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EXPRESS erklärt das UrteilDarum kommen die Totraser vom Auenweg mit Bewährung davon
Köln – Es ist ein Urteil, das den Angehörigen nicht gerecht werden kann. Das weiß auch Harald Helmes, der Vorsitzende Richter vom Kölner Landgericht. Er hat die Totraser vom Auenweg am Donnerstag zu Bewährungsstrafen verurteilt. Helmes richtete sich an die Eltern der getöteten Studentin Miriam S. (19) und sagte: „Ihre Trauer und Ihren Verlust können wir nicht aufarbeiten.“
Mutter zeigt Angeklagten Fotos ihrer Tochter
Das Urteil fiel am Jahrestag des schrecklichen Unfalls, der Jura-Studentin Miriam aus dem Leben und ein tiefes Loch in die Familie riss. Vor dem Urteil hatte Miriams Mutter zwei Fotos in Richtung der Angeklagten gehalten. Sie zeigten Miriam vor dem Unfall, glücklich. Und nach dem Unfall mit dickem Kopfverband auf der Intensivstation. „Die Täter sollen sehen, was sie angerichtet haben“, sagte die Mutter.
Opfer-Anwalt forderte Haftstrafen
Drei Tage nach dem Zusammenstoß auf dem Mülheimer Auenweg starb Miriam S. an einem schweren Schädel-Hirn-Trauma. Mindestens drei Jahre Gefängnis hatten die Eltern über ihren Anwalt Bernd Neunzig für die Raser gefordert. Dass es Bewährungsstrafen wurden, nahmen sie in Saal 210 des Landgerichts fast regungslos zur Kenntnis. Der Richter betonte, es gehe im Strafprozess in erster Linie um die Täter: „Ich kann verstehen, dass man sich als Angehöriger da übergangen fühlen kann.“
Der Richter sah es als erwiesen an, dass sich Erkan F. (23) in seinem BMW und Firat M. (22) im Mercedes auf der Straße duellierten. Auf dem Weg von Niehl zum Tanzbrunnen hatten sich die Kumpels mehrfach überholt. An der Ampel hatten sie mit dem Gaspedal gespielt. Erkan F. sagte aus, am Auenweg die Kontrolle verloren zu haben. „Ich wollte Firat hinter mir halten, dann bekam ich Panik“, sagte der Raser. Mit mindestens 95 Sachen bog er in eine Kurve ein, bei erlaubten 50 Stundenkilometern.
Gericht: Rennen kam spontan zustande
Nicht bewiesen wurde ein verabredetes Rennen. Es sei spontan entstanden. Der Staatsanwalt hatte drei Jahre Haft für Erkan F. gefordert, der Richter beließ es bei zwei Jahren auf Bewährung für fahrlässige Tötung. Er rechnete dem Angeklagten sein reuiges Geständnis an. F. hatte angegeben, in psychologischer Behandlung zu sein, um sein Handeln zu verarbeiten.
Der Benz-Fahrer hatte jede Schuld von sich gewiesen, er sei angemessen gefahren. Das glaubte ihm der Richter nicht. Firat M. habe den Unfall durch sein dichtes Auffahren mit verursacht. Er erhielt 21 Monate auf Bewährung, drei Monate weniger als vom Staatsanwalt gefordert. Den Führerschein sind die Raser für dreieinhalb Jahre los. Auch müssen sie 150 Sozialstunden ableisten.
Deshalb gab es keine Haftstrafen
So kam es zur Bewährung: Die Raser sind Ersttäter, waren vor dem Prozess nicht vorbestraft. Sie leben in geregelten Verhältnissen, familiär eingebettet bei den Eltern. Sie haben Schulabschlüsse, der eine strebt eine Ausbildung an (Firat M.), der andere studiert (Erkan F.). Es wurde kein Drogenmissbrauch festgestellt.
„Die Tatbegehung allein reicht nicht aus, um Bewährung zu verwehren“, erklärte Richter Helmes. Die Strafhöhen erachtete er als angemessen, sogar vergleichsweise hart. Helmes zog das Zugunglück von Bad Aibling mit elf Toten heran. Dem beschuldigten Fahrdienstleiter drohten hier höchstens fünf Jahre Haft. Der Strafrahmen bei fahrlässiger Tötung ist genauso hoch wie bei einfachem Diebstahl.
So leiden Angehörige von Verkehrsopfern
Fast zeitgleich mit dem Urteil im Raser-Prozess im Landgericht kam es zu emotionalen Szenen im Kölner Polizeipräsidium. Im Rahmen der Unfallpräventionsmaßnahme „Crash Kurs NRW“ erzählten Angehörige von schwer verletzten oder verstorbenen Unfallopfern über ihre erschütternden Erlebnisse.
Eine Mutter trat vor die Beamten und berichtete von einem Unfall ihrer beiden Töchter im Jahr 2003. „Die Ältere schaute im Auto kurz auf ihr Handy und bemerkte das auf die Straße gelaufene Reh nicht. Sie kam von der Straße ab und prallte in eine Baumreihe. Meine jüngere Tochter wurde durch den Aufprall schwer verletzt“, erinnert sich die Mutter.
Die damals 14-Jährige erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma. „Tausend Schläuche hingen an ihr. Sie musste zwölfmal am Kopf operiert werden, und jedes Mal hatten wir Angst um ihr Leben. Ein Jahr und sieben Monate verbrachte sie im Wachkoma. Ihre Schwester macht sich bis heute schwere Vorwürfe“, schilderte die Mutter. Dann trat das Mädchen, heute 27 und behindert, vor die Beamten und sagte: „Ich wünsche euch viel Erfolg und Gesundheit.“
Einsatzkräfte berichteten von Unfällen mit schwerwiegenden Folgen, Pfarrer Bernd Flamming erzählte, wie schwer es ist, den Angehörigen eine Todesbenachrichtigung zu überbringen: „Diese Szenen vergisst man nie.“