Die Skandal-Szenen ungarischer Fans bei der EM 2021 bescherten der Nationalmannschaft eine satte Strafe inklusive Geisterspiel. Beim Nations-League-Duell mit England gab es neuen Wirbel – hat der nun Konsequenzen?
Eklat in Nations LeagueUngarn-Fans schockieren erneut – folgen Konsequenzen für DFB-Duell?
Der ungarische Fußball-Verband hat mit einem Griff in die Trickkiste dafür gesorgt, dass das umjubelte 1:0 gegen England am Samstag (4. Juni 2022) in der Nations League nicht wie eigentlich angeordnet als Geisterpartie über die Bühne ging.
Etwa 30.000 Zuschauerinnen und Zuschauer waren in die Puskás-Aréna in Budapest gekommen. Und das, obwohl die UEFA Ungarn wegen Rassismus- und Diskriminierungs-Vorwürfen gegen die Fans bei der EM im Vorjahr zu mindestens zwei Spielen ohne Publikum verurteilt hatte. Doch der ungarische Verband nutzte ein Hintertürchen, um doch noch Tausende Zuschauer ins Stadion zu bekommen.
Diese sahen dann, wie Dominik Szoboszlai (21) von RB Leipzig die Ungarn nach 66 Minuten mit einem schmeichelhaften Elfmeter zum Sieg schoss. Es war der erste Sieg für die Gastgeber gegen England seit mehr als 60 Jahren.
Nations League: Ungarischer Verband umgeht Geisterspiel-Strafe
Allerdings: Eigentlich hätten überhaupt keine Menschen im Stadion sein sollen. Ungarische Fans hatten bei den Gruppenspielen gegen Portugal, Deutschland und Frankreich bei der Europameisterschaft 2021 homophobe Parolen gerufen und Plakate mit diskriminierenden Äußerungen hochgehalten. Zudem waren französische Spieler rassistisch beleidigt worden.
Zu einem ähnlichen Vorfall kam es beim WM-Qualifikationsspiel gegen England, wo unter anderem der Dortmunder Jude Bellingham (18) rassistisch beleidigt wurde. Die Fans machten Affenlaute und verschmähten die englische Truppe. Auch die FIFA belegte Ungarn daher mit einem Geisterspiel, das im folgenden Quali-Heimspiel gegen Albanien stattfand.
Nations League: Ungarn-Fans buhen Engländer für Anti-Rassismus-Geste aus
Und auch vor dem Anpfiff der Partie gegen England benahmen sich die Heim-Fans – obwohl zum Großteil Kinder – wieder daneben! Als die Engländer und die Ungarn zunächst eine gemeinsame Schweigeminute für die am 1. Juni verstorbene Ungarn-Legende István Szőke (†75) abgehalten hatten, gingen die „Three Lions“ – wie seit einiger Zeit üblich – auf die Knie. Mit der Geste setzen aktuell Teams verschiedenster Sportarten ein Zeichen gegen Rassismus.
Die Geste passte offenbar vielen Anhängern auf den Rängen nicht. Es ertönten sofort lautstarke Buh-Rufe. Sympathiepunkte sammeln die Ungarn also auch weiterhin nicht...
Unverständnis auch bei den Gästen: „Ich verstehe nicht, warum Leute sich entscheiden, diese Geste auszubuhen“, sagte England-Coach Gareth Southgate (51) bei Channel 4 über die Pfiffe beim Kniefall. „Wir gehen auch auf die Knie, um Leute in der Welt zu erziehen und das Bewusstsein zu schärfen. Die Kinder können nicht wissen, warum wir das tun, aber sie werden offenbar von den Erwachsenen beeinflusst.“ Abwehrmann Conor Coady (29) meinte: „Das ist extrem enttäuschend. Es ist wichtig, dass die Leute verstehen, warum wir das machen.“ Über die Buh-Rufe sagte er: „Das ist nichts, was wir hören wollen.“
Ungarn-Fans buhen Engländer aus: Konsequenzen für DFB-Duell?
Hat der neuerliche Vorfall nun womöglich auch Konsequenzen für die anstehende Partie der Ungarn gegen die deutsche Mannschaft? Am Samstag (11. Juni, 20.45 Uhr) gastiert das DFB-Team in Budapest zum dritten Nations-League-Spiel der neuen Saison. Ob die UEFA die Ungarn für das Heimspiel mit einer neuen Strafe belegt, ist bislang noch unklar.
EM 2021: Ungarische Fans mit rassistischen Anfeindungen
Die Vorfälle bei WM und EM wurden seinerzeit unabhängig von unterschiedlichen Organisationen untersucht. Weil die WM-Quali als FIFA-Wettbewerb gilt, EM, Nations League und die anschließende EM-Quali von der UEFA organisiert werden, müssen die Geisterspiele in den entsprechenden Wettbewerben stattfinden.
Doch der ungarische Verband nutzte nun gegen die Engländer ein Hintertürchen, um die Strafe zumindest teilweise zu umgehen. Es geht um Artikel 73h der UEFA-Rechtspflegeordnung. Demnach dürfen bei Spielen unter Ausschluss der Öffentlichkeit Kinder bis 14 Jahre das Spiel kostenlos verfolgen, wenn sie eingeladen und von einem Erwachsenen begleitet werden. Nach Informationen der BBC waren für Samstag bereits 30.000 Kinder registriert.
Englands Nationaltrainer Southgate erklärte, dass er von dieser Sonderregelung nichts gewusst habe. Sein Team war ebenfalls zu zwei Geisterspielen wegen Vorkommnissen beim EM-Finale 2021 verurteilt worden. „Ich denke, wir sind alle überrascht“, erklärte der Nationalcoach, „Wir müssen konsequent zu unseren Überzeugungen stehen“, wonach Diskriminierung und Rassismus „inakzeptabel“ seien.
Ungarn und England spielen gemeinsam mit Deutschland und Italien in der Nations-League-Gruppe A3. Wie die BBC weiter berichtete, plant auch der englische Verband für die Partie am 11. Juni 2022 gegen Italien in Wolverhampton auf Artikel 73h zu setzen. Dann sollen allerdings nur etwa 2000 bis 3000 Zuschauer im Stadion sein. Diese werden zum größten Teil Kinder sein, in Begleitung von Erwachsenen aus umliegenden Fußballklubs rund um Wolverhampton.
„Hoffentlich werden die jungen Menschen im Stadion erkennen, wie sie zu dieser Gelegenheit gekommen sind“, appellierte Southgate bezüglich der Vorkommnisse seitens ungarischer Fans, „Hoffentlich kommt diese Botschaft bei ihnen an.“ Für die Partie zwischen Ungarn und Deutschland (11. Juni) darf der ungarische Verband das Stadion wieder komplett auslasten, falls es zuvor nicht zu weiteren Zwischenfällen gekommen ist. (dpa/fr/kos)