Zwei Straßen in Köln-Ehrenfeld sollen umbenannt werden. Das steckt dahinter.
„Lange überfällig“Zwei Kölner Straßen sollen umbenannt werden – das ist der Grund
Über 130 Jahre nach ihrer „Taufe“ werden zwei Kölner Straßen umbenannt! Die Wissmannstraße und die Gravenreuthstraße, beide liegen in Ehrenfeld, fallen nach dem Ergebnis einer aktuellen Expertise, die EXPRESS.de vorliegt, unter die Kategorie „schwer belastet/nicht haltbar“.
Der Bezirksbürgermeister Volker Spelthann (Grüne) bezeichnete eine Umbenennung gegenüber EXPRESS.de als „lange überfällig“. Man werde einen entsprechenden Beschluss vorbereiten, in der Bezirksvertretung herrsche darüber Einigkeit. Man starte jetzt einen Prozess zur Findung neuer Namen.
Straßennamen in Köln werden geändert – Männer standen für „extensive koloniale Gewalt“
Der Vorgang um die Straßen, die zu Kaiserzeiten zu Ehren der Offiziere des Deutschen Reiches Hermann von Wissmann (1853 bis 1905) und Karl Friedrich von Gravenreuth (1858 bis 1891) benannt wurden, ist Teil eines Prozesses zur Aufarbeitung des kolonialen Gedenkens in Köln.
Beide in jener Zeit von großen Teilen der Bevölkerung idolisierten Militärs werden für Massaker und Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht. Die aus Mönchengladbach stammende Afrikanistin Prof. Dr. Marianne Bechhaus-Gerst, Mitglied eines Expertengremiums, das den Kölner Rat berät, legte zu Wissmann und Gravenreuth jetzt zwei Gutachten vor.
Hier geht es zu unserer Umfrage:
Das Fazit: Die Unternehmungen der „glühenden Anhänger“ des „kolonialen Projekts“ müssten in „in ihrer Brutalität als Verbrechen im Kontext des Kolonialismus“ gewertet werden. Beide Männer stünden für eine „extensive koloniale Gewalt“ und rassistisches Verhalten.
Berüchtigt ist die sogenannte „Wissmann-Truppe“, zu der Gravenreuth als Kompaniechef gehörte – Bürgermeister Spelthann beschreibt sie als „privates Militärunternehmen, eine Söldner-Truppe, wie die Wagner-Gruppe der heutigen Zeit“.
Wissmannstraße in Köln: Beziehung zu Köln durch Ehefrau
Alles, was man heute unter Kriegsverbrechen zusammenfasse, habe zu den Methoden und zur Taktik dieser Männer gehört. Deshalb sei es ihm sehr unangenehm, dass die beiden Ehrenfelder Straßen ihre Namen tragen.
Eine Gruppe von Anwohnerinnen und Anwohner der Wissmannstraße engagiert sich bereits länger für eine Umbenennung. Das Gutachten zu Wissmann fasst zusammen, wie der 1853 in Frankfurt/Oder geborene preußische Offizier zu einem der brutalsten Akteure des Kolonialismus in Zentral- und Ostafrika wurde.
Zu Köln hatte Wissmann durch seine Ehe mit Hedwig Langen, Tochter des Kölner Zuckerfabrikanten Eugen Langen, eine engere Beziehung – sein Grab befindet sich auf Melaten. Es wird seit 2005 vom „Traditionsverband der Schutz- und Überseetruppen“ gepflegt.
Kölner Straßennamen: Wissmann agierte auch für Belgien
Aus Wissmanns Zeit als Leutnant im Deutschen Reich sind Trunkenheitsdelikte, ein Pistolenduell und eine daraus resultierende Haftstrafe belegt. 1879 lernte er den Afrikaforscher Paul Pogge kennen, begleitete ihn zwei Jahre später auf eine Expedition nach Angola, die ihm Pionier-Ruhm einbringen sollte.
Nachdem Pogge erkrankt war, hatte Wissmann die Reise ohne ihn weitergeführt und 1882 die Ostküste erreicht: Die Expedition ging als erste West-Ost-Durchquerung in die Annalen ein.
Das Gutachten beschreibt Wissmann als Mann ohne Skrupel, dessen Lebensmotto lautete: „Finde ich keinen Weg, so bahne ich mir einen!“. Der belgische König Leopold verpflichtete den Deutschen für seine Ziele, beispielweise für die Kolonisierung von „Belgisch-Kongo“: „Mordend, brandschatzend und plündernd“ sei Wissmann durch das Land gezogen.
Die nächsten Jahre kämpfte Wissmann für die deutschen Interessen. Als sich im Osten die Einheimischen gegen die Kolonisierung durch die „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft“ wehrten, begann der Einsatz der „Wissmann-Truppe“ – ein privates Söldner-Heer aus schwarzen Kämpfern anderer Regionen unter Führung des mittlerweile zum „Reichskommissar Deutsch-Ostafrika“ ernannten Wissmann, ausgestattet mit neuartigen, selbstladenden Maschinengewehren.
Straßen in Köln: Wissmann erschießt sich selbst
Wissmann habe als erster in einem von Deutschen geführten Kolonialkrieg eine Strategie der „verbrannten Erde“ angewandt. Dörfer wurden zerstört, Ernten vernichtet, Exekutionen und Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung.
Noch lange nach der Niederschlagung des Aufstandes habe Wissmann Strafexpeditionen durchgeführt, die Hunderten Menschen in Afrika den Tod gebracht haben. Noch 1895 und 1896 habe er seine Kolonialarmee in größere Feldzüge geschickt – in Deutschland sagten ihm Kritiker mittlerweile Größenwahn nach.
Der Mann der Gewalt, der zum Gouverneur von Deutsch-Ostafrika aufstieg, starb selbst einen brutalen Tod: Nachdem er sich wegen gesundheitlicher Beschwerden in den Ruhestand versetzen ließ, erschoss sich Wissmann am 15. Juni 1905 in Weissenbach in der Steiermark mit einer Waffe. Sein Mitstreiter, der aus München stammende ehemalige Offizier der bayerischen Armee Karl Friedrich von Gravenreuth, war da schon lange tot.
Wissmanns Vertreter als Reichskommissar in Deutsch-Ostafrika, der vor allem in der Kolonie Kamerun Männer und Frauen als Sklaven kaufte und als Söldner verpflichtete, wurde am 3. November 1891 beim Sturm auf ein Dorf von einem vergifteten Speer getroffen.