Der Döner bereichert seit über 50 Jahren Gaumen und Speisezettel der Deutschen. Und der wohl leckerste Deutsch-Türke hütet zwischen Fladenbrot, Fleisch und feinem Salat so manches Geheimnis.
Über 50 Jahre DönerMit alles?! Was du über unser Lieblings-Fastfood noch nicht wusstest
Er ist üppig. Er tropft. Er ist Sattmacher oberster Schnabulanz. Er hat rund 640 Kalorien. Und er ist gar kein „er“ – zumindest nicht im Türkischen. Da ist Döner Kebab aus grammatikalischer Sicht geschlechtslos. Genderneutrales Schmackofatz also, und gesellschaftsübergreifend sowieso. Seit über 50 Jahren schmeckt der Deutsch-Türke mit dem besonderen Dreh uns allen. Der Soziologe Eberhard Seidel hat ihm ein duftes Denkmal gesetzt.
Viele lieben ihn, einige schmähen ihn, dazwischen gibt’s nichts – okay, eine Falafel vielleicht. Der Döner ist seit über 50 Jahren fester Bestandteil der Imbisskultur. Mythen und Legenden umwabern den Döner Kebab wie Knobiduft und Röstaromen.
Döner macht mehr Umsatz als McDonald's und Burger King
Die liebevoll „Dönerbuden“ genannten Imbisse in Deutschland verkaufen nicht nur Kebab im Brot, sondern auch Börek, Baklava, Bier etc. So erzielten sie 2018 laut Fachportal „Food Service“ einen Jahresumsatz von rund sieben Milliarden Euro.
Damit verweist die – nicht mit übergreifendem Filial- oder Franchisesystem vernetzte – „Dönastie“ die Systemgastro auf die Plätze. Zum Vergleich: Nach dem Döner folgen in Sachen Umsatz – die Zahlen sind von 2018:
- McDonald's (3470 Millionen Euro)
- Burger King (955 Millionen Euro
- Lufthansa Service (909 Millionen Euro)
- Tank & Rast (647 Millionen Euro)
- Nordsee (272 Millionen Euro)
Döner: Vor über 50 Jahren in Berlin erfunden – aber von wem?
In der heutigen Form ersonnen wurde das gute Stück in Berlin. Und weil Gutes immer auch ein Gesicht braucht, erklärte der 2010 gegründete „Verein Türkischer Dönerhersteller in Europa“ (ATDID) den ehemaligen Gastarbeiter Kadir Nurman zum Erfinder. Nurman (†2013) soll 1972 am Berliner Bahnhof Zoo den ersten Döner kredenzt haben.
Laut Eberhard Seidel, der sich seit 37 Jahren mit dem Imbissklassiker befasst, sei aber nachgewiesen, dass es den Döner Kebab bereits zuvor in einigen türkischen Restaurants in Deutschland gab: „Nicht vor einem einzelnen Menschen, sondern vor dieser Gründergeneration des Döner Kebabs ziehe ich meinen Hut.“
Mit dem Döner sei es seltsam: Hunderttausende essen ihn täglich, aber denen, die die Dienstleistung erbringen, werde die gesellschaftliche Anerkennung verwehrt. Dabei leistete der Döner Kebab in seinen Anfangsjahren kulturelle Aufbauarbeit: „Nicht an der Volkshochschule kamen Hans und Mustafa ins Gespräch, sondern an der Imbissbude.“
Dazu komme, so der Autor in der „Welt“, dass viele Türkinnen und Türken am Döner-Grill nicht nur das Studium ihrer Kinder finanzierten. Die damals jungen „Gastarbeiter“ der ersten und zweiten Generation zahlten auch in die deutschen Sozialkassen ein und ermöglichten die Ausbildung bio-deutscher Arbeiterkinder. Und die stärkten sich nach Büffelei und Party mit – genau: einem Döner!
„Dönastie“ in Deutschland: Wirtschaftsmacht mit 18.500 Imbissen
18.500 türkische Imbisse und Restaurants gab es 2022 in Deutschland – im Durchschnitt kommt ein Döner-Imbiss auf 4500 Personen. Kunstvoll vom meist industriell gefertigten Kegel aus Kalb-, Lamm-, Rind- oder Geflügelfleisch „gesäbelt“ wird die geröstete Köstlichkeit mit dem Dönermesser, das eine rund 55 Zentimeter lange und fünf Zentimeter breite Klinge hat.
Und angesichts der unaufhörlichen Preissteigerungen bleibt zu hoffen, dass nicht allzu viele Döner-Imbisse über die sprichwörtliche Klinge springen müssen – leider schaut es düster aus. „Ein Döner müsste eigentlich 7,30 Euro kosten“, sagte Gürsel Ülber, ATDID-Vorstandsvorsitzender.
In Berlin kostete der Döner lange Zeit um die 3,50 Euro. Nun seien es zwischen fünf und sechs Euro. Ülber hält es für möglich, dass schon in zwei bis drei Monaten die ersten Döner-Imbisse aufgeben müssen.
Trüffel, Wein und Tim Toupet: Fun Facts über den Döner
Weil es auch in der Welt des Döner nichts gibt, was es nicht gibt, hat sich auch die Berliner Hotel-Legende „Adlon“ den Döner auf die Karte gesetzt. Mit Kalbsfilet-Streifen, Trüffelcrème, Rotkohl und frisch gehobelten Trüffeln. Kosten: 26 Euro. Schluck!
Apropos Schluck: Der gute Tropfen zur tropfenden Tasche muss nicht zwangsläufig Ayran (Getränk aus Joghurt, Salz und Wasser) sein. Billy Wagner, Chef des Restaurants „Nobelhart & Schmutzig“ in Berlin empfiehlt zum klassischen Döner „fruchtigen Wein, Apfelwein mit Säure und Wein mit Kohlensäure. Die Verbindung zwischen Frucht – wie man sie vom Riesling her kennt – und der Kohlensäure im Sekt, Schaumwein oder Champagner passt sehr gut zum Döner“, sagte er dem Magazin „Vice“.
Wagner beschreibt den Döner-Geschmack als „fett, saftig, salzig, cremig und eventuell etwas scharf.“ Döner sei grundsätzlich nicht sehr komplex: „Er zielt auf die einfachen Bedürfnisse. Der Döner ist leicht zu verstehen und ist in einer Geschmackswelt daheim, die leicht verständlich ist.“
Die steile These „Döner macht schöner“ vertritt Tim Toupet seit 2008 in seinem Partyschlager „Ich bin ein Döner“. Der Friseurmeister aus Köln schuf darin Zeilen für die kulinarische Ewigkeit. Und jetzt alle: „Ich hab’ ’ne Zwiebel auf dem Kopf, ich bin ein Döner...“
Groß, teuer, viel: Der Döner feiert Rekorde
Der Döner wartet nicht nur mit Sauce, Zwiebeln und Salat auf, sondern auch mit allerlei Rekorden. Die da wären:
- Die größte Dönertasche der Welt wurde von Mitarbeitenden des Berliner Radiosenders „98.8 KISS FM“am 20. Oktober 2017 zubereitet. Satte 423,5 Kilo schwer, belegt mit Salat, Fleisch und Kohl. Olaf Kuchenbecker vom Rekord-Institut für Deutschland (RID) sagte: „Wir haben Kräutersoße verwendet. Knoblauch hätte bei der Größe für zu viel Geruchsbelästigung gesorgt.“
- Die meisten Döner auf einen Streich, nämlich 52, verputzte Mehmet Aslan aus dem türkischen Sanliurfa im Juni 2002. Er musste danach von drei Mann weggetragen werden.
- Den wohl teuersten Döner Deutschlands gibt's bei „Hans Kebab“ in München. Die Variante „From Istanbul to Tokyo Premium Döner Kebab“ kostet 35 Euro und bietet laut Karte „Dönerbrot, japanisches Kagoshima Wagyu, Wakame-Trüffel, Pastinaken-Püree, Grünzeug, Togarashi Gewürz, Kräuter- Joghurtsauce“.
- Der schnellste Dönerverkäufer (was die Steuererklärung angeht) ist laut Guinness Buch Imbiss-Besitzer Vergi Beyannamesi aus Berlin: Für seine Einkommenssteuererklärung brauchte er 5,23 Minuten – Weltrekord!
Döner Dürüm, türkische Pizza: Varianten unsers Lieblings-Fastfoods
Alternativ zum klassischen Döner-Kebab-Sandwich (mit Fladenbrot) gibt es unter anderem diese – mehr oder weniger verlockenden – Spielarten:
- Dürüm: Dünnes Fladenbrot – meist aus Yufka-Teig – wird mit Fleisch, Salat und Sauce eingerollt (deutlich verringerte Einsau-Gefahr).
- PomDöner oder Dönerbox: Schlicht und unsinnlich werden Fleisch, Sauce und Pommes in eine Pappschachtel geschichtet.
- Lahmacun oder türkische Pizza: In den mit Hackpaste bestrichenen dünnen Teigfladen werden Fleisch, Salat und Sauce eingerollt.
- Yaprak: Der „Scheiben-Döner“ besteht aus geschichteten und gegarten Fleischscheiben ohne Hack als Verbindungsmasse.
- Veggie Döner: Hier kommt statt des Fleisches Falafel (Kichererbsen-Frikadelle) und/oder Salat in die Tasche. Für Eberhard Seidel ist „ein fleischloser Döner wie Wein ohne Alkohol“. Für Millionen Vegetarier ist er einfach lecker.
- Kartoffel-Döner: Erfindung von Hani Alhay aus Oldenburg. Bei ihm drehen sich Erdäpfel und Fleisch vereint am Spieß. Im Winter bietet er Grünkohl-Döner an: „Meine Liebeserklärung an die deutsche Bevölkerung. Viele Jugendliche essen mehr Döner als Grünkohl.“ Er wolle auf seine Weise die regionale Esskultur erhalten. Und er mag den als „Norddeutsche Palme“ titulierten Kohl: „Wenn ein Araber etwas von einer Palme hört, dann freut er sich.“
- Hawaii-Döner: Laut Eberhard Seidel „origineller und verwegener Beitrag Ostdeutschlands zur Entwicklung des Döner“. Nach der Wende analog zum „Toast Hawaii“ kreiert. Man liebt oder hasst ihn. Dazwischen gibt’s nix.
- Übrigens: Rotkohl ist eine rein deutsche Beilagen-Erfindung – und hat im klassischen Döner nichts zu suchen.