„Menschenverachtend“Zoff um Karneval an der Zülpi: Gastronomin attackiert Bürgermeister

Geschäftsführerin Claudia Wecker von „Das Ding“.

Claudia Wecker (hier am 3. Juli 2019) ist seit 33 Jahren die Betreiberin des Studentenclubs „Das Ding“ am Zülpicher Platz.

Eine Woche vor Weiberfastnacht blicken viele im Zülpicher Viertel mit Sorgen auf die zu erwartenden Zustände. Der Bezirksbürgermeister lieferte sich ein Streitgespräch mit einer Gastronomin.

von Marcel Schwamborn  (msw)

Die Karnevalssession biegt schon Richtung Endspurt ein. Weiberfastnacht am 16. Februar 2023 wird wieder zum spannenden Datum deklariert. Denn gerade im Zülpicher Viertel blicken viele bereits sorgenvoll auf den nächsten Großkampftag in Köln.

Wie sehr sich die Meinungen bei der richtigen Herangehensweise im „Kwartier Latäng“ unterscheiden, wurde am Dienstag (7. Februar 2023) beim Köln-Talk „Loss mer schwade“ im „Hähnche“ mehr als deutlich.

Zülpicher Straße: Bürgermeister kritisiert Zustände an Karneval

Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (73, Die Grünen) wohnt seit 45 Jahren am Rathenauplatz. „Es ist eine Entwicklung, die mich aufregt. Da muss der Karneval aufpassen, weil diese Auswüchse auf den Karneval zurückfallen. Das ist ein derart hohes Gut, das darf nicht verfeiert werden“, begann er seine Ausführungen rückblickend auf die Geschehnisse am 11.11..

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Claudia Wecker, die seit 33 Jahren den Studentenclub „Das Ding“ am Zülpicher Platz betreibt, konnte das so nicht stehen lassen. „Seine Äußerungen zeigen das Problem und zeigen auch, wieso Lösungen blockiert werden. Die Welt verändert sich. Herr Hupke und viele Anwohnende rücken gerne die Nostalgie der 80er-Jahre in den Vordergrund.“

Die Gastronomin, deren Club seit 1968 jüngere Menschen anzieht, schimpfte: „Hier werden Kinder und Jugendliche als Ballermann-Sauftouristen klassifiziert und damit in die Nähe von Hooligans gerückt. Wenn da 13-, 14-Jährige stehen, Drogen konsumieren und Druckbetankung machen, gefällt mir das auch nicht. Da können wir die Eltern verteufeln, die das zulassen. Besser wäre es aber, wenn wir denen helfen.“

Diesen Vorwurf wollte wiederum Hupke nicht auf sich sitzen lassen. „Ich lasse mir weder etwas unterstellen, noch in die Schuhe schieben. Es geht nicht darum, Jugendliche auszugrenzen, das ist doch Kokolores, mir das zu unterstellen. Ich bin auch nicht der Moralapostel. Mich erschreckt es, wenn 14-Jährige dort hackevoll herumlaufen. Da kann man doch nicht weggucken.“

Andreas Hupke, Martin Schlüter und Claudia Wecker bei „Loss mer schwade“.

Andreas Hupke (l.) beim „Loss mer schwade“-Talk mit Moderator Martin Schlüter und Claudia Wecker.

Der Politiker sieht sein Viertel gefährdet. „Das hat nichts mehr mit Karneval zu tun. Es ist eine Feiermeile, die magnetisch auf Menschen aus ganz Köln, das Umland und ganz Deutschland wirkt. Die kommen mit Sauf-Zügen. Mir haben Menschen gesagt, sie kämen extra, weil es an Karneval in Köln keine Gesetze gebe. Da herrsche Anarchie. Dieses Viertel kann diese Mengen nicht mehr packen, auch die ganze Innenstadt wird es irgendwann nicht mehr schaffen.“

Blick auf die Zülpicher Straße
in Köln mit Tausenden Jecken.

Gewohntes Bild: Eine völlig volle Zülpicher Straße, wie hier beim Sessionsauftakt am 11.11.2022.

Wecker wiederum glaubt an ihre Vision, die Lage in den Griff zu bekommen. „Es bringt keinen weiter, wenn wir immer nur sagen, dass wir das nicht wollen, dass die Kids draußen auf der Straße feiern. Wir vergessen, Lösungen zu finden. Einfach zu sagen, die sollen an die Deutzer Werft oder auf die Ringe, kann es nicht sein. Wir sind im ‚Kwartier Latäng‘ leider der ‚Place to be‘. Das gefällt uns allen nicht. Wir müssen die Menge vor dem Viertel stoppen, ihnen etwas anbieten.“

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Deshalb ist sie auch eine große Verfechterin des Alternativprogramms, das es an Weiberfastnacht auf den Uniwiesen geben wird. „Dort muss an diesen besagten Tagen immer ein richtiges Festival stattfinden, das Familien anspricht, Areale für Minderjährige anbietet, Imbiss-Möglichkeiten beinhaltet, Bands spielen.“

Am 11.11. habe es diese Alternative nicht gegeben. „Warum waren die Zustände dann so?“, fragte die Gastronomin beim Talk. „Weil unter anderem Akteure wie Herr Hupke aus ideologischen Gründen verhindert haben, dass beispielsweise im Grüngürtel ein Programm stattfinden konnte. Dadurch tobte der ganze Mob durch das Viertel, zum Aachener Weiher und sonst wohin. Ich finde es krass, dass keine politische Verantwortung dafür übernommen wurde, wer es verbockt hat. Dieses Jahr wird die Wiese optimal durch Matten geschützt. Dann kann die Menge dort kontrolliert und reguliert feiern.“

Blick auf die Jecken am 11.11. auf der Kölner Uniwiese.

Am 11.11.2022 gab es auf der Uniwiese kein Programm. Die Massen sind dann eher unkontrolliert durch die Gegend gelaufen.

Der Bürgermeister ist erklärter Gegner der Ausweich-Veranstaltung im Naturschutzgebiet. „Wir wollen nicht auf dem Erbe Adenauers eine kommerzielle Veranstaltung machen. Das Gelände ist ein Juwel. Ich träume von der Nord-Süd-Fahrt als Feiermeile, auf der ein Programm mit Niveau geboten wird. Gleichzeitig muss der Zustand geändert werden, dass alle schon morgens besoffen aus den Zügen fallen und denken, dass die Frauen in Köln an Karneval nackt rumrennen. Jetzt auch noch den Grüngürtel zu versauen, wo kommen wir denn da hin?“

Spätestens da waren die Gräben nicht mehr zu überwinden. „Ich bin völlig schockiert von diesen Aussagen. Die sind menschenverachtend, stammen von einem alten Menschen, der den Job zu lange macht und besser Platz für Leute mit besseren Ideen machen sollte. Das ist alles so komplett am Zeitgeist und an der Jugend vorbei. Niemand von denen möchte kotzend in der Ecke liegen“, entgegnete Wecker.

Holger Kirsch: Rosenmontagszug vielleicht in fünf Jahren wieder in Deutz

Vor dem wilden Streit-Duell zur Zülpicher Straße hatte Zugleiter Holger Kirsch im Gespräch mit Moderator Martin Schlüter auch noch über den Rosenmontagszug gesprochen. „Dass der in Deutz startet, wird einmalig zum 200-jährigen Jubiläum sein. Vielleicht wäre es schön, alle fünf oder zehn Jahre das zu wiederholen“, sagte er.

Zu den in Köln eher gemäßigteren Persiflage-Wagen hatte Kirsch auch eine Meinung: „Die Themen sind in Düsseldorf die gleichen. Wir wählen bewusst eine andere Darstellungsweise. Für mich ist der Rosenmontagszug ein Familienfest. Ich möchte nicht, dass Eltern ihren Kindern gegenüber in Erklärungsnöte geraten aufgrund der zu sehenden Darstellungen. Ich muss nicht zwingend jemandem auf dem Wagen den Schädel wegpusten oder irgendwelche Sexualpraktiken darstellen, um ein Thema auf den Punkt zu bringen. Das ist die unterschiedliche Haltung, mit der ich mich gut fühle.“