Interview

„Das ist, was zählt“Schwäbe über seine FC-Zukunft, Urbigs Bayern-Wechsel und den Aufstiegskampf

Marvin Schwäbe (1. FC Köln) mit Ball.

Torhüter Marvin Schwäbe (1. FC Köln), hier am 25. Januar 2025 beim Aufwärmen.

Torhüter Marvin Schwäbe hat großen Anteil daran, dass der 1. FC Köln aktuell die Tabelle der 2. Liga anführt. Im Interview mit EXPRESS.de spricht er über Torhütermacken, das Aufstiegsrennen und Jonas Urbig.

von Uwe Bödeker  (ubo)

Mit ihm im Tor schob sich der 1. FC Köln auf Platz 1 der Tabelle vor. Auch vor dem Derby gegen Düsseldorf (Sonntag, 23. Februar 2025, 13.30 Uhr, Sky und Liveticker auf EXPRESS.de) ist der FC noch Spitzenreiter der 2. Liga. Im Aufstiegskampf vertraut ganz Köln den Händen von Marvin Schwäbe (29). Das große EXPRESS.de-Interview mit dem Keeper.

Marvin, bereitet dir der Blick auf die Tabelle aktuell schlaflose Nächte?

Marvin Schwäbe schmunzelt: „Nachts habe ich eher mit unseren Kindern (Sohn 1, Tochter 2, Anm. d. Red.) zu tun. Aber tagsüber beschäftigt einen das schon, wenn man im Austausch mit Familie, Freunden oder Bekannten ist. Da wird mir immer wieder bewusst, wo wir stehen und dass man an jedem Spieltag gefühlt von Platz 1 auf Rang sechs rutschen kann. Das ist schon krass.“

Alles zum Thema 2. Fußball-Bundesliga

Kölns Torwart Marvin Schwäbe: Vorbild war Manuel Neuer

Wie ist da die Stimmung im Team, wenn man in so einer Phase ein 0:3 in Magdeburg kassiert – sehr angespannt?

Schwäbe: „Angespannt in dem Sinne, dass wir gemerkt haben, dass es kein Spiel war, wie wir uns es vorgestellt haben. Aber wir wissen auch, dass wir es wesentlich besser können. Ich glaube, das gibt dann auch einen Extra-Kick für den weiteren Fokus. An unseren Abläufen ändert so eine Niederlage nichts.“

Wie bleibt man in so einem Aufstiegsrennen cool?

Schwäbe: „Es ist rund um den FC natürlich immer ein großes Thema, gerade wenn das Aufstiegsrennen so eng ist. Aber bei uns in der Mannschaft bestimmen der Alltag und das Training die Themen. Wir denken nicht darüber nach, gegen wen wir in zwei oder drei Wochen spielen, oder ob das der Monat ist, in dem sich alles entscheidet. Wir gucken von Spiel zu Spiel und stellen uns auf jeden Gegner in der Spielanalyse ein. So bleiben wir voll bei uns.“

Am Wochenende kommt Düsseldorf zum Derby nach Köln – gehst du in so ein Spiel eher als Ruhepol rein oder magst du es auch mal etwas emotionaler, mit Trash-Talk und Aggressivität?

Schwäbe: „Ich glaube, das entwickelt sich. Auf der einen Seite bin ich eher ruhiger, das ist auch mein Spiel. Wenn ich mit 180 Puls auf den Platz gehe und alles wegfressen will, dann bin ich vielleicht nicht mehr bei mir. Aber sowas kann sich auch im Spiel entwickeln, je nachdem was von den Fans oder von den Gegnern kommt. Da kann man schon mal emotionaler oder aggressiver werden.“

Wer ist bei euch im Team, derjenige, der da emotional Akzente setzt, Dominique Heintz?

Schwäbe lacht: „Ich will jetzt keine Namen nennen, aber es gibt schon den ein oder anderen, der sein Temperament nur schwer zügeln kann.“

In der deutschen Torhüter-Historie gab es auch einige Kandidaten: Toni Schumacher oder Oliver Kahn – das waren schon spezielle Keeper, die mit Schaum vor dem Mund rauskamen oder auch mal beißen wollten. Da hieß es oft, die Torhüter haben einen Pfeil im Kopf oder eine Macke. Ist das bei den heutigen Keepern etwas verloren gegangen?

Schwäbe: „Das hat sich schon ein bisschen normalisiert, wir Torhüter stechen nicht mehr so aus der Menge heraus. Aber trotzdem braucht man einen kleinen Schuss, wenn man sich aus zwei Metern ins Gesicht schießen lässt.“

Du würdest also schon sagen, dass du einen kleinen Schuss hast?

Schwäbe (lacht): „Ja, den hat doch jeder. Jeder Mensch hat seine Macken, aber ich glaube nicht, dass es so außerordentlich ist, wie es damals in der Torhüter-Generation war.“

Interview mit Marvin Schwäbe (1. FC Köln).

Torhüter Marvin Schwäbe (l., 1. FC Köln) beim Interview mit EXPRESS.de-Reporter Uwe Bödeker am 19. Februar 2025 im Geißbockheim.

Wer war als Kind dein Vorbild als Torwart?

Schwäbe: „Als kleiner Junge habe ich noch im Feld gespielt, da war Oliver Kahn der Top-Keeper. Als ich den Sprung ins Tor gemacht habe, war es schon Manuel Neuer.“

Toni Schumacher hat letztens bei einer Vorlesung an der Sporthochschule nochmals erzählt, mit welchen Verletzungen er alles gespielt hat – Nierenbluten, Kreuzbandriss, Handbruch. Passen Profis heute besser auf ihren Körper auf? Riskiert man nicht mehr die eigene Gesundheit für die Karriere?

Schwäbe: „Es muss ein gesundes Maß geben. Es gibt Spieler, die halten mehr aus, manche dagegen eher weniger. Es gibt welche, die selbst mit einem Kreuzbandriss nochmal probieren, aufs Feld zu laufen, andere bleiben sofort liegen. Generell hat das nichts damit zu tun, ob einer schwächelt oder der andere stark ist. Sondern nur, wie man mit solchen Situationen umgeht und was man aushalten kann. Zudem hat heute die medizinische Abteilung noch intensiver die Hand drauf als noch vor ein paar Jahren. Es geht ja auch darum, dass der Spieler keine langfristigen Probleme bekommt. Und man soll so viele Spiele wie möglich für den Verein machen.“

Achtest du besonders auf die Ernährung und deinen Körper? Kann man da auch vorbeugen, um die tägliche Belastung mit Stürzen auf die Hüften, die Schultern oder die Arme abzumildern?

Schwäbe: „Man sollte gesund leben. Vor allem geht es um Behandlungen und Massagen, Muskeln und Gelenke sollten gut eingestellt sein. Und natürlich spielt eine gute Ernährung auch eine wichtige Rolle.“

Viele loben dich als ruhigen Turm in jeder Schlacht. Meditierst du abseits des Platzes oder ist dir diese Ruhe gegeben?

Schwäbe: „Das ist tatsächlich mein Naturell – meine Familie sieht das vielleicht ein bisschen anders (lacht). Aber gerade auf dem Platz bin ich eher der Ruhepol. Das möchte ich auch ausstrahlen.“

Du hast drei Jahre in Dänemark gespielt, sprichst du die Sprache und kannst dich hier mit den Dänen Matthias Olesen und Jacob Christensen unterhalten?

Schwäbe: „Dänisch? Keine Chance, das war zu schwer. Deutsch ist ja auch schwierig zu lernen, wenn man nicht damit aufgewachsen ist, bei Dänisch ist es ähnlich.“

Du bist Meister geworden mit Bröndby – willst du noch weitere Erlebnisse sammeln, oder fühlst du dich in Köln angekommen?

Schwäbe: „Ich habe schon viel erlebt und einiges erreicht, war U19-Meister mit Hoffenheim, U21-Europameister 2017 mit Deutschland, dänischer Meister – warum nicht auch Zweitligameister? Trotzdem sind meine Familie und ich jetzt sehr gerne hier. Es geht nicht mehr nur darum, etwas Außergewöhnliches zu erleben. Wir fühlen uns hier sehr wohl, das ist das, was erstmal zählt.“

Das letzte halbe Jahr war turbulent – da hat man gesehen, wie es im Leben manchmal kommt. Zunächst war Jonas Urbig die Nummer 1, dann du wieder und Urbig ging zu den Bayern. Wie hast du ihn erlebt in Köln, kann er es packen in München?

Schwäbe: „Er ist ein guter Junge mit Qualitäten. Er ist nicht ohne Grund zu den Bayern gewechselt. Für ihn ist es grundsätzlich ein guter Schritt gewesen, um auf die Top-Bühne zu kommen und nächstes Jahr vielleicht auch seine Spiele zu machen.“

Hat er mit dir über den Schritt im Vorfeld gesprochen, holt man sich da Rat von einem erfahrenen Keeper?

Schwäbe: „Nein, da haben wir nicht drüber gesprochen, das entscheidet jeder für sich.“

Du bist bei den Fans in Köln sehr beliebt, besonders bei den Kleinen. Wie viele Torwarthandschuhe verschenkst du eigentlich in einer Saison?

Schwäbe: „Ich habe das Privileg, dass ich bei jedem Spiel neue Handschuhe anziehen kann. Die trage ich dann meistens auch noch in der Trainingswoche danach. Da sind es schonmal 35 bis 40 Handschuhe, die ich im Verlaufe einer Spielzeit verteilen kann. Die gebe ich gerne raus an kleine Kinder, die lieb fragen nach dem Training oder auch mal bei einem Spiel. Es ist doch schön, wenn man den ein oder anderen glücklich machen kann.“

Gibt es bei den Handschuhen Besonderheiten?

Schwäbe: „Gerade für uns Profis ist das angepasst, da ist der Grip ein bisschen anderes.“

Hast du eigentlich einen Aberglauben oder besondere Rituale vor den Spielen?

Schwäbe: „Es sind eher gewisse Abläufe, die ich nicht mehr ändere. Ich ziehe erst den linken Schuh an, den rechten binde ich dann aber zuerst. Und dann ziehe ich erst den linken Handschuh an, dann den rechten. Das ist so drinnen bei mir, wenn ich das anders machen würde, wäre das ein bisschen ungewohnt. Aber einen richtigen Aberglauben habe ich nicht.“

Wir haben noch eine kleine Blitzfragerunde: Kölsch oder Wein?

Schwäbe lacht: „Das ist schon schwierig – wann denn ist die Frage? Schmeckt auf jeden Fall beides gut.“

Bargeld oder Karte?

Schwäbe: „Karte.“

Halve Hahn oder Mettbrötchen?

Schwäbe: „Halve Hahn.“

Berge oder Meer und Strand?

Schwäbe: „Lieber Meer und Strand.“

Schlager oder Rock/Pop?

Schwäbe: „Schlager – aber nicht dauerhaft. Ich sage: eher deutsche Musik.“

Kraftraum oder Joggen?

Schwäbe lacht: „Kraftraum – du sprichst mit einem Torwart.“

Dreierkette oder Viererkette?

Schwäbe: „Bringt beides was mit sich, aber aktuell Dreierkette.“

Baumgart, Schulz oder Struber?

Schwäbe: „Alle Trainer haben ihre Stärken, alle haben sich hier super eingebracht. Es gab eigentlich immer eine gute Atmosphäre und ein gutes Klima. Das gibt es in gewissen Phasen nicht bei jedem Coach. Der Umgang miteinander war aber bei allen drei Trainern hier zuletzt top.“

Derbys gegen Düsseldorf, Leverkusen oder Mönchengladbach?

Schwäbe: „Am liebsten alle drei in der nächsten Saison in der 1. Liga.“