Kommentar zur Frauen-WMDie Ausreden nach der Niederlage erinnern an die Männer

Die DFB-Frauen verlieren das zweite WM-Gruppenspiel gegen Kolumbien 1:2. Die Leistung war nicht gut, die Analysen nach der Niederlage sind aber das eigentliche Problem. Ein Kommentar.

von Denis Canalp  (can)

Nach dem Traumstart gegen Marokko hat die deutsche Frauen-Nationalmannschaft bei der WM in Australien und Neuseeland im zweiten Gruppenspiel eine empfindliche 1:2-Niederlage gegen Kolumbien kassiert – und weckt damit Erinnerungen an die vergangenen Männer-Turniere.

Dabei geht es nicht allein um die Niederlage, die sportlich ganz sicher nicht unverdient war. Ja, Deutschland hatte mehr Ballbesitz, sogar mehr Torschüsse als Kolumbien. Klare Torchancen aus dem Spiel heraus blieben jedoch Mangelware, ein Elfmeter führte zum zwischenzeitlichen Ausgleich durch Alexandra Popp.

Auch gegen Marokko war spielerisch längst nicht alles perfekt

Das ist deshalb alarmierend, weil dieser Fakt auch den 6:0-Auftaktsieg gegen WM-Neuling Marokko in einem anderen Licht erscheinen lässt. Zur Erinnerung: Im ersten Gruppenspiel traf Popp zweimal per Kopf nach Standardsituationen, die Marokkanerinnen halfen mit zwei Eigentoren aber auch noch kräftig mit.

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Kolumbien wiederum spielte die DFB-Auswahl nicht an die Wand, fand aber über den Kampf ins Spiel und noch viel wichtiger: Die Südamerikanerinnen verhinderten so, dass die deutschen Spielerinnen Spielfluss fanden.

Die Vorbereitung der deutschen Frauen lief schon mehr als holprig. Gegen Vietnam reichte es gerade noch zu einem 2:1, das 2:3 gegen Sambia bei der Generalprobe verhieß wenig Gutes für das Turnier in Australien und Neuseeland. Umso erfreulicher war das Ergebnis zum Auftakt – doch nun der Rückschlag.

Schlimmer noch als das Ergebnis gegen die Südamerikanerinnen war der Umgang mit der Schlappe. Sätze wie die von Kapitänin Popp und Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg lassen die Alarmglocken schrillen. „Wir hatten das Spiel im Griff, aber der letzte Mut hat gefehlt“, sagten beide fast wortgleich.

Das klingt schon sehr verdächtig nach Durchhalteparolen. Und, da wären wir auch schon wieder bei der Männer-Nationalmannschaft um Bundestrainer Hansi Flick. Dort standen solche Ausreden zuletzt regelmäßig an der Tagesordnung.

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Nun hält die Schönfärberei auch bei der Frauen-Nationalmannschaft Einzug. Zuschauer und Zuschauerinnen fühlen sich unweigerlich an die WM-Enttäuschungen der Männer in Russland 2018 und in Katar 2022 erinnert. Damit die Erinnerungen nicht noch lebendiger werden, muss die DFB-Auswahl im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea jetzt noch die Kurve kriegen.

Und die Chancen stehen gut, dass Deutschland das Spiel gegen die Asiatinnen erfolgreich gestaltet. Südkorea verlor bislang beide Gruppenspiele (0:2 gegen Kolumbien, 0:1 gegen Marokko) und wartet sogar noch auf das erste Tor bei der WM. Wenn die Deutschen sich auf ihre Stärken besinnen, nutzlosen Ballbesitz in direkte Angriffe verwandeln, sollte es zumindest gegen Südkorea reichen.

Doch Vorsicht! Südkorea im letzten Gruppenspiel, da war doch was. Genau, 2018 unterlagen die deutschen Männer noch mit Bundestrainer Jogi Löw den zuvor noch punktlosen Asiaten 0:2 und traten vorzeitig die Heimreise an. Und wie damals braucht Deutschland am Donnerstag (12 Uhr/Liveticker) einen Sieg, um sicher das Achtelfinale zu erreichen.

„Sorgen helfen nicht“, kommentierte Voss-Tecklenburg die Frage nach einem möglichen Vorrunden-Aus der DFB-Elf. Das stimmt. Sorglosigkeit allerdings auch nicht. Selbstkritik und Arbeit hingegen schon.