Ex-Torhüter Toni Schumacher ist eine der größten Legenden des 1. FC Köln. An der Sporthochschule hat er über die Höhen und Tiefen seiner Karriere gesprochen.
„Das durfte nicht rauskommen“Toni Schumacher verrät Karriere-Geheimnis und beklagt schlimme Drohungen
Er war einer der besten Torhüter, die Deutschland je hervorgebracht hat: Toni Schumacher (70) machte in seiner Karriere 76 Länderspiele, wurde 1980 Europameister und 1982 und 1986 Vizeweltmeister. Für den 1. FC Köln absolvierte er 422 Spiele, gewann 1978 das Double und 1977 und 1983 den DFB-Pokal.
Zudem wurde er türkischer Meister mit Fenerbahce Istanbul (1989) sowie im Jahr 1996 noch einmal Deutscher Meister mit Borussia Dortmund – mit 42 Jahren als eingesetzter Spieler bis heute der älteste Meister der Historie. Der „Tünn“ polarisierte aber auch, weil er gerade heraus war.
1. FC Köln: Legende Toni Schumacher spricht über Höhen und Tiefen
Am Dienstag, 28. Januar 2025, war Schumacher zu Gast an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Er sprach mit dem Journalisten und Buchautor Stephan Klemm über seine bewegende Karriere und die Rolle der Medien.
Das Institut für Kommunikations- und Medienforschung unter der Leitung von Dr. Christoph Bertling hatte diese besondere Vorlesung vor den Studierenden organisiert. Es wurde ein emotionaler Nachmittag, Schumacher sprach über Höhen und Tiefen seiner Karriere.
Der „Tünn“ über…
... seine Ursprünge in Düren: „Ich komme aus einer relativ armen Familie. Wir haben zu viert in 43 Quadratmetern gewohnt, ich habe mir bis 16 das Zimmer mit meiner Schwester geteilt. Mein Vater hat am Bau gearbeitet, meine Mutter hat in der Nachbarschaft genäht.“
... über seinen Ehrgeiz: „1972 bin ich zum 1. FC Köln gekommen. Ich hatte gehört, dass mein großes Vorbild Sepp Maier 403 Spiele hintereinander gemacht hat. Das wollte ich auch schaffen. Ich wollte den Rekord brechen. Dann habe ich gespielt mit gebrochenen Fingern, mit gebrochener Nase, mit Nierenbluten, mit einer Fleischwunde, die mit 28 Stichen genäht werden musste, mit Kreuzbandriss – immer weiter. Bis ich bei 213 war. Da habe ich mich über die Medien öffentlich beschwert, dass wir nicht gut in die Mannschaft investiert haben, um mit den Bayern mitzuhalten. Daraufhin hat man mich für ein Spiel gesperrt, gegen Mannheim. Ich wollte das noch abwenden, habe damals 120.000 Mark brutto im Jahr verdient. Ich habe gesagt, dass ich davon 50.000 Euro zurückzahle, wenn sie mich spielen lassen. Das wurde abgelehnt, sie wussten wie sie mich bestrafen konnten.“
… über die Medien damals: „Social Media gab es nicht. Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis zu den Journalisten. Das war ein Geben und Nehmen. Aber man musste Leistung auf dem Platz bringen. Wenn Schlusspfiff war, kamen alle Journalisten auf den Platz gerannt, da hatte man keine Zeit erstmal runterzukommen, da wurde man nicht von einem Pressesprecher auf Fragen vorbereitet.“
… über sein Enthüllungs-Buch „Anpfiff“ aus dem Jahr 1987: „Da schrieb ich über Frauen im Trainingslager, Saufen und Pokern um viel Geld. Alles, was da stand, war die Wahrheit, aber dafür hat man mich rausgeschmissen beim FC und der Nationalmannschaft. Das wollte man nicht hören, man hat sich aber nur auf die negativen Schlagzeilen gestürzt. In dem Buch habe ich auch den vierten Schiedsrichter, den Videobeweis gefordert, oder mehr Komfort in den Stadien sowie mehr Frauen und Kinder in den Stadien. Das hat aber keinen interessiert.“
… über das EM-Finale 1980, 2:1 gegen Belgien: „Ich habe damals mit gebrochenem Mittelhandknochen gespielt. Im Training hatte ich mich verletzt, da habe ich meinen Arzt aus Deutschland einfliegen lassen. Der hat mich, ohne dass es jemand anderes wusste, fitgespritzt. Das wäre heute undenkbar, dass nur mein Arzt und ich das wussten.“
... über Verletzungstricks: „Als ich mal den kleinen Finger gebrochen hatte, habe ich zwischen dem und dem Ringfinger eine Haarnadel von meiner Schwester eingenäht. So war das ein stabiler Finger und ich konnte spielen. Ich hab gedacht: Ich habe nicht einen kaputten Finger, sondern neun gesunde.“
Toni Schumacher: „Sie sahen in mir den gefühlskalten Brutalo“
... über Mentaltraining: „Ich habe als 18-Jähriger schon autogenes Training gemacht. Das durfte nicht rauskommen aus Angst vor Schlagzeilen: ,Kölner Torwart liegt bei Psychologen auf der Couch‘. Meine Therapeutin hat mir einen Satz mitgegeben, der sich bei mir eingebrannt hat: Du bist der Tiger, der Ball ist die Beute. Solang der Schiedsrichter nicht abpfeift, behältst du die Beute im Auge.“
… über sein Foul an Patrick Battiston im WM-Halbfinale gegen Frankreich 1982: „Ich bin rausgelaufen und wollte den Ball abfangen. Als ich abgesprungen war, konnte ich nicht mehr ausweichen. Er war bewusstlos, ich wusste, dass etwas Schlimmes passiert war. Ich bin damals auf dem Platz nicht zu ihm gegangen, weil ich nicht wollte, dass die Situation weiter eskaliert. Nach der WM bin ich zu ihm nach Frankreich gefahren und habe mich persönlich entschuldigt. Er hat das angenommen, damit war die Sache zwischen uns eigentlich erledigt.“
... über die Auswirkungen des Fouls auf seine Person durch die Medien: „Die Franzosen sahen in mir den gefühlskalten Brutalo oder das wilde Tier. Als Schurke habe ich mich aber nie gefühlt. Das hat alles aber schon viel mit mir gemacht. Ich habe mich zurückgezogen. Es gab Morddrohungen und Entführungshinweise, sie wollten meine Kinder, ich bekam Personenschutz. Das hat sich alles sehr langsam wieder beruhigt. Ich war nicht mehr so offenherzig und bin nicht mehr so leicht durchs Leben gegangen.“
... über einen unerfüllten Wunsch: „Ich wäre gerne mal nach Frankreich gegangen, hätte dort gespielt, um die Menschen davon zu überzeugen, was ich wirklich für ein Kerl bin. Das hat leider nicht geklappt. Beim nächsten Länderspiel in Straßburg hing ich im Fanblock als Puppe am Galgen. Ich war dann in Frankreich in zwei Abendshows und habe meine Sicht erklärt, das Publikum durfte abstimmen, ob sie mir glauben, sie haben für mich gestimmt.“
... über Emotionen im Sport: „Ich brauchte das. Wenn ich beim Aufwärmen nicht bei 100 Prozent war, bin ich auch schon mal vor die Fans von Borussia Mönchengladbach gegangen und habe ein paar Gesten gemacht. Dann kam eine Reaktion, die habe ich dann genutzt, um die letzten zwei, drei Prozent herauszukitzeln. Heute finde ich Rivalitäten gut. Solange es im Rahmen bleibt. Sie sollen singen und klatschen, aber keinen diskreditieren. Und die Fans sollen mit ihren Pyros aufpassen. Der 1. FC Köln zahlt jetzt schon wieder eine Million Euro Strafe für das letzte große Pyro. Davor waren es schon 600.000 Euro. Macht 1,6 Millionen nur für Pyro – da könnte man schon einen guten Spieler holen.“