Lage wird immer dramatischerDroht uns die große Tourismus-Krise? Experte: „Vielleicht die letzte Lösung“

Urlauberinnen und Urlauber am Strand von Arenal auf Mallorca.

Im Jahr 2024 beginnt die Saison auf der Urlaubsinsel Mallorca schon im Februar (Symbolfoto von Juni 2023).

„Tourists go home“ - ein Appell, den man in vielen touristischen Hotspots immer wieder zu hören bekommt. Die Einheimischen haben genug vom Massentourismus und schlagen Alarm. Doch welche Maßnahmen könnten wirklich helfen?

von Paulina Meissner  (mei)

Tourismus ist kein neues Phänomen – und doch scheint sich die Lage in den Reise-Metropolen immer weiter zuzuspitzen. Die Einheimischen gehen vielerorts auf die Straßen, fordern die Regierungen auf, gezielt gegen den „Overtourism“ vorzugehen. Erste Städte reagieren mit Maßnahmen – von einem Verbot von Ferienwohnungen, bis hin zu Eintrittspreisen für Regionen ist alles dabei. Doch hilft das wirklich? Und stecken wir tatsächlich in einer Tourismuskrise?

Professor Christian Laesser ist Tourismusforscher an der Universität St. Gallen und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema. Im Interview erklärt er, welches aktuell die Hauptprobleme sind und welche Maßnahmen wirklich helfen könnten.

Regionen ächzen unter Massen-Tourismus: Mallorca, Barcelona und Co. schlagen Alarm

Der „Overtourism“ sei laut ihm kein neues Phänomen. Er erklärt: „Das gibt es schon seit längerer Zeit, eigentlich, seit es Tourismus gibt.“ Es habe sich nun allerdings auf gewisse Orte zentriert.

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Dabei gebe es besonders fünf Faktoren, die den Massentourismus weiter antreiben und die Situation für die Menschen vor Ort verschlimmern können.

Neben einer gestiegenen internationalen Nachfrage nach Reisen hätten vor allem Low-cost- beziehungsweise Low-price-Airlines dazu geführt, dass das Reisen einer deutlich breiteren Masse ermöglicht wird. War Reisen vorher finanziell bessergestellten Menschen vorbehalten, so kann heutzutage fast jeder zu erschwinglichen Preisen per Flugzeug in den Urlaub gelangen.

Ein dritter Grund sei, dass mit der wachsenden Anzahl an Plattformen eine „massive Verbreitung der Angebote stattgefunden“ hat. Durch Plattformen wie Airbnb können heute viel mehr Leute aus dem Tourismus kommerziellen Nutzen ziehen.

Kreuzfahrten großes Problem für Hafenstädte

Das Problem seien laut Laesser dabei jedoch nicht die Plattformen selbst, sondern vielmehr, dass in der Folge solcher Angebote sehr viel Raum für Urlauberinnen und Urlauber genutzt wird, der eigentlich für die Einheimischen gedacht war. Ein altbekanntes Problem, das auch auf Mallorca immer wieder für Unmut sorgt: Wohnungen werden immer teurer und von Vermietern lieber kurzzeitig als Ferienwohnungen angeboten, anstatt sie langzeitig (und zu geringeren Preisen) Einheimischen zur Verfügung zu stellen. Die Folge: Die Mietpreise steigen immer weiter an, der Wohnraum für Einheimische wird immer knapper.

Ein anderes großes Problem, sei, so Professor Laesser, vor allem in Hafenstädte zu beobachten: Kreuzfahrten. Er zeigt auf: „Das Problem ist hier die schiere Masse von Leuten, die ein Schiff ans Land wirft.“ Die 3000 bis 4000 Passagiere, die mit jedem Schiff an Land gelangen, entsprächen 30 bis 40 große Hotels. Für viele Städte eine kaum stemmbare Herausforderung.

Es gebe natürlich auch jede Menge Unternehmen, die vom Tourismus profitieren, doch die Ungleichverteilung von Nutzen und den Opfern, die dafür in Kauf genommen werden müssen, bleibe hoch, so Laesser: „Diejenigen, die mit den Kosten konfrontiert sind, die um Wohnraum und um öffentlichen Raum kämpfen, die Einheimischen, das sind mehr als diejenigen, die finanziell und wirtschaftlich vom Tourismus profitieren“.

Daraus entstehe ein Ungleichgewicht, das zu Konflikten zwischen beiden Parteien führe. Die Folge: „Ein Kampf um öffentlichen Raum“.

Welche Maßnahmen gegen Massen-Tourismus wirklich helfen könnten

Doch welche Maßnahmen könnten die Lage vor Ort entschärfen? In Barcelona plant die Regierung aktuell, Ferienwohnungen sukzessive abzuschaffen. Venedig nimmt seit einiger Zeit Eintritt von Tagestouristen. Auch der Schweizer Touri-Ort Zermatt denkt über solch eine Maßnahme nach.

Laut Professor Laesser könnte eine Kombination aus mehreren Maßnahmen durchaus zielführend sein. Zum Verbot von Ferienwohnungen merkt er an: „Es ist nicht ein Problem der Plattformen, es ist ein Problem der Raumnutzung und das ist ein örtliches Problem.“ Es liege also an den Behörden vor Ort, „die regulatorischen Rahmenbedingungen“ zu ändern, so Laesser. Ein denkbares Beispiel seien sogenannte Hotel-Zonen, die in einigen Städten schon existieren.

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Die Nutzung von öffentlichem Raum zu „kontingentieren“ und zu bepreisen, wie in Venedig, das bezeichnet er als „die vielleicht ultimativ letzte und auch die wirksamste Lösung“. Das würde bedeuten, den Zugang zu öffentlichem Raum zu beschränken und die Preise so stark anzuheben, dass nur eine gewisse Anzahl an Menschen Zugang erhält.

Ein anderes Mittel wäre, für touristische Hotspots Vorab-Reservierungen zu verlangen. In der Therme Vals, einem Thermalbad in der Graubündner Gemeinde Vals oder auf der Alhambra, im spanischen Granada, ist dies bereits jetzt die Regel. Wer nicht weit im Voraus reserviert, der bekommt keinen Zugang. Nach dem Motto „First come, first serve“. „Das sind sicher Modelle, die funktionieren können.“