Brings können auf beeindruckende Zahlen blicken: 35 Jahre Bandgeschichte, 25 Jahre erfolgreich im Karneval. Vor den Weihnachtskonzerten sprach Frontmann Peter Brings mit EXPRESS.de.
„Kann sich keiner vorstellen“Peter Brings über Todesdrohungen nach neuem Song und Veränderungen im Karneval
Die kölsche Rockband Brings geht in ihr 35. Jahr. Zudem ist die Gruppe seit 25 Jahren eine feste Größe im Karneval. Die fünf Musiker sind bekannt dafür, klar Stellung zu beziehen. Der neue Sessionssong „Su lang die Welt sich drieht“ hat bereits einige heftige Reaktionen ausgelöst.
Bevor es ab Anfang Januar in der Session wieder rund geht, stehen ab dem 12. Dezember 2024 zunächst an fünf Abenden im Theater am Tanzbrunnen die Weihnachtskonzerte „Leise rieselt der Schnee“ an. Mit den Shows wird eine alte Brings-Tradition wiederbelebt.
Brings: Weihnachtskonzerte „Leise rieselt der Schnee“ im Tanzbrunnen
In der alten Kantine in Nippes hatten die Weihnachtsshows einst begonnen, dann füllte die Band an 16 Abenden das E-Werk, ehe sie vor zehn Jahren in der Lanxess-Arena das ganz große Besteck auffuhr. Auf dem Höhepunkt wurde dann das Konzept eingestellt, nun wird es erstmals wieder etwas besinnlicher im Karo-Look.
Zudem steht im kommenden Jahr auf dem Gelände an der alten Zeche in Hückelhoven am 5. September wieder ein großer Auftritt mit dem Beethoven-Orchester Bonn an. Genug Gründe für ein ausführliches EXPRESS.de-Interview mit Frontmann Peter Brings, der im September seinen 60. Geburtstag gefeiert hat.
Nach zehn Jahren Pause gibt es wieder ein Brings-Weihnachtskonzert. Was können die Fans erwarten?
Peter Brings: Die Show wird ein technisches Spektakel. Auf der Bühne wird eine riesige LED-Wand stehen, mit der wir dann interagieren. Auf der Wand werden verschiedene Gäste aus der Brings-Historie auftauchen, mit denen wir dann sprechen und Musik machen. Auch Gaby Köster wird dabei sein und eine Geschichte lesen. Draußen gibt es zudem die Brings-Winterwelt, einen Weihnachtsmarkt mit Domblick.
Und was steht musikalisch auf dem Programm?
Peter Brings: Wir haben Songs im Repertoire, die mit Weihnachten zu tun haben, wie „Plastikstään“ oder „Still wie nie“. Den Klassiker „Leise rieselt der Schnee“ singen wir auf die Melodie von „Cocaine“ von Eric Clapton. Da bekommt der Schnee gleich eine neue Bedeutung. Mit „Loss et schneie“ feiert ein Song seine Live-Premiere, den es bisher noch nicht zu hören gab. Begleitet werden wir zudem von Michael Kuhl und „Richie“ Hellenthal.
Die fünf Shows waren in wenigen Tagen ausverkauft. Geht es deshalb 2025 wieder in größere Säle?
Peter Brings: Da planen wir eher eine Tour durch die Städte, wo wir auch sonst auftreten. In Köln wird es natürlich auch Konzerte geben. Aber im Dezember herrscht immer ein großer Kampf um die Säle.
Wie erklärt Ihr Euch diese anhaltende Nachfrage?
Peter Brings: Das ist ein Riesen-Privileg. Wir hatten in diesem Jahr kein einziges Konzert, was nicht ausverkauft war. Die letzten 25 Jahre im Karneval haben schon dafür gesorgt, dass wir bekannter geworden sind. Ich sage jungen Bands immer: Abgerechnet wird zum Schluss. Bekannt werden ist schon schwierig, aber bekannt bleiben noch mehr. 35 Jahre durchzuhalten, ist schon eine Leistung.
Viele andere kölsche Bands haben schon einen Umbruch hinter sich.
Peter Brings: Da fallen mir immer die Bläck Fööss ein. Denen hätten im Jahr ein paar Konzerte in Ursprungsbesetzung gereicht, um 100.000 Menschen anzulocken, für die man sonst ein Jahr lang spielen muss. Es gibt keinen größeren Sänger als Tommy Engel in der Stadt.
Also ist Brings in einer anderen Besetzung nicht denkbar?
Peter Brings: Die Rolling Stones sind ohne Mick Jagger und Keith Richards für mich auch nicht denkbar. Wir sind noch nicht an einem Punkt, wo wir über das Aufhören diskutieren. Sollte mir überraschend was zustoßen, könnte ich es verstehen, wenn sich die anderen Jungs noch einmal nach einem Ersatz umschauen würden. Wenn ich aber eines Tages in Rente gehe, wird das nicht passieren. Wir wollen zusammen alt werden und gemeinsam das Thema Brings irgendwann beenden. Jetzt ist es wichtiger, unser Pensum dem Alter anzupassen.
Wie anstrengend ist das Leben als Musiker denn?
Peter Brings: Ich spüre einfach, dass ich keine 45 mehr bin, sondern 60. Seit zehn Jahren habe ich eine Wohnung in Spanien, wo ich viel zu selten bin, weil wir immer arbeiten. Ich möchte einfach mal drei Monate dort auf der Terrasse sitzen. Wir haben in den vergangenen Jahren wirklich viel gespielt, das spürt man schon.
Brings: 164 Auftritte in der anstehenden Karnevalssession
Wie viele Termine sind denn in der Session geplant?
Peter Brings: Wir haben 164 Auftritte, fünf sind pro Tag das Maximum. Ich finde auch die Auftrittszeiten von knapp einer halben Stunde zu lang. Früher spielten die Bands zwei, drei Titel und waren nach 15 Minuten wieder weg. Heute sind das schon kleine Konzerte. Wenn da drei Gruppen bei einer Sitzung hintereinander auftreten, stehen die Leute fast zwei Stunden auf den Stühlen. Schleichend wurden die Spielregeln im Karneval geändert.
Stört Dich das?
Peter Brings: Ich finde, bei einer Sitzung sollte immer eine Abwechslung zwischen Bands, Rednern und Tanzgruppen sein. Die jungen Menschen wollen aber nicht mehr die klassischen Sitzungen. Die neuen Formate haben schon fast Festival-Charakter. Auch wir haben mit unserer Musik dazu beigetragen, dass sich andere Generationen für den Karneval begeistern. Die jungen Leute haben eine ganz andere Energie, die bezahlen auch nicht 28 Euro für einen schlechten Wein.
Also hat sich der Karneval seit „Superjeilezick“ verändert?
Peter Brings: Man kann keine Gesetze im Karneval festlegen, auch nicht das Festkomitee. Die Menschen feiern so, wie sie es wollen. Wir merken, dass die Tendenz immer mehr Richtung Party geht. Bei einem Auftritt habe ich es aber neulich auch erlebt, dass der Moderator nicht „Dreimol Kölle alaaf“ ausrufen wollte. Da bin ich sauer geworden. Solche Veranstalter haben im Karneval nichts zu suchen, wenn sie nichts vom Brauchtum halten.
Was stört Dich noch an den Entwicklungen?
Peter Brings: Da braucht es schon Contenance, weil man stets den Menschen ausgeliefert ist. Es gibt keine Rückzugsmöglichkeiten, man ist immer im Foyer, jeder zerrt an dir, will ein Foto, auch die, die nicht mehr Herr ihrer Sinne sind. Das finde ich anstrengender als die Auftritte. Da muss man ein dickes Fell haben und cool bleiben. Ansonsten muss man sich nach 35 Jahren als Band immer wieder ein Stück neu erfinden und neue Songs schreiben.
Apropos: Wie sind die Reaktionen auf „Su lang die Welt sich drieht“?
Peter Brings: Der Titel scheint gut angenommen zu werden, obwohl es kein so leichter Stoff wie bei „Romeo & Julia“ ist, sondern ein politisches Statement. Wenn wir das Lied spielen, blenden wir auf der Leinwand hinter uns „Fuck AfD“ ein. Dann wird es immer total unruhig im Saal. Von Todesdrohungen bis zu wüsten Beschimpfungen gab es schon alles für das Lied. In der Anonymität im Netz sind da Sachen vorgefallen, die kann sich keiner vorstellen. Aber ich hatte auch schon persönliche Debatten, wo sich Leute beschwert haben, dass wir zu politisch seien.
Und wie reagierst Du dann?
Peter Brings: Alle Leute, die sich darüber beklagen, sind solche, die mit dieser Partei klarkommen. Denen sage ich: Was habt ihr für ein Problem damit, dass wir diese Botschaft zeigen? Alle, die auf unserer Seite sind, die diese Partei auch Scheiße finden, haben mir das noch nie gesagt. Diejenigen, die die wählen, können direkt aus dem Saal gehen. Dann heißt es wieder: ‚Aber das sind doch nicht alles Nazis, außerdem muss sich doch mal was im Land ändern‘. Denen entgegne ich: ‚Was ändert sich denn dann?‘ Dann ist Schweigen im Walde. Als Musiker muss man auch mal Sachen sagen, die unbequem sind und dann kriegt man halt Ärger.
Klingt dennoch beängstigend?
Peter Brings: Ich kann mit Kritik leben und habe auch kein Problem damit, wenn Leute nicht unsere politische Meinung teilen. Aber die Art und Weise ist oft daneben. Solche Menschen haben kein Interesse, mit mir inhaltlich zu diskutieren. Im Refrain heißt es: „Mer stonn all, all, all an d‘r Thek. Su lang die Welt sich drieht. Wenn d‘r kölsche Jung opsteiht. Un för uns Freiheit op die Strosse jeiht.“ Das bedeutet: Wir gehen gerne feiern. Aber wenn es drauf ankommt, dann gehen wir auch auf die Straße. Unter den Kostümen stecken Kölnerinnen und Kölner, die auch eine klare Haltung haben.
Brings spielen mit dem Beethoven-Orchester Bonn in Hückelhoven
Außerdem sollen die Lieder nicht nur im Karneval relevant sein.
Peter Brings: Die Lieder, die zu großen Hits geworden sind, haben mit Karneval nichts zu tun – „Kölsche Jung“ beispielsweise, „Su lang mer noch am Lääve sin“ auch nicht. Diese Lieder spiegeln unser Lebensgefühl wider. Alle sagen nicht zu Unrecht über Köln: Die Stadt ist hässlich, die Menschen sind schön. Das ist doch das größte Kompliment.
Ab Ende April stehen dann auch wieder Brings-Konzerte an. Schon jetzt stehen 30 Termine fest. Was ist aus dem Vorhaben geworden, in der Eifel ein großes Event auf die Beine zu stellen?
Peter Brings: Wir hatten zunächst geplant, in der Eifel auf einem Flugplatz ein großes Ereignis durchzuführen. Das hat aber am Ende nicht richtig gepasst. Jetzt spielen wir in Hückelhoven. Dort gibt es ein riesiges Gelände mit vielen Parkplätzen, keine Lärm- oder Zeitbegrenzung. Wir haben zweimal mit dem Beethoven-Orchester vor dem Dom gespielt, jetzt gehen wir mal woanders hin. Die Resonanz beim Ticket-Verkauf zeigt uns, dass das Konzept angenommen wird.