Zwei junge Polizistinnen, Leila Demiray (Aybi Era) und Anna Stade (Paula Kroh), beobachteten die Szene vom geparkten Polizeiwagen. Doch anstatt einzugreifen, suchten sie das Weite. Ein Fall von Panik im Dienst? Die Kommissarinnen Gorniak (Karin Hanczewski) und Winkler wollten es herausfinden und den zu Fuß flüchtigen Täter stellen.

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Peter Schnabel (Martin Brambach) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) stürmen mit zwei Polizisten ein Gebäude, in dem sich ein möglicher Täter verstecken könnte. (Bild: MDR/MadeFor/Steffen Junghans)

Peter Schnabel (Martin Brambach) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) stürmen mit zwei Polizisten ein Gebäude, in dem sich ein möglicher Täter verstecken könnte.

Auch Revierleiter Jens Riebold (Andreas Lust) traf am Tatort Landstraße ein. Er ist Chef sowohl der beiden Opfer wie auch der Polizistinnen mit dem fragwürdigen Verhalten. Leonie kannte Riebold über ihren Vater, den pensionierten Polizisten Otto Winkler (Uwe Preuss). Riebold war zudem Leiter jener Einheit, in der Leonies Bruder Martin (in Rückblenden: Markus Riepenhausen) vor neun Jahren während eines Einsatzes zu Tode kam. Zufall - oder mehr als das?

Worum ging es wirklich?

„Unter Feuer“ ist ein klassisches Genrestück. Ein sogenannter Cop-Thriller, der unter Polizisten spielt. Ausgedacht hat ihn sich Christoph Busche, der mit dem Sanitäter-Krimi „Tatort: Rettung so nah“ (2021) sowie „Das kalte Haus“ (2022) über eine mysteriös verschwundene Frau und ihren scheinbar kaltherzigen Mann schon zwei ziemlich interessante Folgen fürs Dresdner Revier geschrieben hat.

Dass Busche für verschlungene Geschichten gut ist, die mit typischen Täter-Opfer-Bildern brechen, und dass er ein gehöriges Maß an Paranoia heraufbeschwören kann, bewies er 2016 mit seinem preisgekrönten Drehbuch zur „NSU - Mitten in Deutschland“-Reihe, wo er für den dritten Film „Die Ermittler: Nur für den Dienstgebrauch“ verantwortlich zeichnete. Bei Busches Filmen kann es einem in Sachen Vertrauen auf Staat und Apparat schon mal eiskalt den Rücken herunterlaufen. Genau das soll wohl auch in seinem neuen, vielleicht am Ende etwas zu wendungsreichen „Tatort: Unter Feuer“ passieren.

Hat Deutschland ein Korruptions-Problem bei der Polizei?

Filme und Serien über korrupte „Bullen“ machen schon fast ein eigenes Krimi-Untergenre aus. Vielleicht einer der besten und drastischsten Filme seiner Art ist „Cop Land“ von James Mangold aus dem Jahr 1997, in dem Stars wie Sylvester Stallone, Robert De Niro und Harvey Keitel grandios die Klaviatur über Leichen gehender Korruption und einer Polizei bespielen, die mafiöser ist als die Mafia selbst.

Peter Schnabel (Martin Brambach) ruft seine Mitarbeiterinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski, rechts) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) zur Besonnenheit auf. (Bild: MDR/MadeFor/Steffen Junghans)

Peter Schnabel (Martin Brambach) ruft seine Mitarbeiterinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski, rechts) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) zur Besonnenheit auf.

Doch könnte es so etwas - der Dresdener „Tatort“ spielt mit dieser Idee - auch in Deutschland geben? Der Corruption Perceptions Index (CPI), zu Deutsch: Korruptionsindex, ist ein von Transparency International herausgegebener Kennwert zur Korruption. Betrachtet wird der öffentliche Sektor, also auch die Polizei. Deutschland lag im Jahr 2023 auf einem weltweit vergleichenden neunten Platz. Spitzenreiter im positiven Sinne ist Dänemark, auf den letzten drei Plätzen liegen Syrien, Venezuela und Somalia.

Tatsächlich hört man aus Deutschland vergleichsweise selten von systematischen Polizeiskandalen wie der in Krimis oft beschworenen Zusammenarbeit mit der Organisierten Kriminalität. In der Kritik stehen jedoch immer wieder mal vermutete fremdenfeindliche Tendenzen, wie zum Beispiel eine rechte Chatgruppe Polizei, an der fünf Polizisten des 1. Frankfurter Reviers beteiligt waren. Zum Prozess kommt es hier aber nicht, wie im Sommer 2024 abschließend das Oberlandesgericht Frankfurt entschied. Dennoch müssen die Beamten mit Konsequenzen rechnen.

Erschossene Polizisten bei Verkehrskontrolle - war da nicht was?

Die erste Szene des „Tatort: Unter Feuer“ erinnerte auf beklemmende Weise an den Tod zweier junger Polizisten im Januar 2022. Bei Kusel in Rheinland-Pfalz wurden der 29-jährige Polizeioberkommissar Alexander K. und die 24-jährige Polizeianwärterin Yasmin B. kaltblütig mit Kopfschüssen ermordet. Der Täter, Andreas S., habe so unter anderem seine gewerbsmäßige Jagdwilderei verdecken wollen, stellte der Vorsitzende Richter beim Verfahren fest. Die Tat hatte in Rheinland-Pfalz zur Folge, dass die Polizei Verkehrskontrollen auf den Prüfstand stellte.

Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Peter Schnabel (Martin Brambach) benötigen in dieser Dresdner „Tatort“-Folge Schusswesten und Handfeuerwaffen - denn die Luft wird bleihaltig. (Bild: MDR/MadeFor/Steffen Junghans)

Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Peter Schnabel (Martin Brambach) benötigen in dieser Dresdner „Tatort“-Folge Schusswesten und Handfeuerwaffen - denn die Luft wird bleihaltig.

Mittlerweile fließt verstärkt Trainingszeit in diesen Bereich, der zudem durch Bodycams, Waffen und Schutzwesten intensiver gesichert werden soll. Die Tat selbst, so Experten, hätte sich wohl aber auch so nicht verhindern lassen. Sabrina Kunz von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte ein Jahr nach der Tat, dass sich auch der mangelnde Respekt vor dem Gewaltmonopol des Staates in der Tat spiegeln würde. Knappes Personal, veraltete Gebäude und Ausrüstung führten dazu, „dass Menschen den Respekt vor dem Staat, vor staatlichen Amtsträgerinnen und Amtsträgern, Rettenden und Helfenden verlieren, solange sie sie selbst nicht benötigen“.

Wer war der (scheinbar) zwielichtige Revierleiter?

Revierleiter Jens Riebold wird vom Österreicher Andreas Lust gespielt. Lust ist einer der profiliertesten Charakterdarsteller deutscher Zunge, gerade wenn es um charismatische Nebenrollen geht. Für den 1967 geborenen Wiener war es die neunte Rolle in einem „Tatort“. Lusts bislang eindrucksvollstes „Tatort“-Jahr dürfte 2019 gewesen sein.

Damals spielte er in gleich zwei bärenstarken Folgen die Episoden-Hauptrolle: In „Für immer und dich“ (Erstsendung: 10. März 2019) aus dem Schwarzwald verkörperte er einen Mann mittleren Alters, der sich mit einer minderjährigen „Freundin“ auf der Flucht befand. Nur zweieinhalb Monate später war er im Münchener Fall „Die ewige Welle“ (26. Mai 2019) ein alternder Surfer, der nicht erwachsen werden wollte und in Konflikt mit dem Gesetz geriet. Wahrscheinlich zwei der schillerndsten „Tatort“-Rollen in der jüngeren Geschichte des Formats und zwei denkwürdige Leistungen Andreas Lusts.

Wann macht Karin Gorniak als Kommissarin Schluss?

Schon vor längerer Zeit hatte Schauspielerin Karin Hanczewski angekündigt, als Kommissarin Gorniak aufhören zu wollen, um sich anderen Aufgaben zu widmen. Nun steht tatsächlich im nächsten Film ihr endgültiger Abschied an. Der Dresdner „Tatort: Herz der Dunkelheit“ soll Gerüchten zufolge schon Anfang 2025 ausgestrahlt werden.

Letzter Gorniak-Fall im Januar 2025?

Auch wenn der „Tatort: Unter Feuer“ stark beginnt und im späteren Verlauf sogar relativ „bleihaltig“ wird - im letzten Drittel verheddert sich der Plot leider in nicht immer überzeugenden Wendungen. Ein sächsisches „Copland“, um einen der besten Filme über Polizisten, ihren Chorgeist und die teils verborgene Struktur ihrer Beziehungen zu erwähnen, ist dieser elfte Fall von Leonie Winkler und 17. der Kollegen Gorniak und Schnabel nicht. Da kann auch die stimmungsvolle, sehr besondere Musik von Tim Schwerdter und Roman Fleischer nicht helfen. Am Ende mutiert der Sachsen-Krimi dann doch ein bisschen zur Räuberpistole.

Nichtsdestotrotz: Über 70 bis 80 Minuten hält der Cop-Thriller sein Niveau und bietet viel Spannung und eine schmerzhafte Familiengeschichte. Der schon länger angekündigte Abschied von Karin Hanczewski als Kommissarin steht dann wohl in der nächsten Folge an. Gorniaks letzter Fall, der „Tatort: Herz der Dunkelheit“, soll Gerüchten zufolge schon Anfang 2025 ausgestrahlt werden. (tsch)