„Das ist nicht mehr mein Karneval“Paukenschlag: Top-Rednerin verkündet Abschied aus der Bütt

Rednerin Ingrid Kühne steht auf der Bühne.

Ingrid Kühne steht seit 15 Jahren als Rednerin auf der Karnevalsbühne. Nach der kommenden Session zieht sie einen Schlussstrich.

Seit Jahren begeisterte Ingrid Kühne ihr Publikum mit lustigen Alltagsgeschichten im Kölner Karneval. Doch nun hat die Top-Rednerin ihren Abschied aus der Bütt angekündigt.

von Marcel Schwamborn  (msw)Daniela Decker  (dd)

Die Kölner Karnevalsbühnen verlieren ein bekanntes Gesicht. Ingrid Kühne (56) hat genug vom jecken Treiben und zieht nach der kommenden Session nach rund 15 Jahren einen Schlussstrich.

„Ich habe euch was mitzuteilen. Ich höre 2026 mit dem Karneval auf, das wird meine letzte Session sein“, sagt die Kabarettistin in einem achteinhalbminütigen Internet-Clip. „Ich verabschiede mich nicht komplett von der Bühne, ich höre nur mit dem Karneval auf.“ Im Comedy- und Kabarett-Bereich würde sie mit ihrem Solo-Programm bleiben.

Ingrid Kühne: Seit 15 Jahren fester Bestandteil des Karnevals

In der vergangenen Session hatte Kühne bereits im EXPRESS.de-Doppel-Interview mit Kollegin Annette Eßer alias „Achnes Kasulke“ Dampf abgelassen. Von Vorurteilen und Ignoranz im weiterhin hauptsächlich männlich dominierten Karneval war da die Rede.

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Den Gedanken, aus der Bütt auszusteigen, trage sie schon lange in sich, gesteht Kühne. Sie hätte ohnehin ein Datum im Kopf gehabt, wann sie dem Karnevalsstress den Rücken zukehren wolle. Doch das habe sie nun deutlich nach vorne gezogen.

„Ich stelle fest, dass ich gesundheitlich ziemlich an meine Grenzen komme.“ In dieser Session habe ihr eine schwere Grippe zu schaffen gemacht, zudem eine Entzündung im Sprunggelenk, so die beliebte Rednerin. „Es wird schwieriger, denn wir sind keine 25 mehr“, sagt sie und beschreibt mit eindringlichen Bildern die Hektik zwischen den Auftritten.

Über 10.000 Kilometer sei sie während der Session mit ihrem Mann Ralf gefahren. Ihre Mutter sei während der Session mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus gekommen. „Die wäre mir vielleicht sogar früher aufgefallen, wenn ich mehr Zeit für sie gehabt hätte. Das sind Vorwürfe, die ich mir machen muss. Aber in der Session läuft das restliche Leben eben auf Sparflamme“.

Ingrid Kühne steht beim Auftritt auf der Bühne.

Ingrid Kühne in der vergangenen Session beim Rednerfrühschoppen. Nicht überall wird so aufmerksam zugehört.

Doch damit soll bald Schluss sein. „Karneval ist Dauerstress pur mit wenig Pausen und Erholung“, sagt die Mutter eines Sohnes. Auch wenn sie seit Jahren zur festen Besetzung der ZDF-Mädchensitzung gehört, habe sie es als Frau in der Bütt weiterhin schwer. In manchen Zelten oder Sälen würde nicht zugehört, weil es dort nur noch um Party gehe.

Mitglieder würden lauthals Orden verteilen, Kellner Bestellungen laut über die Tische brüllen, während sie auf der Bühne stehe. „Da wird mit Schnapsfläschchen auf die Tische geklopft. Gäste, die an Tischen Karten spielen. Du stehst da und schreist dir die Seele aus dem Leib, weil dir kein Mensch auch nur im Ansatz zuhören kann und viele gar nicht wollen. Und all das ist nicht mehr mein Karneval.“

Hier Ingrid Kühnes Videobotschaft in voller Länge sehen:

Daher sei es nun Zeit, die bekannte Weste auszuziehen. „Ich weiß nicht, wie es mir gehen wird, ohne meinen geliebten Karneval. Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt ertrag“, sagt sie mit stockender Stimme. „Aber jetzt ist die Entscheidung gefallen. Ich habe jetzt schon Tränen in den Augen, wenn ich an die schönen Sitzungen denke, die ich dann zum letzten Mal spielen werde.“

Doch die Gespräche mit ihrer Familie hätten schließlich den Ausschlag gegeben. „Ich habe einfach angefangen, auf das Wichtigste in meinem Leben zu hören: auf mich. Aber auch auf Ralf und Sven. Wir sehen, dass es uns so nicht mehr guttut. Die Entscheidung ist eine der schwersten der letzten Jahre gewesen, aber es fühlt sich gerade sehr richtig an“.

Ingrid Kühne: „Entscheidung fühlt sich von Minute zu Minute besser an“

Nachdem Kühne ihre Video-Botschaft veröffentlicht hatte, meldete sie sich hörbar aufgewühlt bei der EXPRESS.de-Redaktion. „Da geht ein Lebensabschnitt für mich zu Ende, den ich total geliebt habe“, sagte sie. „Die Zeit war etwas ganz Besonderes. Es fühlt sich jedoch von Minute zu Minute besser an.“ Noch zehn Minuten vor der Aufnahme habe sie Rotz und Wasser geheult und mit sich gehadert.

Nach der Session sei auf der gemeinsamen Schiffstour die Entscheidung gereift. Von dort habe sie ihr Management um Michael Gerhold angerufen. „Ich rechne ihm hoch an, dass er nicht versucht hat, mich zu überreden, doch weiterzumachen“, sagte sie. „Natürlich verzichte ich auf viel Geld. Aber das nützt mir auch nichts, wenn ich eines Tages in der Kiste liege.“