Magersucht-Debatte um die Langläuferinnen bei den Olympischen Spielen in Tokio. Viele Experten und auch Fans machen sich Sorgen um extrem dünne Athletinnen wie Konstanze Klosterhalfen (24, Leverkusen). Das sorgt nun nach Olympia (11. August 2021) für Streit.
Magersucht-Debatte um KlosterhalfenARD-Reporter Scholt attackiert Sportmediziner Bloch
Köln. Der Sportmediziner Wilhelm Bloch (62) von der Deutschen Sporthochschule in Köln (Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin) hatte im Tagesspiegel seine Sorgen öffentlich gemacht: „Es ist ein schwieriges Thema“, so Bloch (62). Klosterhalfen zitterte nach ihrem 10.000 Meter-Lauf in der Hitze von Tokio (7. August 2021) sogar vor Kälte. „Es darf nicht erst gehandelt werden, wenn etwas passiert ist“, findet er. Für ihn sind die Läuferinnen wie Klosterhalfen viel zu dünn. „Sie ist sehr dünn, und ich erkenne auch eine flaumartige, feine Körperbehaarung“, sagt Bloch. „Das geht in Richtung des Krankheitsbildes Anorexia athletica.“ Also Magersucht.
Für ARD-Kommentator Ralf Scholt sind solche Ferndiagnosen ein Unding, er attackierte via Twitter den Tagesspiegel und Dr. Bloch: „Noch ein Pseudo-Artikel: Wilhelm Bloch forscht zu Zell- und Molekularstrukturen oder Sport und Krebs, das ist toll. Unter seinen 900+ Publikationen ist nach rascher Recherche kein einziges über Anorexia. Expertise? Jemals Frau Klosterhalfen untersucht, gesehen, gesprochen? schwierig!“
Magersucht-Debatte nach Olympia: Mediziner Bloch fordert neue Regeln
Doch Bloch geht es vor allem darum, auf ein schwieriges Thema aufmerksam zu machen und künftig Sportlerinnen und Sportler zu schützen. Diese sind oft überehrgeizig dabei, ihre Ziele zu erfüllen. Dann könnte von außen mit Regeln für etwas mehr Sicherheit gesorgt werden. Bloch untermauert: „Es muss etwas passieren, es müssen Regeln zum Schutz der Läuferinnen und Läufer her. Ein Schwellenwert des Body-Mass-Index zum Beispiel.“
Ähnliche Regelanpassungen gab es schon bei den Skispringern, wovon sich zahlreiche Athleten zuvor auf ein ungesundes Körpergewicht gehungert hatten.
Die Bundestrainerin reagierte, weil nach den Olympischen Wettkämpfen zahlreiche Sorgen geäußert wurden. „Wir arbeiten eng mit den Ärzten in den USA zusammen", sagte Annett Stein (57) am Sonntag: „Unsere Verbandsärztin kennt Konstanze schon lange und schätzt ihren Zustand als sehr stabil ein.“
Folgen von Untergewicht sind gefährlich
Bei RTL äußerte Mediziner Christoph Specht dazu seine Bedenken: „Stabil heißt ja nicht, dass jemand in einem guten Zustand ist.“ Über eine Magersucht-Erkrankung will er nicht diskutieren: „Ob das Krankheitsbild hier vorliegt, kann man allein vom Bild her nicht sagen. Was man von den Bildern oder Videoaufnahmen sagen kann, ist, dass sie den Körper einer anorektischen Patientin hat, gar keine Frage. Und ihr BMI ist viel zu niedrig." Offiziell wiegt sie 48 Kilogramm bei einer Größe von 1,74 Metern. Ihr Body-Mass-Index (BMI): 15,85. Die Bundeszentrale für Ernährung hat festgelegt: mit einem BMI unter 18,5 gilt man als untergewichtig.
Specht warnt: „Es geht mit mehreren Gefahren einher. Der Hormonhaushalt ist dann völlig durcheinander, Östrogene fehlen oft komplett und schränken weibliche Funktionen ein. Die Nieren machen irgendwann nicht mehr mit und haben irgendwann ein Problem mit der Ausscheidung, es ist dann ein reduzierter Hungerhaushalt, auf den der Körper umstellt. Mit 24 hält das ein Körper eine Zeit lang aus, aber es hat auch Konsequenzen für später. Wenn sie da nicht rauskommt, ist die Prognose nicht gut. Alles wird vom Körper auf minimal gestellt, da keine Energiereserven da sind. Und das ist auf Dauer nicht gut.“ (Ubo)