Rüffel zum AbschiedRäuber-Gründer Charly: Kommerz und Show bestimmen den Karneval
Köln – Ciao, Charly! Unter diesem Motto gibt Räuber-Gründer und „Trömmelche“-Papa Karl-Heinz Brand (65) am kommenden Sonntag sein letztes Konzert im Tanzbrunnen. Im großen EXPRESS-Abschiedsinterview zieht er nach 40 Jahren Bilanz über seine große kölsche Musik-Karriere.
Was passiert, wenn der letzte Ton ihres Abschiedskonzerts gespielt ist?
Ich bin ein Typ, der ziemlich nah am Wasser gebaut hat. Auch bei Filmen im Fernsehen heule ich schnell. Meine Frau sitzt oft ganz cool neben mir und bei mir läuft das Wasser nur so aus den Augen. Das hatte ich auch als kleiner Junge schon. Ich bin aber auch keiner, der lange Trübsal bläst. Dann werde ich erst einmal ausspannen.
Sie haben ihren Abschied lange vorbereitet, standen zuletzt immer in der zweiten Reihe. Das ist sehr uneitel.
Ja, aber entweder gebe ich einem Jungen wie Torben Klein die Chance und baue ihn als Frontmann auf – oder nicht. Das ist ja so: Für die Leute bist du die Identifikationsfigur. Der Typ mit den grauen Haaren und der roten Hose, den kennen sie. Ich bleibe ja auch dabei als Tippgeber, als Berater. Aber nur, wenn die Jungs das wollen. Torben hat das in der letzten Zeit so gut gemacht. Da habe ich ihm gesagt, dass er jetzt die Programme schreiben soll. Was wir in letzter Zeit so gemacht haben, hat er bestimmt. Und so ist es auch gut. Er hat mich an mich selbst erinnert: Ich war auch ungefähr so alt, als wir die Räuber gegründet haben.
Hand aufs Herz: Sind Sie froh, nun dem Karneval den Rücken zu kehren?
Ja, das gebe ich gerne zu. Ich habe das jetzt drei Jahre – seit Torben bei uns eingestiegen ist – vorbereitet. Irgendwann ist es auch mal gut. Denn ich wollte nie, dass man mich von der Bühne trägt oder sagt: „Den alten Sack wollen wir nicht mehr sehen.“ Zudem hat der Karneval sich sehr stark verändert.
Meinen Sie die geschäftliche Situation?
Ja. So blauäugig kann keiner sein, um nicht zuzugeben, dass Karneval ein reines Geschäft geworden ist, ein wahnsinnig wichtiger Wirtschaftsfaktor für Köln. Überleg’ mal, wer da alles dranhängt, wer da alles verdient. Das fängt bei der Brauerei an und hört beim Blumenhändler auf. Das ist ja eine riesige Kette, was da umgesetzt wird. Vielleicht hat man dadurch privat nicht so den Spaß am Karneval und kann nicht so unbeschwert mitfeiern. Man hängt halt mittendrin in dieser Spirale. Es ist auch alles teurer geworden: Nicht nur die Künstler auch die Gastronomen, die GEMA – das kommt alles zusammen und schaukelt sich hoch. Irgendwann ist das dann für Kleinverdiener wahrscheinlich nicht mehr möglich, auf eine Sitzung in den Gürzenich zu gehen. Das muss man fairerweise so sehen – und da sind alle dran Schuld.
Aber das ist ja nicht mehr das, wofür der Karneval gedacht ist.
Wofür ist er denn gedacht? Ursprünglich, um den Großen richtig aufs Maul zu hauen.
Eben: Fastelovend soll doch dem kleinen Mann gehören, der sich gegen die Obrigkeit auflehnt.
Ja, aber das sind doch genau die sozialen Unterschiede, die es überall gibt. Du hast Gewinner und du hast Verlierer. Das darf man nicht romantisch-melancholisch sehen, sondern als eine Entwicklung, die man nicht mehr rückgängig machen kann. Das sieht man auch bei der Musik, da hat sich viel gedreht.
Da sprechen Sie jetzt die jungen Bands an.
Genau. Die jungen Leute legen mehr Wert auf andere Sachen. Zum Beispiel auf die Verpackung. Die ist mittlerweile oft mehr wert, als der Inhalt. Wenn du dich auf der Bühne gut verkaufst, mit kleinen Feuerspielchen oder Effekten zum Beispiel – das kommt gut an. Oder rumtanzen, wie „Brings“ das machen – das war deren Erfolg. Die haben sich ja für den Karneval nicht neu erfunden, die haben nur entdeckt, das man im Karneval viel Geld verdienen kann. Und dann kam eine neue Ära. Wer soll den vielen jungen Bands, die jetzt auf den Markt kommen, verdenken, wenn sie sagen: „Mensch, die haben da so einen Erfolg mit, das können wir auch.“ Und da geht der Trend hin, immer mehr weg von dem was so als „traditionelle kölsche Musik“ gesehen wird. Das findest du heute kaum noch.