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Jamie (21) aus KölnSo wurde ich vom Mädchen zum Mann – „wollte damals, dass alles gelöscht wird“

Per Gesetz sollen die Rechte von Transpersonen in Deutschland gestärkt werden. Das Beispiel von Jamie Williams (21) aus Köln zeigt, wie wichtig das ist.

Im Bundestag steht eine wichtige Abstimmung an. Am Freitag (12. April) soll über das Selbstbestimmungsgesetz entschieden werden. Es soll Transpersonen erleichtern, ihre wahre Identität zu leben. Der 21-jährige Jamie aus Köln ist diesen Weg schon gegangen und erzählt, wie er seinen Weg „vom Mädchen zum Mann“ erlebt hat.

„Das ist soooo süß, ich liebe dieses Bild.“ Lachend sitzt Jamie auf der Couch seiner Wohnung im Kölner Süden. Er schaut sich alte Familienfotos auf seinem Laptop an. Der 21-Jährige ist glücklich. Glücklich darüber, dass er mittlerweile zufrieden mit seinem Erscheinungsbild ist. Und dass er deshalb die Aufnahmen heute problemlos anschauen kann.

Kölner Transmann Jamie: „Ich bin stolz darauf“

Denn das war nicht immer so. „Ich wollte damals, dass alles gelöscht wird und keine Bilder von mir mit langen Haaren existieren. Ich wollte mein damaliges Ich irgendwie auslöschen“, sagt Jamie nachdenklich. Mittlerweile sind die langen Haare Vergangenheit. „Ich schaue jetzt gerne darauf zurück, was ich geschafft habe. Ich bin stolz darauf zu sehen, dass ich jetzt nicht mehr so aussehe.“

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Transpersonen wie Jamie sollen nach dem Willen der Ampelregierung künftig einfacher ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen ändern lassen können. Das Selbstbestimmungsgesetz soll das in wesentlichen Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz von 1980 ablösen, das viele Betroffene als demütigend empfinden. Am Freitag (12. April) stimmt der Bundestag darüber ab.

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Seinen geschlechtsneutralen, ersten Vornamen musste Jamie zwar nie ändern. Aber die Lebensgeschichte des heute 21-Jährigen ist für viele Transpersonen, die sich nicht dem Geschlecht zugehörig fühlen, in dem sie geboren sind, trotzdem typisch.

Jamie Williams wächst mit zwei Brüdern in Brandenburg auf. Die drei sehen sich ähnlich, haben die gleichen Hobbys und denselben Modegeschmack. Eine glückliche Familie. Doch irgendwann merkt Jamie, dass etwas anders ist. „Es kam der Moment, in dem die Gesellschaft einen Unterschied zwischen uns gemacht hat. Plötzlich musste ich quasi weibliche Klamotten tragen und es hieß, meine Hobbys wie Fußball spielen oder Lego bauen passten nicht zu mir.“

Jamie beugt sich diesem Rollenbild zunächst, will keine Probleme verursachen. Doch innerlich wächst der Druck. Die Zerrissenheit. Das Geschlecht, das ihm bei der Geburt zugewiesen wurde, passt einfach nicht zu seiner Identität. „Ich habe gespürt, dass ich da was mache, das mir nicht guttut und was ich nicht bin. Ich hatte das Gefühl, ich würde mein Leben lang schauspielern und das war sehr schwierig.“

Über drei Jahre lebt Jamie mit diesem Gefühl, spricht mit niemandem darüber und vertraut sich dann doch der Mutter an. Da ist Jamie 15 Jahre alt. Drei Stunden lang sprechen die beiden intensiv über Jamies Gefühle. Es fließen viele Tränen.

„Immer, wenn ich über diesen Moment nachdenke, muss ich selbst wieder weinen, weil es ein sehr emotionaler Moment war. Ich habe damals gemerkt: Egal, welchen Weg ich gehe“ – Jamie bricht ab und muss seine Tränen zurückhalten. „Egal, welche Entscheidung ich für mein Leben treffe, meine Mama ist für mich da. Egal, wie schwer es ist, sie geht mit mir diesen Weg.“

In einer Zeit, in der andere in seinem Alter feiern, ihren Hobbys nachgehen und sich verlieben, beginnt Jamies Weg zu sich selbst. Er macht eine psychologische Begleittherapie, lässt Gutachten erstellen, startet eine Hormontherapie, lässt sich die weiblichen Brustdrüsen entfernen (Mastektomie) und ändert seinen Geschlechtseintrag.

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2018 beginnt er, in sozialen Medien aktiv zu werden. Mittlerweile folgen dem 21-Jährigen über 80.000 Menschen auf Instagram, fast doppelt so viele auf TikTok. Als Content Creator, früher gerne „Influencer“ genannt, spricht Jamie seit einiger Zeit offen über sein Leben, gibt Workshops und beantwortet Fragen von Jugendlichen oder ihren Eltern.

„Ich bekomme ständig Nachrichten von Menschen, die es durch meine Beiträge geschafft haben, sich zu outen oder die endlich wissen, wer sie sind.“ An Hassnachrichten habe er sich mittlerweile gewöhnt. Auch das ist ein Zeichen, wie wohl sich Jamie in seinem Körper mittlerweile fühlt. Der junge Mann gibt sich im Interview aufgeschlossen, selbstbewusst und lacht viel.

„Es geht mir heute sehr gut. Ich habe das Gefühl, angekommen zu sein. Ich bin der einzige Mensch, mit dem ich morgens aufstehen muss. Ich bin der einzige Mensch, der sein Leben lang mit mir klarkommen muss. Deswegen ist es so wichtig, seinen eigenen Weg zu gehen.“


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Seine Gefühle drückt der Brandenburger, der seit einem halben Jahr in Köln lebt, in der Musik aus, schreibt Songs und spielt Gitarre. Außerdem geht er bis zu sechsmal in der Woche ins Fitnessstudio. Seinen Followern zeigt er sich dabei oft oberkörperfrei. Denn er sei stolz auf seinen männlichen Körper – auch auf seine Narben im Brustbereich.

Das neue Selbstbestimmungsgesetz sei ein Schritt in die richtige Richtung, findet Jamie. Doch aus konservativen Kreisen kommt auch Kritik. Die Vize-Unionsfraktionsvorsitzende Dorothee Bär (CSU) fürchtet etwa, junge Menschen könnten zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen geradezu ermutigt werden. Dem hält Jamie seine eigene Geschichte entgegen.

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„Wenn ich den Weg nicht hätte gehen müssen, dann wäre ich ihn nicht gegangen. Das ist ein Weg, den man sich nicht freiwillig aussucht. Das war emotional anstrengend. Es war psychisch anstrengend. Es war sozial anstrengend. Das hat so viel mit mir gemacht. Diesen Weg wünsche ich niemandem.“

Es sei zwar „ein unfassbar schönes Gefühl“, bei sich selbst anzukommen. „Aber den Weg dorthin wäre ich niemals gegangen, wenn es nur eine Phase gewesen wäre. So was macht man nicht für Aufmerksamkeit.“ Jamie wünscht sich von der Gesellschaft generell mehr Akzeptanz und Toleranz. „Das Wichtigste ist, dass jeder glücklich ist und seinen Weg gehen kann. Warum muss immer alles kommentiert und kritisiert werden?“ (dpa/aa)