„Ein paar Sekunden später vorbei“DAZN-Experte Sandro Wagner spricht über denkwürdigen Anruf von Löw

Unterhachings Trainer Sandro Wagner klatscht am Spielfeldrand.

3. Oktober 2022: Sandro Wagner als Trainer der SpVgg Unterhaching in der Regionalliga.

Ex-Fußballprofi Sandro Wagner wurde 2018 kurz vor der WM in Russland vom damaligen Bundestrainer Jogi Löw aussortiert – nun hat er über das bittere Telefonat berichtet.

Als Stürmer reiste Sandro Wagner (35) durch die Bundesliga: FC Bayern München, Werder Bremen, Hertha BSC, Darmstadt 98, TSG Hoffenheim – das waren einige Stationen seiner Laufbahn, bei denen er mehr oder weniger erfolgreich war.

Die Karriere in der Nationalmannschaft war allerdings alles andere als zufriedenstellend für den heutigen TV-Experten (DAZN, ZDF) und Trainer von Regionalligist Unterhaching (bis Sommer 2023). Jetzt sprach Wagner (acht Länderspiele, fünf Tore) Mitte April 2023 nochmal über das bittere Aus unter dem damaligen Bundestrainer Joachim Löw (63) beim DFB.

Sandro Wagner: So lief die Ausbootung kurz vor der WM 2018

Der Stachel sitzt nach wie vor tief. Der Offensiv-Riese (1,94 Meter) hatte kurz vor seinem großen Traum, der Fußball-WM 2018 in Russland, einen herben Dämpfer hinnehmen müssen. Wagner war von Löw nicht nominiert worden.

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„Ich weiß es noch ganz genau: Es war ein Frühsommertag unter der Woche, ich war mit meiner Frau und meinem besten Freund gerade in Italien, dort wollte ich ein Haus kaufen und hatte einen Termin beim Notar“, erzählt Wagner beim Magazin „11Freunde“. Wagner ging da noch fest davon aus, dass er beim Turnier in Russland dabei sein werde, DFB-Kollegen luden ihn in WhatsApp-Gruppen ein und „Joshua Kimmich fragte, ob wir in Russland auf ein Zimmer gehen wollen. Die Spieler aus Dortmund schrieben mir: 'Freust du dich?' und 'Kommt deine Frau mit?' Das Problem: Ich hatte noch nichts vom Bundestrainer gehört.“

Dann nahm das Unheil aus Wagners Sicht seinen Lauf: „Gegen 23 Uhr, ich saß im Auto zurück nach München, den Brenner hatten wir gerade hinter uns gelassen, da klingelte mein Handy. Ich habe auf Lautsprecher gestellt: 'Du bist nicht dabei', sagte Jogi Löw. Ohne weitere Begründung.“ Rumms! „Ein paar Sekunden später“ war das Telefonat auch schon wieder vorbei.

Wagner war am Boden zerstört: „Meine Frau, mein bester Freund und ich sprachen bis München kein Wort mehr miteinander. Es war mein Traum, für Deutschland zu einer WM zu fahren und der hatte sich nicht erfüllt. Meiner Mei­nung nach unge­rech­ter­weise.“

Ex-Bundesliga-Trainer ohne Job

Diese ehemaligen Coaches der Bundesliga sind aktuell zu haben

Urs Fischer und Bruno Labbadia stehen gemeinsam unter einem Regenschirm.

Naturgemäß gibt es in der Bundesliga nur 18 Cheftrainer-Jobs, die Zahl der Kandidaten dafür ist allerdings ungleich höher. Für viele ehemalige Erstliga-Trainer bedeutet das immer wieder auch Zeiten ohne Arbeitgeber. EXPRESS.de liefert einen Überblick über die aktuell vereinslosen ehemaligen Bundesliga-Trainer. Dazu gehört auch Urs Fischer (l.), hier am 1. April 2023 mit Bruno Labbadia, der im August 2024 nach knapp anderthalb Jahren ohne Job in Nigeria wieder eine neue Anstellung fand.

Kölns Trainer Markus Gisdol jubelt nach dem Schlusspfiff über den 2:0-Sieg.

MARKUS GISDOL (184 Bundesliga-Spiele): Gisdol trainierte im deutschen Fußball-Oberhaus die TSG Hoffenheim, den HSV und den 1. FC Köln. Nach seinem Aus bei den Geißböcken schloss er sich Lok Moskau an, wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verließ er den Verein aber nach nur acht Spielen wieder. Im Oktober 2023 schloss er sich Samsunspor an und führte den türkischen Klub zum Klassenerhalt. Seinen im Sommer 2024 auslaufenden Vertrag verlängerte Gisdol aber nicht.

Thomas Tuchel bei einem TV-Interview vor seinem letzten Spiel als Bayern-Trainer.

THOMAS TUCHEL (281 Bundesliga-Spiele): Bei Mainz prägte er nach Jürgen Klopp die nächste erfolgreiche Ära, wurde später mit Borussia Dortmund Vizemeister. Beim FC Bayern rettete er in seiner ersten Saison noch die Meisterschaft, blieb dann aber in seiner ersten vollen Spielzeit ohne Titel. Auf die Trennungs-Ankündigung folgte im Frühjahr 2024 beim Rekordmeister eine beispiellose Trainersuche, die sich über Monate hinzog.

Trainer Niko Kovac vom VfL Wolfsburg verzieht auf einer Pressekonferenz das gesicht.

NIKO KOVAC (181 Bundesligaspiele): In der Saison 2015/16 übernahm er Eintracht Frankfurt. Nach dem Pokalsieg mit den Hessen 17/18 wechselte er zum FC Bayern. Mit den Bayern gewann er 18/19 das Double, geriet aber dennoch in die Kritik. Nach nur zehn Spielen 19/20 wurde er entlassen. Es folgte eine anderthalb Jahre dauernde Station bei der AS Monaco, ehe er 22/23 den VfL Wolfsburg übernahm. Am 17. März 2024 gab der Klub die Trennung bekannt.

Florian Kohfeldt steht mit Mütze an der Seitenlinie im Regen.

FLORIAN KOHFELDT (150 Bundesligaspiele): Er begann seine Karriere als Bundesligatrainer 2017/18 bei Werder Bremen. Nach zwei erfolgreichen Saisons musste Kohfeldt mit Werder in die Relegation, schaffte dort den Klassenverbleib. In der darauffolgenden Spielzeit wurde Kohfeldt vor dem 34. Spieltag entlassen. Es folgten zwei kurze Station beim VfL Wolfsburg und in Belgien bei KAS Eupen. In Belgien schmiss er überraschend am 16. März 2024 hin.

Urs Fischer steht bei einem Spiel von Union Berlin nachdenklich am Spielfeldrand.

URS FISCHER (147 Bundesliga-Spiele): Gleich bei seiner ersten Deutschland-Station führte der Schweizer Union Berlin aus der 2. Bundesliga in die Champions League, wurde an der Alten Försterei zum Helden. Doch in der Königsklassen-Saison 2023/2024 setzte es eine beispiellose Niederlagen-Serie von neun Bundesliga-Pleiten in Folge. Am 15. November 2023 einigten sich der Klub und sein Architekt des Erfolgs auf die Trennung.

Thomas Letsch gestikuliert im Regen.

THOMAS LETSCH (55 Bundesliga-Spiele): Im September 2022 kam Thomas Letsch in die Bundesliga nach Bochum, übernahm den VfL mit nur einem Zähler auf dem letzten Tabellenplatz. Am Ende der Saison führte er den Pott-Klub zum direkten Klassenerhalt. In seiner zweiten Saison musste er nach dem 28. Spieltag gehen, vorausgegangen war eine Last-Minute-Pleite beim 1. FC Köln und damit fünf sieglosen Spielen in Folge. Zum Zeitpunkt des Rauswurfs stand Bochum mit drei Zählern Vorsprung auf den Relegationsrang auf Platz 15.

Jürgen Klinsmann auf der Bank.

JÜRGEN KLINSMANN (38 Bundesliga-Spiele): Als Teamchef machte er das Sommermärchen 2006 möglich, beim FC Bayern lief es weniger gut. Nach nicht mal einer Saison wurde Klinsmann entlassen, bei Hertha trat er nach nur neun Spielen zurück. Am 16. Februar 2024 wurde er nach einem Jahr als Nationaltrainer Südkoreas gefeuert und ist seitdem ohne Job.

Dortmunds Trainer Lucien Favre lächelt vor einem Spiel.

LUCIEN FAVRE (307 Bundesliga-Spiele): Einst rettete er Borussia Mönchengladbach vor dem Abstieg und führte die Fohlen im Anschluss in den Europapokal und sogar die Champions League. Zuvor hatte der Schweizer bei Hertha sein Bundesliga-Debüt gefeiert, mit dem BVB wurde er zweimal Vizemeister. Zu Beginn des Jahres 2023 wurde er vom französischen Erstligisten OGC Nizza gefeuert.

Hoffenheims Trainer Andre Breitenreiter verzieht enttäuscht das Gesicht.

ANDRE BREITENREITER (140 Bundesliga-Spiele): Als Trainer führte er den SC Paderborn in die Bundesliga und heuerte später bei Schalke an. In Hoffenheim wurde er im Februar 2023 während seiner ersten Saison als TSG-Trainer entlassen.

Schalkes Trainer Thomas Reis ist vor dem Spiel im Stadion.

THOMAS REIS (63 Bundesliga-Spiele): 2021 stieg Thomas Reis nach seinem zweiten Trainerjahr beim VfL Bochum in die Bundesliga auf. Dort schaffte er mit dem VfL mit einem geringen Etat den Klassenerhalt. Nach sechs Niederlagen in sechs Spielen der Saison 2022/23 wurde er entlassen und heuerte nur kurze Zeit später beim FC Schalke 04 an. Mit den Königlichen konnte er den Abstieg aber nicht verhindern. Nach nur zwei Siegen in den ersten sieben Zweitliga-Spielen wurde er auch auf Schalke beurlaubt.

Trainer Heiko Herrlich gestikuliert an der Seitenlinie.

HEIKO HERRLICH (113 Bundesliga-Spiele): Der Ex-Stürmer coachte in der Bundesliga den FC Augsburg und Bayer Leverkusen, ist aber seit April 2021 ohne Job.

Manuel Baum steht vor dem Spiel am Spielfeldrand.

MANUEL BAUM (92 Bundesliga-Spiele): Beim FC Augsburg feierte Baum sein Debüt im Oberhaus und saß von Ende 2016 bis April 2019 in 82 Begegnungen an der Seitenlinie. Deutlich kürzer das Zehn-Spiele-Intermezzo 2020 auf Schalke – seiner bisher letzten Bundesliga-Station.

Felix Magath, damaliger Cheftrainer von Hertha BSC, spricht in einem Interview vor dem Spiel.

FELIX MAGATH (502 Bundesliga-Spiele): Der Trainer-Routinier rettete in der Vorsaison Hertha BSC vor dem Abstieg. Mit dem VfL Wolfsburg wurde er 2009 sensationell Meister, mit dem FC Bayern holte er 2005 und 2006 jeweils das Double. Kehrt „Quälix“ nach seinem Abschied bei der Hertha noch einmal auf die Bundesliga-Bühne zurück? Beendet hat der Ex-Nationalspieler und Europameister von 1980 seine Trainer-Laufbahn jedenfalls offiziell noch nicht.

Hannovers Trainer Mirko Slomka ist vor dem Spiel in der Arena.

MIRKO SLOMKA (230 Bundesliga-Spiele): Slomka coachte in der Bundesliga den Hamburger SV, Hannover 96 und den FC Schalke 04. Seit November 2019 ist er ohne Trainer-Aufgabe. Zuletzt war Slomka einige Zeit als TV-Experte tätig.

HSV-Manager Thomas von Heesen steht vor dem Spiel am Platz.

THOMAS VON HEESEN (69 Bundesliga-Spiele): Auch Thomas von Heesen hat Bundesliga-Erfahrung: Er coachte im deutschen Oberhaus den 1. FC Nürnberg und Arminia Bielefeld. Zuletzt war von Heesen bis Mai 2018 als Berater für den HSV tätig, seitdem aber ohne Job.

Der ehemalige Bundestrainer Joachim Löw steht im Stadion.

JOACHIM LÖW (68 Bundesliga-Spiele): Neben 198 Spielen als Bundestrainer kann Löw auch auf die Erfahrung von 68 Partien im deutschen Oberhaus als Cheftrainer vorweisen. Von September 1996 bis Juni 1998 betreute er den VfB Stuttgart, holte 1997 mit den Schwaben den Pokal. Nach seinem Aus als DFB-Chefcoach hatte Löw angedeutet, dass ihn eine Aufgabe im Vereinsfußball noch einmal reizen würde.

Trainer Alexander Nouri steht vor Spielbeginn im Olympia-Stadion.

ALEXANDER NOURI (45 Bundesliga-Spiele): Hertha BSC und Werder Bremen lauteten die Bundesliga-Stationen Nouris, der zuletzt AO Kavala in der zweiten griechischen Liga coachte. Seit Ende März 2022 ist Nouri ohne Klub.

Trainer Markus Weinzierl bei einem Interview vor dem Spiel.

MARKUS WEINZIERL (229 Bundesliga-Spiele): Beim FC Augsburg begann einst Weinzierls Karriere als Trainer in der Bundesliga. Nach Stationen bei Schalke und in Stuttgart kehrte er im April 2021 zum FCA zurück, verlängerte seinen Vertrag nach der Saison 2021/22 aber nicht. Im Februar 2023 musste er bei Zweitligist Nürnberg gehen.

Der damalige Bochumer Trainer Robin Dutt gestikuliert am Spielfeldrand.

ROBIN DUTT (139 Bundesliga-Spiele): Seine Bundesliga-Laufbahn startete Dutt beim SC Freiburg, es folgten weitere Stationen bei Bayer Leverkusen und Werder Bremen sowie in der 2. Bundesliga beim VfL Bochum. Nach seiner Entlassung beim österreichischen Bundesligisten Wolfsberger AC am 5. März 2023 ist Dutt ohne Job.

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Dann wurde es aber noch dreckiger, denn es folgte eine öffentliche Schlammschlacht mit Löw. Wagner trat aus der Nationalmannschaft zurück und erhob indirekt den Vorwurf, Löw würde nur Ja-Sager in seinem Team akzeptieren. Der Bundestrainer schoss damals gegen Wagner zurück: „Ich empfinde es als Kritik gegenüber seinen Kollegen, die auch spielen. Er stellt manche dar, die bei uns schon ewig spielen, die zu den Führungsspielern gehören, als wären sie ausgemachte Vollidioten. Als ob sie nur deswegen bei uns sind, weil sie nicht ihre Meinung sagen.“

Wagner erklärt nun seine Emotionen: „Das Kapitel Nationalmannschaft war nach diesem Telefonat für mich beendet. Ich hätte nie wieder dort trainieren oder spielen können. Wäre ich nach dem verpassten Turnier noch mal zur Nationalmannschaft zurückgekehrt, hätte ich nicht mehr in den Spiegel gucken können. Aber auch diese Erfahrung hat mich auf meinem Weg weitergebracht.“

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Vor einigen Monaten sprach Wagner schon im Podcast der Brüder Toni (33) und Felix Kroos (32), „Einfach mal Luppen“, über die Ausbootung von Löw. Damals sagte er, dass ihm der Rücktritt leid tue: „Ich hätte die Füße stillhalten und das Turnier abwarten sollen. Aber das bin ich nicht. Das war ich nicht in dem Moment. Das war eine Situation, in der ich mich überhaupt nicht wertgeschätzt gefühlt habe. Da dachte ich: Da kann ich nicht mehr in den Spiegel schauen, wenn ich dabei bleibe. Ich hätte die Art und Weise aber cooler lösen können.“

Wagner und seine Zeit beim DFB – es ist auf jeden Fall ein Kapitel in seiner Karriere, dass ihn wohl noch lange beschäftigen wird. (ubo)